Konservierte Nasensprays sind obsolet |
22.05.2000 00:00 Uhr |
Dank neuer technischer Entwicklungen zur Applikation von Nasalia können auch nicht-konservierte Formulierungen in Mehrdosen-Behältnissen sicher angewendet werden. Die hier vorgestellte Studie zeigt das zytotoxische Potential marktüblicher und typischer Nasensprays in konservierter und unkonservierter Form auf. Die Ergebnisse führen zu dem Schluss, dass konservierte Nasensprays dort obsolet sind, wo unkonservierte Alternativen zur Verfügung stehen.
Das Europäische Arzneibuch verlangt für Zubereitungen zur nasalen Anwendung (Nasalia) in Mehrdosisbehältnissen, abgesehen von begründeten und zugelassenen Ausnahmen, den Zusatz von geeigneten Konservierungsmitteln in angemessener Konzentration. Meist wird mit Benzalkoniumchlorid (BZC) in Konzentrationen von 0,05 bis 0,2 Prozent konserviert. Gemäß Arzneibuch dürfen die Präparte außerdem nicht die Nasenschleimhaut reizen und keine unerwünschten Wirkungen auf die Funktion der mucoziliaren Clearance ausüben.
Obgleich das allergene und zytotoxische Potenzial von Konservierungsmitteln seit langem bekannt sind, werden die meisten Nasalia immer noch konserviert. Im Gegensatz dazu entwickelte man für die Augenheilkunde schon früh Konservierungsmittel-freie Alternativen, zumeist in Ein-Dosis-Behältnissen. Klinische Studien gemäß dem Stand der Technik und Wissenschaft sind aus Mangel an unkonservierten Vergleichspräparaten und ethischen Gesichtspunkten nur schwer zu realisieren. Daher beruhen die meisten publizierten Daten auf Tierexperimenten oder In-vitro-Ergebnissen. Dennoch besteht eine große Übereinstimmung in der Fachliteratur über das zytotoxische Potenzial von Konservierungsmitteln(1-7).
Neuentwicklungen nur noch ohne
Inzwischen entwickelten Technologen Pumpensystemen, die eine konservierungsmittelfreie Mehrfachgabe von Nasalia ermöglichen(8, 9). Seither wurden eine Reihe von bereits eingeführten Präparaten umgestellt. Aus unserer Sicht dürften Neuentwicklungen nur noch ohne Konservierungsmittel angeboten werden. In Zukunft wird die nasale Applikation von systemisch wirksamen Substanzen immer wichtiger. Arzneimittel gegen Migräne, zur Hormonsubstitution und bei erektiler Dysfunktion hat man bereits erfolgreich entwickelt. Nasensprays gegen Reisekrankheit, Übelkeit, zur Influenzaimpfung und insbesondere Schmerzbekämpfung werden in Kürze folgen (10).
Die mikrobiologische Sicherheit der neuen Konservierungsmittel-freien Systeme ist in umfangreichen Prüfungen zweifelsfrei nachgewiesen worden und somit Stand der Technik (11, 12). Dennoch fehlen bisher praxisbezogene Vergleichsstudien, die eine begründete Aussage über den Vergleich der zytotoxischen Eigenschaften marktüblicher Präparate erlauben.
Zytotoxizität im Zellversuch geprüft
Aus diesem Grunde haben wir vier weit verbreitete Substanzen (saline Lösung, Xylometazolin, Dexpanthenol und Cromoglicin), jeweils in konservierter (BZC) und unkonservierter Form einer Zytotoxizitätsprüfung nach DIN EN 30993-5 unterzogen. Die Prüfung erfolgt an FL-Zellkulturen des menschlichen Amnions bei 37°C über 24 Stunden. Als Kontrolle diente Nährlösung (MEM, Dulbeco). Die Zellzahl erlaubt eine Aussage über die zytotoxische Wirkung des arzneilich wirksamen Bestandteils inklusive Lösungsformulierung, Tonizität und pH-Wert sowie den direkten Vergleich zum möglichen zytotoxischen Potenzial des Konservierungsmittels. Die Zellzahlen wurden in 19 Parallelansätzen für jedes Präparat ermittelt und anschließend statistisch ausgewertet. Die Ergebnisse sind in der Tabelle wiedergegeben.
(Deskriptive Statistik (Zellzahl/ml), U-Test)
(n = 19)
Mittel (± SD)
Minimum/
Maximum
Zellwachstum (%)
p-Wert
vs. Kontrolle
p-Wert
vs. BZC
Kontrolle
495,51 (43,23)
431/576
100
-
-
Saline Lösung
502,32 (41,31)
417/579
101,58
16.22 n.s. < 0,001 Saline Lösung (BZC) 412,97 (34,44) 342/470 83,34 < 0,001 - Xylometazolin (0,1%) 206,97 (34,01) 140/257 41,77 < 0,001 < 0,001 Xylometazolin (0,05%, BZC) 66,09 (17,53) 38/101 13,34 < 0,001 - Dexpanthenol (5%) 316,69 (29,08) 241/353 63,31 < 0,001 < 0,001 Dexpanthenol (5%, BZC) 25,43 (10,09) 4/42 5,13 < 0,001 - Cromoglicin (2%) 84,88 (20,49) 47/129 17,13 < 0,001 < 0,001 Cromoglicin (2%, BZC) 38,89 (6,91) 24/49 7,85 < 0,001 - (n = 19, BZC = Benzalkoniumchlorid)
Signifikanter Unterschied beim Zellwachstum
Bei allen getesteten Präparaten bestand ein signifikanter Unterschied im Zellwachstum zwischen den unkonservierten und den konservierten Nasensprays. Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch die unkonservierten Produkte über ein gewisses zytotoxisches Potenzial verfügen, so dass deren Anwendung nicht über längere Zeiträume erfolgen sollte. Das gilt insbesondere für die Vasokonstriktoren. Nur die saline Lösung zeigte in unkonservierter Form keinerlei zytotoxisches Potenzial.
Unserer Meinung nach ist es nicht mehr länger vertretbar, konservierte Nasalia zu verordnen und abzugeben, wenn unkonservierte Alternativen zur Verfügung stehen. Apotheker und Ärzteschaft müssen die Industrie zur zügigen Umstellung auf die deutlich besser verträglichen Nasalia ohne Konservierungsmittel bewegen.
Anschrift der Verfasser:
Dr. med. Norbert Klöcker,
AUDIT Institute for Medical Services and Quality Assurance,
Mühlfeldstraße 22,
65232 Taunusstein
Dr. med. Peter Rudolph,
Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität,
Hainstr 26,
17493 Greifswald
Literatur:
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