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Konservierte Nasensprays sind obsolet

22.05.2000  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag

Konservierte Nasensprays
sind obsolet

von Norbert Klöcker, Taunusstein, und Peter Rudolph, Greifswald

Dank neuer technischer Entwicklungen zur Applikation von Nasalia können auch nicht-konservierte Formulierungen in Mehrdosen-Behältnissen sicher angewendet werden. Die hier vorgestellte Studie zeigt das zytotoxische Potential marktüblicher und typischer Nasensprays in konservierter und unkonservierter Form auf. Die Ergebnisse führen zu dem Schluss, dass konservierte Nasensprays dort obsolet sind, wo unkonservierte Alternativen zur Verfügung stehen.

Das Europäische Arzneibuch verlangt für Zubereitungen zur nasalen Anwendung (Nasalia) in Mehrdosisbehältnissen, abgesehen von begründeten und zugelassenen Ausnahmen, den Zusatz von geeigneten Konservierungsmitteln in angemessener Konzentration. Meist wird mit Benzalkoniumchlorid (BZC) in Konzentrationen von 0,05 bis 0,2 Prozent konserviert. Gemäß Arzneibuch dürfen die Präparte außerdem nicht die Nasenschleimhaut reizen und keine unerwünschten Wirkungen auf die Funktion der mucoziliaren Clearance ausüben.

Obgleich das allergene und zytotoxische Potenzial von Konservierungsmitteln seit langem bekannt sind, werden die meisten Nasalia immer noch konserviert. Im Gegensatz dazu entwickelte man für die Augenheilkunde schon früh Konservierungsmittel-freie Alternativen, zumeist in Ein-Dosis-Behältnissen. Klinische Studien gemäß dem Stand der Technik und Wissenschaft sind aus Mangel an unkonservierten Vergleichspräparaten und ethischen Gesichtspunkten nur schwer zu realisieren. Daher beruhen die meisten publizierten Daten auf Tierexperimenten oder In-vitro-Ergebnissen. Dennoch besteht eine große Übereinstimmung in der Fachliteratur über das zytotoxische Potenzial von Konservierungsmitteln(1-7).

Neuentwicklungen nur noch ohne

Inzwischen entwickelten Technologen Pumpensystemen, die eine konservierungsmittelfreie Mehrfachgabe von Nasalia ermöglichen(8, 9). Seither wurden eine Reihe von bereits eingeführten Präparaten umgestellt. Aus unserer Sicht dürften Neuentwicklungen nur noch ohne Konservierungsmittel angeboten werden. In Zukunft wird die nasale Applikation von systemisch wirksamen Substanzen immer wichtiger. Arzneimittel gegen Migräne, zur Hormonsubstitution und bei erektiler Dysfunktion hat man bereits erfolgreich entwickelt. Nasensprays gegen Reisekrankheit, Übelkeit, zur Influenzaimpfung und insbesondere Schmerzbekämpfung werden in Kürze folgen (10).

Die mikrobiologische Sicherheit der neuen Konservierungsmittel-freien Systeme ist in umfangreichen Prüfungen zweifelsfrei nachgewiesen worden und somit Stand der Technik (11, 12). Dennoch fehlen bisher praxisbezogene Vergleichsstudien, die eine begründete Aussage über den Vergleich der zytotoxischen Eigenschaften marktüblicher Präparate erlauben.

Zytotoxizität im Zellversuch geprüft

Aus diesem Grunde haben wir vier weit verbreitete Substanzen (saline Lösung, Xylometazolin, Dexpanthenol und Cromoglicin), jeweils in konservierter (BZC) und unkonservierter Form einer Zytotoxizitätsprüfung nach DIN EN 30993-5 unterzogen. Die Prüfung erfolgt an FL-Zellkulturen des menschlichen Amnions bei 37°C über 24 Stunden. Als Kontrolle diente Nährlösung (MEM, Dulbeco). Die Zellzahl erlaubt eine Aussage über die zytotoxische Wirkung des arzneilich wirksamen Bestandteils inklusive Lösungsformulierung, Tonizität und pH-Wert sowie den direkten Vergleich zum möglichen zytotoxischen Potenzial des Konservierungsmittels. Die Zellzahlen wurden in 19 Parallelansätzen für jedes Präparat ermittelt und anschließend statistisch ausgewertet. Die Ergebnisse sind in der Tabelle wiedergegeben.

