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Identitätsprüfung von Melatonin

15.03.2004  00:00 Uhr

Identitätsprüfung von Melatonin

von Karsten Albert, Eschborn

Trotz Warnungen seitens der Fachleute wird Melatonin, das „Wunderhormon“, oftmals unkritisch und ohne ärztlichen Rat bei den verschiedensten Erkrankungen eingenommen. Eine durch Studien gut dokumentierte Indikation ist dagegen die Verwendung als Schlaf induzierendes Mittel im Rahmen diagnostischer Untersuchungen.

Wird Melatonin zu diesem Zweck ärztlich verordnet und zu Rezepturarzneimitteln verarbeitet, muss der Arzneistoff in zertifizierter Qualität vorliegen und in der Apotheke auf Identität geprüft werden.

Melatonin (N-Acetyl-5-methoxytryptamin) ist ein lipophiles Hormon, das in der Epiphyse aus Tryptophan über Serotonin und N-Acetylserotonin gebildet wird. Seine Biosynthese wird von den Helligkeitsunterschieden zwischen Tag und Nacht beeinflusst. Nachts schüttet die Epiphyse am meisten aus, tagsüber wird die Sekretion durch einfallendes Licht unterdrückt. Das Hormon gilt als „Zeitgeber“ für die zirkadianen Rhythmen des Körpers und wurde deshalb auch als Schlafmittel erprobt (1 - 3).

In der klinischen Praxis hat sich das Neurohormon als geeignete Substanz zur Schlafinduktion bewährt, besonders bei Kindern mit psychomotorischen Störungen oder vor diagnostischen Maßnahmen. Typische Einsatzgebiete sind hier die Ableitung von Schlaf-Elektroenzephalogrammen (EEG) und als Einschlafhilfe für nicht kooperationswillige Kinder vor bildgebenden Untersuchungen (4 - 7). In drei Studien erhielten Kinder in Abhängigkeit vom Alter als Einzeldosis entweder 2 bis 20 mg Melatonin oder eine Normdosis von 10 mg peroral. Nach etwa 20 bis 35 Minuten schliefen die Kinder ein (5 - 7).

Geeignete Darreichungsformen für Melatonin sind Hartgelatine-Steckkapseln sowie Pulver, Lösungen oder Suspensionen zum Einnehmen. Der Rezepturhinweis „Melatonin“ des Neuen Rezeptur-Formularium enthält einige Vorschläge zur Herstellung, die allerdings experimentell noch nicht verifiziert worden sind (8).

Nachweis der Qualität erforderlich

Wie bei jedem Arzneistoff muss auch für Melatonin vor der Verarbeitung zu Arzneimitteln die pharmazeutische Qualität nachgewiesen werden. Die Prüfung wird allerdings dadurch erschwert, dass Melatonin unseres Wissens nach in keinem Arzneibuch monographisch beschrieben ist. Der Arzneistoff wird auf der Basis von Firmenspezifikationen gehandelt, außerdem liegt ein Monographie-Entwurf für Melatonin als Bestandteil von Nahrungsergänzungsmitteln vor (9).

Die Kommission Deutscher-Arzneimittel-Codex (DAC) hat beschlossen, in eine der nächsten Lieferungen zum DAC eine Monographie für Melatonin zu veröffentlichen und so die Herstellung von Rezepturarzneimitteln für gesicherte medizinische Indikationen zu unterstützen. Um die Identität von Zertifikatware zweifelsfrei festzustellen, wird im Vorgriff auf die geplante Monographie nachstehend eine apothekengerechte Identitätsprüfung vorgeschlagen.

 

Eigenschaften

Melatonin ist ein weißes bis fast weißes, kristallines Pulver, das in Ethanol 96 % löslich und in Wasser praktisch unlöslich ist. Die Substanz ist lichtempfindlich.

Der Stoff ist mit der bei Chemikalien üblichen Vorsicht zu handhaben. Die Entwicklung und das Einatmen von Stäuben ist zu vermeiden.

