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Ein Farbstoff gegen Chorea Huntington

27.01.2003  00:00 Uhr

Ein Farbstoff gegen Chorea Huntington

von Conny Becker, Eschborn

Der Azofarbstoff Kongorot lindert bei Mäusen Huntington-ähnliche Symptome und verlängert das Leben der genetisch veränderten Tiere. Dies berichten Junying Yuan und Kollegen von der Harvard Medical School, Boston, in der aktuellen Ausgabe von Nature.

Chorea Huntington zählt zu den erblichen neurodegenerativen Erkrankungen. Auf Grund der in späten Stadien oft auftretenden typischen Dyskinesien wurde sie auch als „Veitstanz“ (chorea, griechisch: Tanz) bezeichnet. Dem autosomal dominanten Erbleiden liegt eine Mutation auf Chromosom 4 zu Grunde. Das für Huntingtin codierende Gen weist zehn bis 30 Wiederholungen von CAG-Tripletts auf, bei Patienten mit Chorea Huntington aber mehr als 40. Beim Ablesen des mutierten Gens entsteht somit ein verändertes Huntingtin. Diese anomalen Polyglutamin-Proteine bilden unlösliche Aggregate in den Nervenzellen des Striatum, wodurch der mitochondriale Stoffwechsel gestört wird und Nervenzellen absterben.

Klinisch manifestiert sich die Krankheit meist zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr mit psychischen Veränderungen, die sich häufig zu einer Depression entwickeln. Später treten Demenz sowie die charakteristischen hyper- und hypokinetischen Bewegungsstörungen auf.

Aggregate führen zum Zelltod

Nervenzellen, in denen Huntingtin-Proteine oligomerisieren, haben einen gestörten Energiestoffwechsel. So aktivieren die Aggregate Caspasen, die für den starken ATP-Abfall in der Zelle verantwortlich sind und Apoptose einleiten können. In Zellkulturen wurde gezeigt, dass Huntingtin überdies sowohl Synthese als auch Abbau von Proteinen hemmt und somit die normalen Zellfunktionen stark beeinflusst.

Huntingtin-Aggregate weisen eine b-Faltblattstruktur auf und können wie andere Amyloide mit Kongorot angefärbt werden. Yuan entdeckte, dass der Farbstoff Zellen, die Polyglutamin-Aggregate enthalten vor dem Tod schützen kann. Er lagert sich an die Proteine an und verbessert den zellulären Abbau der Aggregate, so dass weder Caspasen aktiviert noch der Enzymstoffwechsel gestört werden. Überdies kann Kongorot schon die Oligomerisierung von Huntingtin verhindern. Dabei hat es keine Auswirkungen auf physiologische Zellfunktionen, was Vergleiche mit Kontrollzellen bestätigten.

Kongorot an Mäusen

Yuan behandelte auch genetisch modifizierte Mäuse, die eine verkürzte Form des Huntingtin bilden. Die Tiere zeigen Dyskinesien der Hinterläufe sowie eine Verkürzung der Schrittlänge. Sie leiden außerdem an starkem Gewichtsverlust und schwerem Diabetes auf Grund von Polyglutamin-Aggregaten im Pankreas, was mit einer erhöhten Diabetesrate bei Huntington-Patienten korreliert.

Die Behandlung mit Kongorot, die in der neunten Lebenswoche nach Krankheitsausbruch einsetzte, minderte signifikant die Gewichtsreduktion sowie das Auftreten von Diabetes und Dyskinesien gegenüber Placebo. Die mittlere Überlebenszeit verlängerte sich von 91 auf 106 Tage, wobei die Therapie keine auffälligen Nebenwirkungen zeigte. Yuan stellte post mortem fest, dass die Basalganglien behandelter Mäuse signifikant weniger Polyglutamin-Aggregate aufwiesen.

Bis zu klinischen Studien am Menschen sind noch viele Hürden zu nehmen. So kann das große Sulfonsäurederivat die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden.

Bisher können nur die Symptome der Krankheit gelindert werden, wobei unterschiedliche Substanzgruppen wie das Antihyperkinetikum Tiaprid, das Neuroleptikum Haloperidol oder das Antidepressivum Sulpirid zum Einsatz kommen.

Quelle: Sánchez, I., et al., Pivotal role of oligomerization in expanded polyglutamine neurodegenerative disorders. Nature 421 (2003) 373 – 379.

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