Identitätsprüfung von Methylphenidathydrochlorid |
06.05.2002 00:00 Uhr |
von Karsten Albert, Eschborn
Methylphenidat wird nicht nur als Fertigarzneimittel sondern auch als Rezeptur verordnet. Daher stellt sich die Frage nach einer apothekengerechten Identitätsprüfung der Ausgangssubstanz.
Methylphenidat ist ein indirektes Sympathomimetikum und stimuliert zentrale noradrenerge und dopaminerge Neurone. Außerdem wird die neuronale Aktivität im Kleinhirn gesteigert. Wie andere Psychostimulantien verursacht der Wirkstoff ein reduziertes Schlafbedürfnis, Unruhe, Erregungszustände und Euphorie. Therapeutisch wird die Substanz beim hyperkinetischen Syndrom des Kindes und zur Behandlung der Narkolepsie eingesetzt (1).
In den letzten Jahren wurde Methylphenidat in Deutschland immer häufiger bei Kindern mit Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) verordnet. Etwa 160 000 Kinder sind von der genetisch bedingten ADHS betroffen (2). Die Anwendung von Methylphenidat gilt als wirksam, ist jedoch rein symptomatisch und erfordert eine sorgfältige Indikationsstellung sowie begleitende sozio- und psychotherapeutische Maßnahmen (1).
Die Kinder erhalten entweder Methylphenidathydrochlorid-Fertigarzneimittel in Form von schnell freisetzenden Tabletten oder in der Rezeptur angefertigte Kapseln mit schneller oder verzögerter Wirkstofffreigabe. Anleitungen zur Kapselherstellung gibt der Rezepturhinweis "Methylphenidathydrochlorid" des Neuen Rezeptur-Formulariums (3). Als Wirkstoff werden entweder verriebene Tabletten oder Methylphenidathydrochlorid-Reinsubstanz verarbeitet.
Der Handel bietet den Ausgangsstoff auf Basis der Monographie in der United States Pharmacopeia (USP 24) an, aktuell ist die Substanz in der USP 25 monographiert (4). Dieses Arzneibuch sieht zum Nachweis der Identität die Infrarotspektroskopie vor, so dass bei der Eingangsprüfung in der Apotheke regelmäßig der Wunsch nach instrumentell weniger aufwändigen Prüfverfahren laut wird. Nachstehend wird eine apothekengerechte Alternativmethode vorgeschlagen.
Prüfung A: Die Lösung von 50 mg Substanz in 15 ml Wasser R wird mit 3 ml Pikrinsäure-Lösung R versetzt und 30 Minuten lang stehen gelassen. Der Niederschlag wird abfiltriert, mit etwa 5 ml Wasser R gewaschen und im Trockenschrank bei 100 bis 105 °C getrocknet. Die Kristalle haben eine Schmelztemperatur (2.2.14) von 193 bis 197 °C.
Die Prüfung B erfolgt mit Hilfe der Dünnschichtchromatographie (DAC-Probe 11). Als Untersuchungslösung werden: 10 mg Substanz in 2 ml Methanol R gelöst. Als Referenzlösung löst man 10 mg Substanz, deren Identität bekannt ist, ebenfalls in 2 ml Methanol R. Als Stationäre Phase dient eine DC-Platte mit Kieselgel F 254 R. Darauf werden je 2 µl getrennt aufgetragen. Das Fließmittel besteht aus einer Mischung von 99 Volumteilen Methanol R und einem Volumteil konzentrierter Ammoniak-Lösung R. Die Laufstrecke beträgt 6 cm. Die Platte wird an der Luft getrocknet und im UV 254 ausgewertet. Anschließend wird sie mit verdünntem Dragendorffs Reagenz R besprüht und im Tageslicht ausgewertet.
In den Chromatogrammen der Untersuchungslösung und der Referenzlösung tritt im UV 254 und im Tageslicht jeweils ein Fleck mit dem gleichen Rf-Wert und der gleichen Intensität auf. Methylphenidathydrochlorid erscheint bei einem Rf-Wert von etwa 0,6 im UV 254 als dunkler Fleck und nach der farbgebenden Detektion im Tageslicht als brauner Fleck. Als Vergleichssubstanz kann entweder eine sämtlichen Anforderungen der USP 25 entsprechende Substanz mit anderer Chargenbezeichnung oder eine zertifizierte Referenzsubstanz verwendet werden.
Zur Prüfung C dient die Identitätsreaktion auf Ester (2.3.1). Als a-Phenyl-2-piperidyl-essigsäuremethylester reagiert Methylphenidat mit Hydroxylamin-Base zu einer Hydroxamsäure, die wiederum mit Eisen(III)-Ionen ein rotes Komplexsalz bildet (5).
Als Prüfung D kann mit 15 mg Substanz die Identitätsreaktion a) auf Chlorid (2.3.1) durchgeführt werden.
Andere Identitätsprüfungen
In der Literatur werden für Methylphenidathydrochlorid Schmelz- und Zersetzungstemperaturen von etwa 205 °C (6), 207 bis 208 °C (7) und 224 bis 226 °C (8) genannt. Nach eigenen Untersuchungen schmilzt die Substanz ab etwa 200 °C unter Zersetzung und Verflüchtigung. Die Bestimmung der Schmelztemperatur ist damit zum sicheren Nachweis der Identität ungeeignet. Die stark abweichenden Literaturwerte verdeutlichen ebenfalls die Messprobleme.
Beim Umgang mit Methylphenidathydrochlorid ist zu beachten, dass es sich um ein Betäubungsmittel der Anlage III A handelt. Zur Dokumentation des Verbrauchs während der Prüfung muss in dem nach Apothekenbetriebsordnung anzufertigenden Prüfprotokoll die verwendete Menge Methylphenidathydrochlorid vermerkt werden. Nach Abschluss der Arbeiten ist das Protokoll durch den Apothekenleiter und zwei Zeugen, die sich vom Verbrauch des Betäubungsmittels überzeugt haben, zu unterzeichnen. Das Protokoll kann unter diesen Voraussetzungen als Nachweis der ordnungsgemäßen Vernichtung dienen. Dazu werden in die Betäubungsmittelkartei die verbrauchten Mengen als Abgang eingetragen und eine Kopie des Prüfprotokolls mit einem Hinweis auf den Verbleib des Originals aufgenommen.
Literatur
Anschrift des Verfassers:
Dr. Karsten Albert
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65760 Eschborn
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