Prüfung auf Identität

A. Schmelztemperatur (2.2.14): 116 bis 120 °C.
Kommentar: Von drei geprüften Mustern schmolzen zwei bei 119 °C, eines schmolz bei 118,5 °C. Nach Literaturangaben liegt die mittlere Schmelztemperatur von Melatonin bei 117,1 °C (n = 10) (10), ein Monographie-Entwurf für die United States Pharmacopeia sieht ebenfalls Grenzwerte von 116 bis 120 °C vor (9).

 

B. Die Prüfung erfolgt mit Hilfe der Dünnschichtchromatographie (DAC-Probe 11).
Untersuchungslösung: 10 mg Substanz werden in 1 ml Methanol R gelöst.
Referenzlösung: 10 mg Substanz, deren Identität bekannt ist, werden in 1 ml Methanol R gelöst.

Untersuchungsbedingungen
Stationäre Phase:
DC-Platte mit Kieselgel F 254 R.
Auftragevolumen: je 2 µl, punktförmig.
Fließmittel: Mischung aus 80 Volumteilen Toluol R und 20 Volumteilen Methanol R.
Laufstrecke: 6 cm.

Detektion und Auswertung
Die Platte wird an der Luft getrocknet und im UV 254 ausgewertet.
In den Chromatogrammen der Untersuchungslösung und der Referenzlösung tritt am Übergang vom unteren zum mittleren Drittel jeweils ein Fleck mit dem gleichen Rf-Wert und der gleichen Intensität auf. Die Flecke färben sich unter Lichteinfluss langsam gelb bis bräunlich gelb.

Kommentar: Zur Herstellung der Referenzlösung kann entweder ein Melatonin mit anderer Chargenbezeichnung oder eine zertifizierte Referenzsubstanz verwendet werden. Unter den angegebenen Bedingungen hat Melatonin einen Rf-Wert von etwa 0,45.

 

C. 2 mg Substanz werden mit 2 ml Van-Urk-Reagenz versetzt. Die Mischung färbt sich dunkelgrün.

Kommentar: Melatonin enthält einen in 2-Stellung unsubstituierten Indolrest, der mit Dimethylaminobenzaldehyd vermutlich zu einem kationischen Polymethinfarbstoff reagiert. Zur Herstellung des van-Urk-Reagenz werden 0,125 g Dimethylaminobenzaldehyd R in einer Mischung von 35 ml Wasser R und 65 ml Schwefelsäure R (Vorsicht!) gelöst und mit 0,1 ml Eisen(III)-chlorid-Lösung R1 versetzt.

 

Literatur

  1. Bertsche, Th. und M. Schulz, Melatonin – eine klinisch-pharmakologische Bewertung, Med. Mo. Pharm. 27 (2004) 39 - 48.
  2. Zagermann-Muncke, P., Melatonin: Dichtung und Wahrheit über das Epiphysenhormon, Pharm. Ztg. 141 (1996) 1993 - 1996.
  3. N. N., Melatonin, Der Arzneimittelbrief 30 (1996) 41 - 43.
  4. Pillar, G. et al., Melatonin Improves Sleep-Wake Patterns in Psychomotor Retarded Children, Pediatric Neurology 23 (2000) 225 - 228.
  5. Johnson, K. et al., The Use of Melatonin as an Alternative to Sedation in Uncooperative Children Undergoing an MRI Examination, Clinical Radiology 57 (2002) 502 - 506.
  6. Wassmer, E. et al., Melatonin Is Useful for Recording Sleep EEGs: a Prospective Audit of Outcome, Developmental Medicine & Child Neurology 43 (2001) 735 - 738.
  7. Kurlemann, G. et al., Zusammenfassung: Orales Melatonin ist eine geeignete Substanz zur Schlafinduktion für eine Schlaf-EEG-Ableitung. Erhalten als persönliche Mitteilung von Dr. Dorothea Voß, Universitätsklinikum Münster-Apotheke, am 26. Januar 2004.
  8. Neues Rezeptur-Formularium, Rezepturhinweis „Melatonin“, www.dac-nrf.de
  9. Melatonin, Pharmacopeial Forum 23 (1997) 3660 - 3661.
  10. Literatur beim Verfasser

 

Anschrift des Verfassers:
Dr. Karsten Albert
Deutscher Arzneimittel-Codex
Carl-Mannich-Straße 20
65760 Eschborn

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