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Wenn die Niere den Dienst quittiert

22.11.1999  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag

Wenn die Niere den Dienst quittiert

von Daniel Rücker und Ulrike Wagner, Heidelberg

Versagt die Niere, kommt es zu einer schleichenden Vergiftung, weil sich im Körper Schadstoffe ansammeln. Was früher ein Todesurteil war, kann heute behandelt werden. Arzneimittel, Dialyse, Transplantation: Auf der Zentralen Fortbildung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg in Heidelberg informierten sich Apothekerinnen und Apotheker über die Therapie bei chronischem Nierenversagen.

Die Niere erfüllt im Körper drei wichtige Aufgaben: Sie filtert Schadstoffe aus dem Blut, reguliert den Elektrolythaushalt und produziert die Hormone Erythropoietin und 1,25-Dihydroxycholecalciferol. Noch vor wenigen Jahrzehnten glaubten Ärzte, dass Harngifte für verantwortlich sind. Doch das ist falsch. Wie Dr. Stephan Orth von der Universitätsklinik Heidelberg berichtete, gelten heute Urotoxine, als Auslöser der Intoxikation. Das sind niedermolekulare wasserlösliche Substanzen. Harnstoff selbst ist unschuldig.

Bei der Niereninsuffizienz stellt ein Teil der funktionellen Einheiten des Organs, die Nephrone, ihre Arbeit ein. Der häufigste Auslöser für chronische Niereninsuffizienz ist Diabetes vom Typ 2. Fast jeder vierte Nierenpatient leidet unter der Krankheit. An zweiter Stelle folgt die Glomerulonephritis, die Ursache für 16 Prozent der Erkrankungen ist. Erste Symptome der sich verschlechternden Nierenfunktion sind Hypertonie, Polyurie und Nykturie. Ansonsten treten im Frühstadium keine Symptome auf.

Wie Orth ausführte, wird die Funktionsfähigkeit der Nieren anhand der Creatinin-Clearance bestimmt. Die Harnstoffkonzentration taugt nicht als verlässlicher Marker für die Nierenfunktion. Harnstoff wird auch beim Abbau von eiweißreicher Nahrung gebildet. Für den Intoxikationsgrad ist Harnstoff dagegen ein guter Indikator.

Wenn nur noch ein Drittel der Nierenmasse ordentlich arbeitet, treten metabolische Ausfälle auf. Dazu zählen Anämie, Hyperphosphatämie und Hyperparathyreoidismus sowie die metabolische Azidose. In diesem Stadium steigt das Serum-Creatinin auf 3 mg/dl, die Filtratleistung der Niere sinkt von rund 150 ml/min auf 30 ml/min.

Erst nachdem die Nieren 85 bis 90 Prozent ihrer Leistung eingebüßt haben, kommt es zur Urämie. Sie geht einher mit gastrointestinalen Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen. Im schlimmsten Fall fällt der Patient ins Koma. Dies sei allerdings heute dank Dialyse und Transplantation selten, so Orth. Dasselbe gilt für die fibrinöse Perikarditis.

Der Kreatininspiegel steigt bei diesen Patienten auf 10 mg/dl. Zu diesem Zeitpunkt sollte spätestens mit der Dialyse begonnen werden, sagte der Mediziner. Die Nierenfunktion liegt dann unterhalb der Leistung einer künstlichen Niere. Diese kommt bei Patienten, die dreimal pro Woche vier Stunden dialysiert werden, auf eine glomeruläre Filtrationsrate von 15 bis 20 ml/min.

Die chronische Niereninsuffizienz verstärkt sich im Laufe der Jahre. Die verbliebenen Nephrone versuchen, die Funktion der ausgefallenen Einheiten zu kompensieren. In den intakten Glomeruli steigt der Blutdruck und damit die Filtrationsrate. Die Hypertrophie schädigt jedoch das Organ. Langfristig vernarbt deshalb das Glomerulusgewebe.