 

 

 

Ergebnisse der Prüfung auf Zytotoxizität

(Deskriptive Statistik (Zellzahl/ml), U-Test) (n = 19) Mittel (± SD) Minimum/
Maximum
Zellwachstum (%) p-Wert
vs. Kontrolle
p-Wert
vs. BZC
Kontrolle 495,51 (43,23) 431/576 100 - - Saline Lösung 502,32 (41,31) 417/579 101,58

16.22 n.s. < 0,001 Saline Lösung (BZC) 412,97 (34,44) 342/470 83,34 < 0,001 - Xylometazolin (0,1%) 206,97 (34,01) 140/257 41,77 < 0,001 < 0,001 Xylometazolin (0,05%, BZC) 66,09 (17,53) 38/101 13,34 < 0,001 - Dexpanthenol (5%) 316,69 (29,08) 241/353 63,31 < 0,001 < 0,001 Dexpanthenol (5%, BZC) 25,43 (10,09) 4/42 5,13 < 0,001 - Cromoglicin (2%) 84,88 (20,49) 47/129 17,13 < 0,001 < 0,001 Cromoglicin (2%, BZC) 38,89 (6,91) 24/49 7,85 < 0,001 - (n = 19, BZC = Benzalkoniumchlorid)

 

Signifikanter Unterschied beim Zellwachstum

Bei allen getesteten Präparaten bestand ein signifikanter Unterschied im Zellwachstum zwischen den unkonservierten und den konservierten Nasensprays. Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch die unkonservierten Produkte über ein gewisses zytotoxisches Potenzial verfügen, so dass deren Anwendung nicht über längere Zeiträume erfolgen sollte. Das gilt insbesondere für die Vasokonstriktoren. Nur die saline Lösung zeigte in unkonservierter Form keinerlei zytotoxisches Potenzial.

Unserer Meinung nach ist es nicht mehr länger vertretbar, konservierte Nasalia zu verordnen und abzugeben, wenn unkonservierte Alternativen zur Verfügung stehen. Apotheker und Ärzteschaft müssen die Industrie zur zügigen Umstellung auf die deutlich besser verträglichen Nasalia ohne Konservierungsmittel bewegen.

Anschrift der Verfasser:
Dr. med. Norbert Klöcker,
AUDIT Institute for Medical Services and Quality Assurance,
Mühlfeldstraße 22,
65232 Taunusstein

Dr. med. Peter Rudolph,
Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität,
Hainstr 26,
17493 Greifswald

Literatur:

  1. Graf, P. , Hallén, H., Effect on the nasal mucosa of long-term treatment with oxymetazoline, benzalkonium chloride, and placebo nasal sprays. Laryngoscope 106, 5 Pt 1 (1996) 605 - 9.
  2. Graf, P, Enerdal, J., Hallén, H., Ten Days’ Use of Oxymetazoline Nasal Spray With or Without Benzalkonium Chloride in Patients With Vasomotor Rhinitis. Arch Otolaryngol Head Neck surg. 103 (1999) 1128 - 1132.
  3. Kuboyama, Y., Suzuki, K., Hara, T., Nasal lesions induced by intranasal administration of benzalkonium chloride in rats. J Toxicol Sci 22, 2 (1997) 153 - 160.
  4. Berg, O. H., Lie, K., Steinsvag, S. K., The effects of topical nasal steroids on rat respiratory mucosa in vivo, with special reference to benzalkonium chloride. Allergy 52, 6 (1997) 627 - 632.
  5. Cho, J. H., et al., Long-term use of preservatives on rat nasal respiratory mucosa: effects of benzalkonium chloride and potassium sorbat. Laryngoscope 110, 2 Pt 1 (2000) 312 - 317.
  6. Boek, W. M., et al., Validation of animal experiments on ciliary funktion in vitro. II. The influence of absorption enhancers, preservatives and physiologic saline. Acta Otolaryngol 119, 1 (1999) 98 - 101.
  7. Bernstein, I. L., Is the use of benzalkonium chloride as a preservative for nasal formulations a safety concern? A cautionary note based on compromised mucociliary transport. J Allergy Clin Immunol 105, 1 Pt 1 (2000) 39 - 44.
  8. Bommer, R., Latest advances in nasal drug-delivery technology. Med Device Technol 10, 4 (1999) 22 - 28.
  9. Kloecker, N, Bommer, R., Nasal drug application. The evolution of therapeutic approaches and devices. Drug Information Association, 34th Annual Meeting, Boston USA, June 1998.
  10. Striebel, H. W., et al., Non-invasive methods for PCA in pain management. Acute Pain 2, 1 (1999) 36 - 40.
  11. Wiedemann, B., Kratz, B., Konservierungsmittelfreie Nasalia. Mikrobiologische Prüfung und Bewertung. Dt. Apoth. Ztg. 138 (1998) 529 - 533.
  12. Bagel, S., Wiedemann, B., Nasensprays ohne Konservierungsmittel. Dt. Apoth. Ztg. 139 (1999) 4438 - 4441.
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