Keine Entwarnung bei Resistenzen |
17.11.2003 00:00 Uhr |
Trotz der rückläufigen Gesamtzahl resistenter Keime werden Antibiotika in der Tierzucht immer noch zu häufig eingesetzt. Auf einem internationalen Symposium sprachen sich Wissenschaftler und Politiker für eine Begrenzung und eine stärkere Kontrolle aus.
Beim Einsatz von Antibiotika ist immer auch eine Resistenzentwicklung möglich, so lautet der wissenschaftliche Konsens. Da vor allem die unkontrollierte Gabe sowie die Anwendung in subtherapeutischen Mengen begünstigend wirken, sollte jeder Einsatz kontrolliert und nur nach einer strengen Bewertung von Nutzen und Risiko erfolgen.
In der Praxis setzten Human- und Tiermediziner Antibiotika jedoch immer noch zu häufig oder sogar missbräuchlich ein, stellte Professor Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), fest.
Hauptursache für das Auftreten von Resistenzen sind der übermäßige Einsatz von Antibiotika beim Menschen sowie die Exposition gegenüber resistenten Keimen auf Reisen. Laut BfR hat jedoch auch der „Lebensmittelpfad“ in den letzten Jahren als möglicher Übertragungsweg für resistente Keime an Bedeutung hinzugewonnen.
Zwar dürfen Antibiotika ab 2006 europaweit nicht mehr als Wachstumsförderer in Futtermitteln verwendet werden. Dennoch sollte der Einsatz von Antibiotika beim Tier besser kontrolliert und auf bestimmte Stoffgruppen begrenzt werden. Einzelbehandlung und Impfstrategien müssten die prophylaktische und metaphylaktische Behandlung ganzer Bestände ablösen, sagte Hensel. So ergab eine Studie, die 1998 in Schweinebetrieben in Schleswig-Holstein durchgeführt wurde, dass bei über 50 Prozent der Tierbestände vorbeugend Antibiotika angewendet wurden.
Resistenzen gegen Fluorchinolone
Die Gesamtzahl resistenter Keime bei Salmonellen ist laut BfR zwar in den letzten Jahren gesunken. Die Zahl von multiresistenten Keimen ist dagegen nur leicht zurückgegangen. Vor allem bei Salmonellen und Campylobacter seien darüber hinaus neue Resistenzen aufgetreten, verdeutlichte Dr. Fred Angulo vom amerikanischen Center of Disease Control and Prevention. Seit dem Einsatzverbot des in der Tierzucht verwendeten „Leistungsförderers“ Avoparcin, der in Zusammenhang mit dem Auftreten von Vancomycin-resistenten Enterokokken gebracht wurde, beobachte man unter anderem Resistenzen gegen Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. Generation. Da diese Arzneistoffe eine große Rolle in der Humanmedizin spielten, müsse bei einer Übertragung der Keime auf den Menschen im schlimmsten Fall sogar mit einem Therapieversagen gerechnet werden. Angulo forderte die systematische Untersuchung von Resistenzrisiken in Europa.
Einsatz von Antibiotika reduzieren
Laut Dr. Henrik Caspar Wegener, Leiter des Dänischen Zoonosen Zentrums, variiert der Einsatz von Antibiotika im Bereich der Lebensmitteltierhaltung in den europäischen Staaten erheblich. Während in Nordeuropa durchschnittlich 25 mg Antibiotikum pro Kilogramm Fleisch eingesetzt würden, sei der Anteil in Deutschland bereits doppelt so hoch. In Spanien, England oder Griechenland habe man sogar eine vierfach höhere Rate ermittelt. Eine dänische Untersuchung habe darüber hinaus erwiesen, dass durch restriktive Maßnahmen der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung um 40 Prozent gesenkt werden konnte. Bei den Fluorchinolonen konnten sogar 70 Prozent eingespart werden.
Alexander Müller, Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium (BMVEL), kündigte eine Risikobewertung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung an. Darauf aufbauend sollen Empfehlungen für ein aktives Risikomanagement erarbeitet werden. „Antibiotika helfen Leben retten. Deshalb muss alles getan werden, um Resistenzen so weit wie eben möglich zu verhindern. Gemeinsam mit Forschung und Tierärzteschaft wollen wir konkrete Schritte dazu erarbeiten“, sagte Müller.
© 2003 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de