Mit der viralen Intelligenz rechnen |
05.06.2000 00:00 Uhr |
Viren galten immer schon als raffiniert und tückisch, als leblose Überlebenskünstler. Forscher arbeiten weltweit an neuen Strukturen und Strategien. Trotz mancher Rückschläge ist man auch in der Influenza- und Aids-Therapie wieder einen Schritt nach vorne gekommen. Das Arsenal verfügbarer Virustatika wächst, Selektivität und Verträglichkeit nehmen zu. Einen Überblick über alte und neue Virustatika gab Professor Dr. Bernd Clement, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Gegen die variablen und weit verbreiteten Influenzaviren ist die Impfung nach wie vor die wirksamste Waffe. Amantadinderivate (Amantadin, Rimantadin) haben starke Nebenwirkungen und sind daher nur zur Prophylaxe von Risikopatienten zu empfehlen. Als Meilenstein in der Entwicklung gelten die neuen Neuraminidase-Hemmstoffe Zanamivir (Relenza®) und sein perorales Analogon Oseltamivir (Tamiflu®). Untersuchungen zufolge ist der Therapieerfolg innerhalb der ersten zwei Tage nach Auftreten typischer Grippesymptome am größten, eine frühzeitige Einnahme daher entscheidend. Als typische Leitsymptome nannte Clement in die Höhe schießendes Fieber, eine verminderte Mimik, einen hellroten Rachen und das Gefühl allgemeiner Abgeschlagenheit.
Auch wenn der entscheidende Durchbruch in der HIV-Therapie bislang noch ausblieb, kann man heute "zumindest das Tempo reduzieren, mit der HIV-Infizierte auf die Katastrophe Aids zurasen", sagte Clement. Impfstoffe befinden sich wegen der hohen Variabilität des HI-Virus noch immer im Anfangsstadium. In der Chemotherapie werden viele Substanzen noch erprobt, zum Beispiel Fusionsinhibitoren, Antisense-Oligonucleotide und RN-H- und Integrase-Hemmstoffe. Als Goldstandard in der HIV-Therapie hat sich hingegen die Tripletherapie etabliert, mit einem HIV-Proteaseinhibitor (PI) und zwei nukleosidischen- beziehungsweise nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI/NNRTI). Allerdings ist der Therapiegrundsatz "hit hard and early" nicht mehr unumstritten.
Mehrmalige Einnahmen am Tag und starke Nebenwirkungen führten zu Non-Compliance und
mutationsbedingten Resistenzen, meinen die Kritiker. Von Vorteil kann hier möglicherweise
der Ersatz des Proteasehemmers durch Efavirenz sein(Sustiva®, Stocrin®).
Die Substanz ist der jüngste Vertreter der drei in Deutschland zugelassenen NNRTI
(Nevirapin, Delavirdin, Efavirenz) und muss nur noch einmal am Tag genommen werden. Unter
den Neuentwicklungen sei auch das Nukleotidanalogon Adefovir interessant, da es noch gegen
bereits nukleosidresistente HIV-Stämme wirkt.
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