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Beanstandungen von Aerosolen

03.04.2000  00:00 Uhr

-PharmazieGovi-Verlag

PRAXIS UND LABOR

Beanstandungen von Aerosolen

von Syed Laik Ali und Roland Schäfer, Eschborn

Die Anwendung von Arzneimitteln in Form von Inhalaten und Räucherungen kann auf eine sehr lange Tradition zurückblicken. So finden sich bereits in dem um 1600 vor Christus niedergeschriebenen Papyrus Ebers "Zusammengesetzte Räuchermittel", die auch später von den Griechen zur pulmonalen Resorption von Drogen verwendet wurden (1, 2). Die modernen Druckaerosole stellen dagegen eine noch recht junge Darreichungsform dar.

Dosieraerosole sind disperse Systeme mit einer flüssigen oder festen dispergierten Phase und einem Treibmittel als Dipersionsanteil. In der flüssigen Treibmittelphase befinden sich die gelösten Wirkstoffe und eventuell weitere Hilfsstoffe. Nach dem Öffnen des Ventils drückt die Gasphase die flüssige Phase durch das Steigrohr nach außen. Nach dem Verlassen der Düse kommt es zu einem spontanen Verdampfen des Treibgases, das sich dabei auf eine etwa 300-fach größeres Volumen ausdehnt und so eine sehr feine Zerstäubung des darin gelösten Arzneistoffes bewirkt. Das gleiche Prinzip gilt auch für die Suspensionsaerosole. Hier sind die Feststoffpartikel in der flüssigen Phase des Treibmittels suspendiert.

Aerosol-Präparate unterschiedlicher Art werden seit Jahren wegen Funktionsstörungen, Bedienungsfehlern und nicht pfleglichem Umgang durch Patienten beanstandet. Allein im Jahr 1999 wurden etwa 200 diverse Dosieraerosole und Dosiersprays wegen Funktionsmängeln reklamiert und zur Überprüfung über die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker an das ZL eingesandt. Diese Präparate werden wie folgt unterteilt, die häufigsten Reklamationsgründe und Ursachen beschrieben.

Dosiersprays und Nasensprays

Unterscheidung:

  1. mechanische Betätigung der Ventileinrichtung durch Pumpen, bei Behältern mit Steigrohr
  2. mechanische Betätigung der Ventileinrichtung durch Pumpen, bei Behältern ohne Steigrohr, mit Doppelinnenbeutel, "Airless-System", "Comod System"

Häufige Beanstandungsgründe:

zu 1. defekte Sprüheinrichtung; sprüht nicht; Spraylösung läuft aus, es lassen sich keine vernebelten Sprühstösse entnehmen; es kommen nur unkontrollierte Tropfen der Spraylösung heraus; keine exakte Dosierung möglich; Sprühaussetzer.

zu 2. defekte Sprüheinrichtung; sprüht nicht; keine Entnahme möglich trotz gefülltem Behälter; die nicht entnehmbare Restmenge an Spraylösung ist zu groß.

Ursachen bei Behältern mit Steigrohr:

  • Das Steigrohr ist nicht vorhanden; abgeknickt; taucht nicht in die Lösung ein. Es ist nicht genug Pumpdruck vorhanden – mehrmaliges Niederdrücken der Ventileinrichtung ist notwendig.
  • Es ist nicht mehr genügend Lösung vorhanden, blickdichte Ummantelung ver- hindert eine Beurteilung der Restmenge des Behälters.
  • Es ist nur noch Restlösung vorhanden, die grundsätzlich nicht entnommen werden kann.
  • Es lässt sich kein Pumpdruck aufbauen - der Behälter ist undicht durch offene Bördelkappen, Glasbruch des Behälters unter der Ummantelung, Haarrisse im Behälter oder in der Ventileinrichtung.
  • Die Ventileinrichtung ist unvollständig, Sprühkopf oder andere Teile fehlen, Bohrung der Austrittsöffnung ist nicht durchgängig oder (durch Manipulation) beschädigt.
  • Ventilstift, Behältnis, Mundrohr und Austrittsöffnung sind mit Ablagerungen verschmutzt.
  • Der Ventilstift klemmt in einer zu stramm sitzenden Dichtung – bleibt nach Niederdrücken in dieser Stellung, kehrt nicht in die Ausgangsstellung zurück.