Überlegene ACE-Hemmer

Da die präglomerulären Gefäße ihre Kontraktionsfähigkeit verloren haben, können sie den Glomerulus nicht mehr vor dem hohen Blutdruck schützen. Ein wesentliches Ziel in der medikamentösen Therapie von niereninsuffizienten Patienten sei deshalb die Blutdrucksenkung, erklärte Orth. Die Drucksenkung reduziere auch die Proteinurie.

Der Mediziner empfiehlt hierzu vor allem ACE-Hemmer. Sie senken sowohl den Blutdruck als auch die Proteinausscheidung. Bei Patienten, die mit ACE-Hemmern behandelt werden, sinkt die Nierenleistung langsamer als unter der Therapie mit Calciumantagonisten oder b-Blockern. Der Zielwert für die Blutdrucksenkung liege mit maximal 125/75 mg Hg unter dem WHO-Richtwert für gesunde Menschen.

Nierenkranke profitierten von einer aggressiven Blutdrucksenkung erheblich, sagte Orth. Während bei unbehandelten Patienten die Niere nach etwa neun Jahren versagt, arbeitet sie bei Patienten deren Hypertonie optimal behandelt wird dreimal so lang.

Chronisch Nierenkranke sollten auch auf die richtige Ernährung achten. Im Vordergrund steht hier die Flüssigkeitsaufnahme, die zwischen 2,5 und 3 Litern pro Tag liegen sollte. Wer mehr trinkt muss mit Ödemen rechnen. Eine spezielle Diät ist dagegen laut Orth unnötig. Er empfiehlt eine ausgewogene, nicht zu eiweißreiche Kost. Auf Nikotin muss wegen dessen blutdruckerhöhender Wirkung in jedem Fall verzichtet werden.

Kommt es zur terminalen Nierenisuffizienz, also zum Versagen des Organs, dann muss der Kranke in der Regel dreimal pro Woche für jeweils vier Stunden an ein Dialysegerät angeschlossen werden. Wie Dr. Claude Braun, Universitätsklinikum Mannheim ausführte, ist das Kernstück der Hämodialyse eine semipermeable Membran, durch die schädliche Substanzen aus dem Blut gewaschen werden. Treibende Kräfte für den Prozess sind Diffusion und Ultrafiltration. Niedermolekuare Urotoxine mit einem Molekulargewicht bis 5 000 Dalton diffundieren entlang eines Konzentrationsgradienten durch die Membran in eine Waschlösung, die permanent erneuert wird. Größere Moleküle werden dagegen durch Ultrafiltration entlang eines Druckgradienten aus dem Blut entfernt.

Eine Badewanne voll Dialysat

Für den Anschluss an die Hämodialyse gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird ein Kunststoff-Katheter in eine herznahe Vene implantiert oder am Arm wird eine so genannte Brescia-Cimino-Fistel zwischen Arteria radialis und der Unterarmvene angelegt.

Bei jeder Dialysebehandlung laufen 60 bis 100 Liter Blut durch den Filter. Auf der anderen Seite der Membran fließen insgesamt 200 Liter Dialysat vorbei. Die Harnstoffkonzentration im Blut sinkt von 200 mg/dl auf 50 mg/dl. Damit der Körper während der Behandlung nicht auskühlt, wird das Dialysat erwärmt. Die Thrombusbildung während der Dialyse wird durch die Gabe niedermolekularer Heparine verhindert. Aufgrund der geringeren Nebenwirkungen habe es das konventionelle Heparin verdrängt, sagte Braun.

Zwischen 2 und 5 Prozent der Dialysepatienten entwickeln allerdings eine Heparin-induzierte Thrombopenie. Diese erhalten dann statt dessen rekombinantes Hirudin. Die Substanz sei zwar sehr gut verträglich, habe aber mit 50 bis 250 Stunden eine extrem lange Halbwertszeit. Patienten, die mit Hirudin behandelt werden, seien deshalb stark blutungsgefährdet

Als einen Meilenstein in der Geschichte der Nephrologie bezeichnete Braun den Einsatz von rekombinanten Erythropoietin zur Behandlung der renalen Anämie. Außerdem erhalten Dialysepatienten zur Behandlung der renalen Osteodystrophie 1,25-Dihydroxycholecalciferol und calciumhaltige Phosphatbinder. Wegen zu großer Nebenwirkungen würden aluminiumhaltige Substanzen heute nicht mehr eingesetzt.

