Neue Leitlinien für die Medikation während der Schwangerschaft |
06.06.2005 00:00 Uhr |
Viele schwangere Asthma-Patientinnen sind verunsichert, wenn es um die Einnahme von Arzneimitteln geht und nehmen diese aus Angst um das ungeborene Kind nicht oder nur in stark reduzierter Dosis ein. Internationale Leitlinien bewerten den Einsatz wichtiger Asthmamedikamente neu und geben Empfehlungen.
Die Folgen einer mangelhaften Compliance während einer Schwangerschaft sind nicht nur sich verschlechternde asthmatische Symptome, sondern eine insgesamt schlechtere Prognose für Mutter und Kind. Unkontrolliertes Asthma kann bei den Müttern zu Komplikationen wie (Prä-) Eklampsie, Plazentaablösung sowie einer erhöhten Rate von Kaiserschnitten führen. Folgen für das ungeborene Kind können neben Hypoxie, intrauterinen Wachstumsverzögerungen und einem geringen Geburtsgewicht auch eine erhöhte perinatale Mortalität sein (1).
In einer prospektiven Beobachtungsstudie zeigte sich hingegen, dass bei gut eingestellten Asthmapatientinnen und Frauen ohne Asthma die neonatalen und mütterlichen Komplikationen vergleichbar sind. Ein kürzlich veröffentlichter Artikel im Fachmagazin »The Lancet« befasst sich mit Ergebnissen aus aktuellen Studien und gibt Empfehlungen für die Astmatherapie während der Schwangerschaft (3).
Aktualisierte internationale Leitlinien (4) bewerten den Einsatz wichtiger Asthmamedikamente in der Schwangerschaft wie folgt: Inhalative Corticosteroide können während der Schwangerschaft weiter verabreicht werden und gelten als Basismedikation der ersten Wahl für alle Schweregrade von Asthma in der Schwangerschaft.
Die antiinflammatorische Wirkung reduziert nachweislich das Risiko akuter Exazerbationen und verhindert so fetale Hypoxien (5). Die beste Datenlage liegt derzeit für Budesonid vor, aber auch Beclomethason gilt als sicher. Eine von der pharmazeutischen Fakultät in Montreal initiierte retrospektive Analyse von 3505 schwangeren Frauen fand keine Korrelation zwischen dem Gebrauch von inhalativen Glucocorticoiden und dem Risiko für eine schwangerschaftsinduzierte Hypertonie und Präeklampsie (6).
Bei Einnahme oraler Corticosteroide wurde, vor allem im 1.Trimenon, ein leicht erhöhtes Auftreten spezifischer Malformationen wie Kiefer- und Gaumenspalten beobachtet. Die langfristige Einnahme hoher Dosen kann mit intrauterinen Wachstumsverzögerungen, einem erhöhten Risiko für eine schwangerschaftsinduzierte Hypertonie oder Präeklampsie einhergehen (6). Vor oder zu Beginn einer (geplanten) Schwangerschaft sollte deshalb versucht werden, die Frau auf topische Darreichungen umzustellen. Orale Glucocorticoide sollten dennoch bei zwingender Indikation zum Einsatz kommen, um das Risiko eines schweren und lebensbedrohlichen Asthmaanfalls für Mutter und Kind zu mindern.
Trotz eingeschränkter Datenlage können kurzwirksame Beta-2-Mimetika bei akuter Atemnot in normalen Dosen sicher in der Schwangerschaft angewendet werden. Es liegen keine gesicherten Hinweise auf Fehlbildungen oder perinatale Komplikationen wie Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht oder Mortalität vor. Die Bewertung langwirksamer Beta-2-Mimetika ist auf Grund mangelnder größerer Studien noch nicht abgeschlossen. Dennoch scheint sich ein statistischer Trend für eine leicht erhöhte Rate an Frühgeburten abzuzeichnen (7).
Mastzellstabilisatoren, wie Cromoglicinsäure und Nedocromil gelten als sicher und sollten weiter angewendet werden, wenn damit vor der Schwangerschaft positive Resultate erzielt wurden. Die antientzündliche Effektivität reicht nicht an die der inhalativen Steroide heran, weshalb sie eine mögliche Alternative, keinesfalls jedoch eine bevorzugte Wahl bei mildem, persistierenden Asthma mit allergischer Komponente darstellen sollten.
Eine positive Datenlage aus allerdings wenigen und kleineren Studien besteht derzeit ebenfalls für den Leukotrien-Rezeptorantagonisten Montelukast. In Tierstudien erwies sich dieser als sicher und nicht teratogen. Dennoch sollte die Therapie nicht während der Schwangerschaft begonnen werden, sondern nur bei Patientinnen fortgesetzt werden, bei denen die Gabe bereits vor Eintreten der Schwangerschaft zu einer deutlichen Symptombesserung geführt hat.
Theophyllin kann ab dem 2. Trimenon unter Berücksichtigung eines Zielwirkspiegels von 5 bis 15 mg/l eingenommen werden. Therapeutisches Drug Monitoring ist auf Grund der geringen therapeutischen Breite und der Variabilität der Clearance unumgänglich. In normalen Dosen wurde keine Korrelation zu fetalen Missbildungen oder perinatalen Komplikationen beobachtet.
Zum Einsatz von Anticholinergika in der Schwangerschaft liegen derzeit keine kontrollierten Studien vor, die eine positive Beurteilung ermöglichen. Eine spezifische Immuntherapie kann bei allergischem Asthma fortgesetzt werden, sollte aber wegen der Möglichkeit anaphylaktischer Reaktionen nicht während der Schwangerschaft begonnen werden und nicht mit erhöhten Antigendosen einhergehen.
Zusammenfassend ist für Mutter und Kind das Risiko von Komplikationen bei schlecht eingestelltem oder untertherapiertem, schweren Asthma höher als bei der Einnahme von Medikamenten (5). Die aktuellen Empfehlungen sollten deshalb Frauen bestärken, Asthma während der Schwangerschaft optimal zu behandeln.
Literatur
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