Ursachen bei Behältern ohne Steigrohr:

  • Riss des Innenbeutels
  • Versagen der Sprühfunktion wegen Permeation durch längeren Gebrauch; durch Eindringen von Luftfeuchtigkeit verbleiben große Restmengen an Spraylösung im Gefäß
  • Aufbrauchfrist ist überschritten; Zunahme der nicht auszubringenden Rest- volumina an Spraylösung bei Überschreitung der Aufbrauchfrist
  • Versagen der Ventileinrichtung

Dosieraerosole Unterscheidung:

  1. treibgasbetriebene Dosieraerosole (Suspension in Treibmittel: FCKW oder FCKW-frei)
  2. Modifizierte Dosieraerosole, atemzuginduzierte Geräte (Suspension in Treibmittel: FCKW oder FCKW-frei)

Häufige Beanstandungsgründe:

zu 1.) defekte Ventileinrichtung; unregelmäßige Sprühstösse; Aussetzer; klemmender Ventilstift; verstopfte Austrittsöffnung der Mundrohre; Verminderung der Dosierung im Verlauf der Entnahme; nachlassende Funktion; ungleichmäßige Vernebelung der Sprühstösse; Dosieraerosol kann nicht vollständig entleert werden; Dosieraerosol hat kein Treibgas mehr oder sogenannte "Dauersprüher", die keinen definierten Sprühstoss abgeben

zu 2.) keine Inhalation möglich; es wird kein Sprühstoss freigesetzt; atemzuginduzierte Klappe öffnet sich nicht beziehungsweise ist trotz gespanntem Hebel immer geöffnet; Sprühstoss wird ohne Atemzug bereits beim Entfernen der Schutzkappe freigegeben

Ursachen bei treibgasbetriebenen Dosieraerosolen:

  • Beschädigung des Ventilstifts oder des Behälters
  • klemmender Ventilstift in einer zu stramm sitzenden Kammerdichtung
  • Ablagerung von festen Suspensionsanteilen an der Austrittsöffnung des Mundrohrs, des Ventilstifts und an dessen seitlicher Bohrung durch ungenügende Reinigung und Pflege
  • ungleichmäßige Vernebelung der Sprühstösse durch Manipulation oder Verstopfung der Austrittsöffnung des Mundrohrs
  • durch mangelndes Schütteln des Behälters ungenügende Homogenisierung der Suspension, dadurch Verminderung, bzw. ungleichmäßige Dosierung oder mangelnder Treibgasdruck
  • Entweichen von Treibgas durch nicht geschlossene oder undichte Bördelkappen
  • Riss in der Innenkammer des Behälters ruft einen Dauersprühstoss hervor

Ursachen bei modifizierten Dosieraerosolen:

  • die atemzugindizierte Klappe ist nicht vorhanden, beschädigt oder öffnet sich bei Unterdruck nicht
  • der Behälter wurde verkantet eingebaut; klemmender Ventilstift in einer zu stramm sitzenden Dichtung

Pulverinhalatoren Unterscheidung:

  1. Turbohaler, Easyhaler: Behälter mit mechanischer Dosiereinrichtung, aus dem die freigesetzte Wirkstoffdosis durch Atemzug inhaliert wird
  2. Diskus: Doppelfolien, scheibenartige Behälter mit Zählwerk, mechanische Dosiereinrichtung durch Spannhebel. Die feigesetzten Wirkstoffdosen werden durch den Atemzug inhaliert
  3. Spinhaler: Wirkstoff in Hartgelatine-Kapseln wird durch Einstechen freigesetzt, durch Atemzug inhaliert, wobei die Kapsel im Gerät eine Drehbewegung (spin) ausführt

Häufige Beanstandungsgründe:

zu 1.) trotz gefülltem Behälter kommt kein Pulver aus dem Inhalator; Zählwerk ist blockiert oder zeigt falsch an; Pulver ist trotz Trockenmittel feucht; mangelnde Wirksamkeit; Patienten spüren bei der Inhalation die geringen Wirkstoffmengen nicht
zu 2.) kein Pulveraustritt; Hebel lässt sich nicht spannen; Zählwerk ist blockiert oder zeigt falsche Werte an; Patienten spüren den Wirkstoff ohne Geschmack nicht im Mundraum
zu 3.) das Pulver ist klumpig oder verklebt, nicht rieselfähig; löst sich nicht aus der Kapsel; kann nicht inhaliert werden

Ursachen bei Turbohaler, Easyhaler:

  • Die rote Markierung zeigt an, dass das Behältnis leer ist
  • das Dosierrad ist schwergängig und klemmt durch verklumpte Pulverrückständ
  • es sind nicht mehr genügend Einzeldosen entnehmbar, falsche Anzeige des Zählwerks