Bei niereninsuffizienten Patienten muss berücksichtigt werden, dass die Elimination und Metabolisierung von vielen Arzneistoffen verändert ist. Dies gelte nicht nur für Menschen mit pathologischen Veränderungen, sondern auch für Senioren und Frühgeborene, erläuterte Dr. Rüdiger Kilian, Krankenhausapotheker aus Heilbronn. Zwischen dem 30. und 90. Lebensjahr verliert die Niere 30 Prozent des Gewichts und 60 Prozent der Glomeruli. Die Creatinin-Clearance sinkt alle zehn Jahre um 10 ml/min.

Dosis anpassen

Die eingeschränkte Nierenfunktion kann die gesamte Pharmakokinetik eines Arzneistoffes beeinflussen; neben der renalen Elimination auch die nicht-renale, das Verteilungsvolumen die Bioverfügbarkeit und die Proteinbindung. Kilian rät deshalb dringend dazu, bei niereninsuffizienten Menschen die Dosisanpassung zu berechnen. Für die pharmazeutische Beratung sei dies essentiell.

Ausgangspunkt ist die Creatinin-Clearance, die nach der Formel von Cockcroft und Gault aus dem Serumcreatinin nach folgender Formel für den Mann berechnet werden kann:

Creatinin-Clearance =

(140-Alter) x Idealgewicht -------------------------- 72 x Serumcreatinin (mg/dl)

Bei Frauen muss der Wert mit 0,85 multipliziert werden.

Anhand der Creatinin-Clearance kann nun mit Hilfe des Drugdex aus der ABDA-Datenbank, der British Nationaol Formulary oder dem Dettli-Nomogramm die angepasste Dosierung ermittelt werden. Alternativ kann sie auch nach der Drugs-in-Use-Methode berechnet werden. Die verschiedenen Methoden liefern allerdings nicht exakt dasselbe Ergebnis. Bei älteren Menschen müsse gegebenenfalls neben der Creatinin-Clearance auch der bisweilen extrem niedrige Hydratationsgrad berücksichtigt werden, so Kilian. Wenn die Nieren nicht mehr funktionieren, ist eine Nierentransplantation für den Patienten die einzige Chance auf ein annähernd normales Leben. Vorteile der Nierentransplantation sind mehr Lebensqualität, eine bessere Rehabilitation und geringere Kosten im Vergleich zur Dialyse. Dass Patienten mit einer transplantierten Niere auch länger leben, sei lange Zeit nicht zu belegen gewesen, sagte Dr. Peter Schnülle von der Medizinischen Klinik Mannheim. Allerdings habe eine eigene Studie mit 309 Patienten ergeben, dass transplantierte Patienten einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber Dialyse-Patienten haben. Dialysepflichtige Patienten sollten sich daher möglichst rasch auf eine Transplantation vorbereiten lassen.

Entwicklung neuer Immunsuppressiva

Damit das fremde Organ nicht abgestoßen wird, müssen Transplantierte ihr Leben lang Immunsuppressiva einnehmen. Der Markt für diese Medikamente wächst. Von 1993 bis 1998 stieg deren Umsatz jährlich um 25 Prozent, sagte Privatdozent Dr. Wolfgang Grotz von der Medizinischen Universitätsklinik in Freiburg. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Wirkstoffen, die das Immunsystem spezifisch unterdrücken und die miteinander kombiniert werden können.

