Gefährliches Doppel |
28.03.2005 00:00 Uhr |
von Désirée Kietzmann, Berlin
Ein Großteil der rund fünf Millionen Asthmatiker in Deutschland leidet gleichzeitig an einer allergischen Rhinitis. Wie entscheidend die Komorbidität ist und ob kausal oder symptomatisch therapiert werden sollte, wurde kürzlich auf dem 46. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie in Berlin diskutiert.
„Allergologischen Untersuchungen zufolge leiden bis zu 80 Prozent aller Asthmapatienten parallel an einer allergischen Rhinitis“, sagte Professor Dr. Adrian Gillissen, Direktor der Robert-Koch-Klinik Leipzig, auf einem von Merck Sharpe & Dohme ausgerichteten Symposium. Der Pneumologe betonte, dass die beiden Krankheiten genetisch disponiert seien und immunologisch sowie histologisch viele Ähnlichkeiten aufwiesen.
Nach Pollenexposition werden beim Allergiker unter anderem Leukotriene gebildet und freigesetzt. Diese Entzündungsmediatoren haben eine chemotaktische Wirkung auf eosinophile Granulozyten. Sowohl bei Asthma als auch bei der allergischen Rhinitis komme es dadurch zu einer Ansammlung von Eosinophilen in der Schleimhaut und zu Ödembildung, erklärte Gillissen. „Das Zellbild ist praktisch identisch.“ Klinisch folgen Atemwegsobstruktionen in den unteren und die bekannten Rhinitissymptome in den oberen Atemwegen.
Er verwies auf eine Studie, die nachgewiesen hatte, dass die oberen und unteren Atemwege identisch reagieren. Die Forscher hatten bei Nichtasthmatikern mit Graspollensensibilisierung segmental in den Bronchien mit Allergen eine Immunreaktion provoziert. Nach 24 Stunden beobachteten sie nicht nur in der Bronchial-, sondern auch in der Nasenschleimhaut einen Anstieg der Eosinophilen. Die bronchiale Provokation hatte Entzündungsreaktionen demnach in der Nase induziert. „Das jeweils andere Kompartiment reagiert mit“, erklärte Gillissen.
Andere Studien hatten gezeigt, dass Heuschnupfenpatienten ein dreifach höheres Risiko tragen, Asthma zu entwickeln. Man könne davon ausgehen, dass es sich bei Asthma und allergischer Rhinitis nicht um zwei verschiedene Krankheiten handle, schlussfolgerte Gillissen. Vielmehr vermutete er, dass es eine einzige immunologische Erkrankung mit zwei verschiedenen klinischen Ausprägungen sei.
Der Problematik der Komorbidität von Asthma und allergischer Rhinitis hat sich ein Expertengremium der WHO angenommen und die so genannten ARIA-Guidelines (Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma) erarbeitet. Danach sollen Patienten mit Rhinitis stets auf das Vorhandensein von Asthma untersucht werden und umgekehrt. Liegen beide Krankheiten vor, sollte den Empfehlungen zufolge ein gemeinsamer Therapieansatz für die unteren und oberen Atemwege gefunden werden.
Wie eine erfolgreiche Therapie komorbider Patienten aussehen kann, zeigten die Ergebnisse der COMPACT-Studie (Clinical Observation of Montelukast as a Partner Agent for Complementary Therapie), vorgestellt durch Professor Dr. David Brendan Price von der Universität Aberdeen. Über zwölf Wochen erhielten 889 Patienten in dieser randomisierten Doppelblindstudie täglich entweder den Leukotrienantagonisten Montelukast (10 mg) zusätzlich zum Glucocorticoid Budesonid (800 µg) oder die doppelte Budesonid-Dosis (1600 µg).
Für die Subgruppe der Asthmapatienten mit zusätzlicher allergischer Rhinitis erwies sich die Kombinationstherapie von Montelukast und Budesonid als vorteilhafter im Vergleich zur Dosissteigerung des Glucocorticoids, so Price. Bei der Kombinationstherapie kam es mit 52,1 L/min zu einer signifikanten Verbesserung des morgendlichen expiratorischen Peakflow-Wertes (PEF). In der Vergleichsgruppe betrug der PEF nach 12 Wochen nur 7,8 L/min.
Auf Grund dieser Daten hat der Leukotrienantagonist Montelukast (Singulair® 10 mg) kürzlich die entsprechende Zulassungserweiterung erhalten. Bei Asthmapatienten ab 15 Jahren können nun auch die Symptome einer allergischen Rhinitis mit diesem Arzneimittel behandelt werden.
„Die Vorbeugung ist nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand einer symptomgesteuerten Therapie vorzuziehen“, erklärte Professor Dr. Johann Christian Virchow von der Universitätsklinik Rostock. Studien zufolge würden sich die Entzündungen nicht oder nur unzureichend in Symptomen reflektieren und dadurch unerkannt Schaden anrichten. Offensichtliche Symptome seien Zeichen einer entgleisten Entzündung, die es im Vorfeld zu verhindern gelte, so der Pneumologe.
Wie Studien an Kindern zeigten, würde eine rasche antientzündliche Therapie nach Diagnosestellung die Lungenfunktion verbessert, berichtete Virchow. So hätte es in der Gruppe, in der die Therapie frühzeitig begonnen wurde, nach fünf Jahren weniger Exazerbationen und weniger Bedarfsmedikation als in der Vergleichsgruppe gegeben. Er bezeichnete die kausale Therapie deshalb als „Anti-Baby-Pille des Asthmas“.
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