Ursachenbei Diskus:

  • der Spannhebel lässt sich nicht betätigen, die Alu-Rolle mit den Einzeldosen wird nicht weitertransportiert
  • das Zählwerk funktioniert nicht, zählt bei Entnahme nicht zurück
  • es erfolgt kein Pulveraustritt, Austrittsöffnung ist durch nicht inhalierte Pulvermengen verstopft

Ursachenbei Spinhaler: ·

  • die Dosierkapsel lässt sicht nicht richtig einstechen
  • die Dosierkapselhülle zersplittert beim Einstechen in kleine scharfkantige Einzelteilchen
  • der Propeller rotiert nicht bei Unterdruck, das Pulver kann nicht verteilt und inhaliert werden.

Empfehlungen

Für die Anwender, Apotheken: Dosieraerosole, Dosiersprays und Pulverinhalatoren sind technische Geräte, die vor der Anwendung durch Patienten genauester Erklärung zur Handhabe bedürfen. Eine diesbezügliche pharmazeutische Betreuung in der Apotheke ist notwendig. Die Hersteller erklären die Benutzung, Vorgehensweise und Reinigungsschritte durch Hinweise und graphische Darstellung im Text der Packungsbeilage. Trotzdem scheint für die Erstbenutzer eine Erklärung der Handhabe notwendig zu sein. Insbesondere häufigere Reinigung, Befreiung der Teilstücke von Suspensionsablagerungen und Schmutz sowie pflegliche Behandlung der Präparate ist dringend erforderlich und müssen den Anwendern immer wieder erklärt werden. Durch Ablagerungen und Verschmutzungen der Mundstücke und Dosiereinrichtungen versagt die Funktion in entscheidenden Augenblicken, wenn zum Beispiel ein Asthmapatient dringend einen Aerosolstoss benötigt. Grundsätzlich sollten Dosieraerosole mit dem Mundstück nach unten gerichtet angewandt werden. Nasensprays sollten mit der Sprüheinrichtung nach oben gerichtet appliziert werden.

Für pharmazeutische Unternehmer: Weiterhin sind technische Verbesserungen seitens der Hersteller erwünscht. Zum Beispiel, wenn hinter der Schutzkappe eine kleine seitliche Bohrung am Ventilstift vorhanden ist, die durch Suspensionsrückstau (aus welchem Grund auch immer zum Beispiel durch nicht pflegliche Behandlung oder rechtzeitige Reinigung der Mundstücke und so weiter) verstopft ist, versagt die Dosiereinrichtung. Eine Entnahme der Hübe ist nicht möglich. Laut Herstellerhinweise darf aber die Gummischutzkappe/Gummimanschette von Patienten nicht entfernt werden. Aus diesem Grund können die Anwender bei Funktionsstörungen das Dosieraerosol durch entsprechende Reinigung der seitlichen Bohrung gar nicht wieder in Gang setzen. Hier muss Abhilfe geschaffen werden.

Eine graphische Darstellung der seitlichen Bohrung und Erklärung in der Packungsbeilage wäre wünschenswert. Durch blickdichte Ummantelung des schweren Behälters können die Anwender gar nicht richtig einschätzen wann die Aerosollösung vollständig entleert ist. Hier ist eine Abhilfe seitens des Herstellers sehr wünschenswert.

Wenn die Dichtung des Ventilstifts nicht richtig eingelaufen ist, funktioniert die Entnahme bei der Erstbenutzung nicht wegen eines klemmenden Ventilstifts, der nicht oder nur zögerlich in seine Ausgangsposition zurück gleitet. Erst nach einigen Aerosolstossentnahmen funktioniert die Dosiereinrichtung richtig.

Die Qualität der Dichtungen sollte seitens der Hersteller noch besser kontrolliert werden. Dauersprüher sollten durch noch sorgfältigere Prüfungen eliminiert werden. Bei vitalen Indikationen muss ein Dosierspray mit einer nitroglycerinhaltigen Lösung auf Anhieb und in jeder Situation funktionieren. Es sind uns Fälle bekannt, bei denen die Sprüheinrichtung wegen defekter Ventile in Notsituationen versagte.

Literatur:

  1. Thoma, K., Aerosole, Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker, Frankfurt am Main 1974
  2. Schelenz, H., Geschichte der Pharmazie, Berlin 1904

Für die Verfasser:
Dr. Syed Laik Ali,
Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker,
Carl-Mannich-Straße 24,
65760 Eschborn
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