Ein fremdes Organ gleicht nie vollständig dem des Empfängers, auch wenn zuvor ein Spender gesucht wurde, dessen Gewebsantigene möglichst gut passen. Erkennt das Immunsystem des Empfängers das Organ als fremd, setzt es eine Reaktionskaskade in Gang, die schließlich zu einer Abstoßung des Organs führt. Makrophagen und andere Antigen präsentierende Zellen („Antigen presenting cells„, APC) nehmen das fremde Antigen auf. Sie verändern es und präsentieren es den T-Helferzellen. Als zusätzliches Signal geben sie das Botenmolekül Interleukin-1 (IL-1) ab. Die T-Helferzelle empfängt das Signal der Makrophagen über den T-Zellrezeptor (TCR) und dem IL-1-Rezeptor (IL-1-R).

Antikörper und Zellen greifen an

Sie gibt das Signal an B-Zellen und zytotoxische T-Zellen weiter. Um B-Zellen zu aktivieren, produziert sie Interleukin-4 (IL-4), das an den Interleukin-4-Rezeptor (IL-4-R) der B-Zellen andockt. Die B-Zellen beginnen daraufhin mit der DNA-Synthese, um sich anschließend zu teilen. Sie produzieren dann Antikörper gegen das fremde Antigen, die die transplantierte Niere angreifen.

Die zelluläre Immunabwehr aktivieren die T-Helferzellen über Interleukin-2 (IL-2). Der Botenstoff bindet an den IL-2-Rezeptor der zytotoxischen T-Zellen und auch sie beginnen mit der DNA-Synthese. Die Zellen proliferieren und auch sie erkennen mit ihren antigenspezifischen Rezeptoren das Fremd-Antigen und greifen das transplantierte Organ an.

Die verschiedenen Immunsuppressiva greifen an unterschiedlichen Stellen in diesen Prozess ein. Je höher man sie dosiert, desto besser ist der therapeutische Effekt, erklärte Grotz. Allerdings nehmen dann auch die Nebenwirkungen drastisch zu. Und die sind nicht zu unterschätzen. Tumore und Infektionen stehen dabei an erster Stelle, gefolgt von den für die jeweiligen Medikamente spezifischen Nebenwirkungen. Der häufigste durch Immunsuppressiva induzierte Tumor ist Hautkrebs. Patienten sollten daher die Sonne meiden und Sonnenschutzmittel mit hohen Lichtschutzfaktoren verwenden, empfahl Schnülle.

Kombinationen

Jedes Immunsuppressivum hat Nebenwirkungen auf bestimmte Organe. Das müsse vor allem bei der Kombination verschiedener Medikamente beachtet werden, erklärte Grotz. Auf keinen Fall dürften Medikamente miteinander kombiniert werden, die den gleichen Wirkmechanismus haben.

Die ältesten immunsuppressiven Medikamente sind die Corticosteroide. Sie greifen sehr früh in der Immunantwort ein und hemmen unter anderem die IL-1-Produktion der Makrophagen. Bei OKT3 handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper gegen den T-Zellrezeptor. Das Anti-Lymphozyten-Globulin (ATG) ist ein polyklonales Antiserum gegen T-Zellen. Bei Patienten, die mit ATG behandelt werden, komme es allerdings häufig zu Infektionen, sagte Grotz.

Cyclosporin und Tacrolimus

Cyclosporin A blockiert die T-Zellfunktion und verhindert, dass Interleukin-2 gebildet wird, indem es die Calcineurinphosphatase hemmt. Zu den Nebenwirkungen von Cyclosporin gehört eine verstärkte Körperbehaarung und Gingiva-Hyperplasie, bis zum Verlust der Zähne. Außerdem wirkt Cyclosporin ausgerechnet nephrotoxisch.

Tacrolimus hat den gleichen Wirkmechanismus, allerdings ist das neuere Medikament in der Lage, therapierefraktäre Abstoßungskrisen zu durchbrechen. Dadurch könnten viele Transplantate gerettet werden, die sonst irreversibel abgestoßen würden, erklärte Schnülle. Im Gegensatz zu Cyclosporin kommt es nach Einnahme von Tacrolimus nicht zum Hirsutismus, Gingiva-Hyperplasien sind seltener, aber Angina pectoris tritt häufiger auf.

Sowohl für Cyclosporin als auch für Tacrolimus sind die therapeutischen Fenster sehr klein. Daher müsse die Dosierung beider Medikamente durch Bestimmung der Plasmakonzentration ermittelt werden, erklärte Grotz. Nahrungsaufnahme und die Einnahme anderer Medikamente beeinflussen die Blutspiegel der beiden Immunsuppressiva.

Daclizumab und Basiliximab

Die beiden monoklonalen Antikörper Daclizumab und Basiliximab hemmen den IL-2-Rezeptor und verhindern damit die Proliferation der zytotoxischen T-Lymphozyten. Vorteil der Immunglobuline ist, dass sie wegen ihres spezifischen Wirkmechanismus nicht die allgemeine Infektabwehr beeinträchtigen. Sicrolimus beeinflusst ebenfalls die zytotoxischen T-Lymphozyten und wirkt synergistisch zu den Calcineurin-Inhibitoren Cyclosporin und Tacrolimus. Sicrolimus wirkt allerdings im Gegensatz zu Cyclosporin A nicht nephrotoxisch. Der Wirkstoff sei derzeit nur in den USA auf dem Markt, erklärte Grotz. Das Pharmaunternehmen Wyeth wolle das Medikament im nächsten Jahr in Deutschland einführen.

Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil und Mizoribin hemmen die Pyrimidinsynthese. Da sowohl B- als auch T-Zellen die Basen, die sie für die DNA-Synthese benötigen, selbst synthetisieren und nicht wie andere Zellen aus dem Blut fischen, ist die Hemmung von Pyrimidin- und Purinsynthese eine Möglichkeit, die Vermehrung von B- und T-Lymphozyten spezifisch zu hemmen. In höheren Dosen beeinträchtigen diese Wirkstoffe allerdings auch Zellen, die die Purin- und Pyrimidinbasen sowohl aus dem Blut ziehen als auch selbst synthetisieren. Daher kommt es zu Nebenwirkungen im Gastrointestinaltrakt.

Wechselwirkungen mit Allopurinol

Patienten, die Azathioprin einnehmen, sollten auf keinen Fall mit Allopurinol behandelt werden, betonte Grotz. Allopurinol hemme die Xanthinoxidase, wodurch Azathioprin nicht mehr abgebaut werden könne. Schwere Nebenwirkungen seien die Folge. Trotzdem würden Patienten immer wieder mit beiden Medikamenten behandelt, sagte der Mediziner.

Mycophenolat-Mofetil hemmt ebenfalls die Pyrimidinsynthese. Der Wirkstoff wirkt weder nephrotoxisch, noch erhöht er im Gegensatz zu vielen anderen Immunsuppressiva den Blutdruck. In Kombination mit Cyclosporin und Corticosteroiden reduzierte er sowohl die Zahl als auch den Schweregrad von Abstoßungsepisoden. Außerdem scheint es den Parasiten Pneumocystis carinii zu hemmen, der bei immunsupprimierten Patienten häufig Lungenentzündungen hervorruft. In einer Studie am Klinikum Mannheim haben Schnülle und seine Mitarbeiter Mycophenolat-Mofetil mit Cyclosporin A, beide in Kombination mit Prednison, verglichen. In einer Zwischenanalyse der noch nicht abgeschlossenen Studie zeigte sich, dass Mycophenolat-Mofetil das Absetzen von Cyclosporin A erlaubt und dass es zu einer verbesserten Nierenfunktion und zu einer Verringerung des kardiovaskulären Risikos kommt. Welchen Effekt der Wirkstoff im Vergleich zu Cyclosporin A auf das Langzeitüberleben hat, ist noch nicht klar.

Bei Cyclophosphamid handelt es sich um ein Prodrug, das die Leber in ein Alkylanz verstoffwechselt. Im Zellkern kommt es zur Vernetzung der Basen innerhalb der DNA und anschließend zum Zelltod. Dieser Wirkmechanismus ist jedoch nicht spezifisch für B- und T-Zellen, er betrifft alle sich teilenden Zellen. Das Abbauprodukt Acrolein führt häufig zu einer hämorrhagischen Cystitis, aus der sich ein Blasenkarzinom entwickeln kann. Nach zehn Jahren Cyclophosphamid-Einnahme steigt die Inzidenz für Blasenkarzinome auf 20 Prozent, erklärte Grotz.

Corticoide erhalten das Transplantat

Auf Grund von Ergebnissen retrospektiver Studien seien viele Ärzte dazu übergegangen, Corticosteroide abzusetzen. Nach sechs Monaten sei bei jedem zweiten Patienten ein Steroidentzug möglich. Dies habe einen signifikant günstigen Effekt auf Blutdruck, den Glucosestoffwechsel, Cholesterolwerte und das Körpergewicht. Allerdings haben nun zwei klinische Studien gezeigt, dass der Corticoidentzug einen negativen Effekt auf die Transplantatfunktion und das Transplantatüberleben hat, erklärte Schnülle.

„Auf keinen Fall die Immunsuppressiva absetzen„, antwortete Grotz auf die Frage, was immunsupprimierte Patienten bei einer Erkältung tun sollen. Eventuell könnten sie in Absprache mit ihrem Transplantationsarzt zusätzlich Antibiotika einnehmen. Schnülle empfahl, transplantierte Patienten nicht gegen Grippe zu impfen. Die Erfolgsrate sei gering und es bestehe die Gefahr einer Infektion.

Organspende

„In diesem Jahr werden wir wahrscheinlich die magische Grenze von 10 000 Patienten erreichen, die auf eine Spenderniere warten„, sagte Professor Dr. Werner Lauchart von der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Dem gegenüber stagniere die Zahl der Organspenden. Dabei sei die Mortalität der Patienten, die auf der Warteliste stehen, erheblich. In den letzten beiden Jahren seien jeweils etwa 600 Patienten gestorben, weil sie nicht rechtzeitig ein Organ erhalten haben.

Rechtsgrundlage für Transplantationen ist das im November 1997 beschlossene Deutsche Transplantationsgesetz. Dessen zentraler Punkt: Organe dürfen nur entnommen werden, wenn zwei dafür qualifizierte Ärzte den Hirntod des Patienten festgestellt haben. Durch die „erweiterte Zustimmungslösung„ können Angehörige des Verstorbenen in dessen Sinn einer Organentnahme zustimmen, wenn er zu Lebzeiten keine Erklärung zur Organspende abgegeben hat. Die Krankenhäuser sind verpflichtet, den Hirntod von Patienten, die als Spender in Frage kommen, dem zuständigen Transplantationszentrum zu melden.

Lebendspende auch von Nicht-Verwandten

Neu geregelt im Transplantationsgesetz ist die Lebendspende. Seit 1997 können auch Nicht-Verwandte eine Niere, Teile der Leber, der Bauchspeicheldrüse und der Lunge spenden. Voraussetzung für eine Lebendspende ist unter anderem die medizinische Indikation beim Empfänger. Solange ein Patient noch nicht dialysepflichtig ist, kann er kein Organ erhalten, auch wenn sich jemand bereit erklärt, zu spenden. Direkt vor der Entnahme beim Spender wird außerdem geprüft, ob nicht doch ein Organ eines Verstorbenen in Frage kommt. Die Zahl der Lebendspenden sei zwar infolgedessen gestiegen, könne aber den Rückgang bei der postmortalen Organspende nicht ausgleichen, sagte Lauchart.

Nach dem Risiko für den Spender befragt, sagte Schnülle, dass derzeit keine Einschränkung der Lebenserwartung fassbar sei. Patienten mit nur noch einer Niere würden nach einigen Jahren eventuell zur Hypertonie neigen, die Datenlage sei aber noch offen. Lauchart erklärte, Daten aus den USA würden auf eine erhöhte Sterblichkeit von 0,03 Promille hindeuten. Top

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