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Lokale Phytoestrogene als Faltenkiller

11.11.2002  00:00 Uhr

Lokale Phytoestrogene als Faltenkiller

von Bettina Neuse-Schwarz, Bad Arolsen

Die Hormonsubstitution in den Wechseljahren hat bei Frauen unter anderem positive Auswirkungen auf die Haut. Die Haut altert langsamer, bleibt fester und elastischer. Ähnliche Effekte bringt anscheinend auch die lokale Anwendung estrogenhaltiger Dermatika.

Noch besser: Deren Wirkung soll der systemischen Applikation sogar überlegen sein. Sie soll zusätzlich die Faltentiefe deutlich reduzieren. Der Haken an der Sache: Estrogene beziehungsweise Stoffe mit estrogener Wirksamkeit dürfen in Kosmetika nicht eingesetzt werden, so die Vorschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenstände-Gesetzes und der Kosmetik-Verordnung. Erlaubt sind aber Substanzen mit „estrogen-ähnlicher biologischer Aktivität“, beispielsweise Phytoestrogene und andere natürliche Pflanzeninhaltsstoffe. Sie haben keinen Hormoncharakter, sind jedoch in der Lage, hormonähnliche Wirkungen hervorzurufen - allerdings ohne die möglichen Nebenwirkungen von Sexualhormonen.

Phytoestrogene sind sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe. Sie gehören zur Gruppe der Phytosterine, die in drei Gruppen unterteilt werden: Erstens Isoflavone mit Genistein und Daidzein als wichtigsten Vertretern. Sie finden sich überwiegend in Hülsenfrüchten. Den höchsten Gehalt haben Sojabohnen mit 3 bis 4 mg Isoflavoen/g Protein. An zweiter Stelle sind Ligane (Hauptmetabolite Enterolacton beziehungsweise Enterodiol) zu nennen, die hauptsächlich in Beeren und Vollkorngetreide vorkommen. Leinsamen weist die höchste Konzentration auf. Zu den Phytosterinen zählen Coumestane mit Coumestrol als Hauptvertreter, die in Alfalfa-Sprossen und Rotklee vorkommen.

Genistein und Daidzein in Kosmetika

Beispiele für Phytoestrogene in Dermatika sind die Soja-Isoflavone Genistein und Daidzein. Anders als bei den Estrogenen handelt es sich um nicht steroidale, heterocyclische Phenole, die dem 17-b-Estradiol strukturell ähneln. Bedingung für die Bindung an die Estrogenrezeptoren α und b ist das Vorhandensein des Phenolrings, wobei die estrogene Potenz der Soja-Isoflavone 100- bis 1000-fach niedriger ist als die von 17-b-Estradiol.

Die postulierte Wirkung der Soja-Isoflavone an der Haut: Typische Alterungserscheinungen wie Verlust von Spannkraft und Festigkeit, Verdünnung der Epidermis und Trockenheit werden positiv beeinflusst. Außerdem sollen die beiden Phytoestrogene trotz ihrer dem 17-b-Estradiol unterlegenen Wirkstärke auch auf postmenopausale Symptome wie Herz-Kreislauf-Probleme oder Osteoporose eine positive Wirkung haben.

Ein im Handel befindliches Kosmetikum auf Phytoestrogenbasis (Novadiol®, Vichy) basiert beispielsweise auf einem Komplex (Phyto-Flavone®) aus Soja-Isoflavonen mit Zimtsäure und einem Phloroglucinderivat. Die Funktion der Inhaltsstoffe laut Herstellerangaben: Die Soja-Isoflavone sollen die Keratinozytenvermehrung stimulieren und den enzymatischen Abbau von Collagen aufhalten. Zimtsäure soll die Collagensynthese und die Bildung der elastischen Fasern fördern, und Phloroglucin soll als natürlicher Wachstumsregulator die Keratinozytenentwicklung fördern und damit zur Epidermisverdickung beitragen.

Die ersten Falten

Die hormonell bedingte Hautalterung beginnt in der Regel um das 40. Lebensjahr. Wichtigste Kennzeichen: reduzierte Zellneubildung sowie Verschlechterung des dermalen Fremdstoffmetabolismus, der Thermoregulation und der Wundheilung. Hinzu kommt eine Abnahme der mechanischen Belastbarkeit und der Elastizität. Die Haut wird dünner, Äderchen können sichtbar werden. Bei diesen Prozessen spielt die Abnahme der Estrogene eine deutlich größere Rolle als die der Androgene.

Die hormonell bedingte Alterung ist nur ein Faktor im Alterungsprozess der Haut. Neben dem Hormonstatus und schädlichen Noxen wie Rauchen wird grundsätzlich zwischen extrinsischer Alterung (Photoaging), bedingt durch UV-Licht, und intrinsischer oder natürlicher Alterung (chronologisches Altern) unterschieden.

Die Effekte der systemischen Estrogenapplikation auf die Haut sind relativ gut untersucht. So geht man davon aus, dass hormonsubstituierte Frauen etwa ein Drittel weniger Falten haben als Frauen, die in der Postmenopause keine Hormone einnehmen. Dies ergibt eine US-Studie mit knapp 4000 Frauen. In anderen Untersuchungen konnten positive Effekte auf Hautfestigkeit, Elastizität und Hautfeuchtigkeit nach sechsmonatiger Behandlung belegt werden.

Neues zur circadianen Rhythmik der Haut

Forschungsfortschritte gibt es unter anderem auf dem Gebiet der Haut-Chronobiologie. So weiß man beispielsweise, dass die physiologischen Werte der dermalen Wasserabgabe, des Hautfeuchtigkeitsgehalts, des Haut-pHs, der Hauttemperatur und der Talgdrüsenaktivität tageszeitlichen Schwankungen (circadianen Rhythmen) unterliegen. Demnach erreicht die Talgproduktion im Gesicht um Mitternacht ihren Tiefpunkt. Auch der Haut-pH ist nachts am niedrigsten; gleiches gilt auch für den Wasserverlust über die Gesichtshaut um diese Tageszeit.

Ähnliches bei Zellneubildung und -wachstum der Epidermiszellen: Auch hier scheinen circadiane Rhythmen eine Rolle zu spielen. So lässt sich nach experimenteller Verletzung der Hautoberfläche (durch wiederholte Tesafilmabrisse an derselben Hautstelle) in dem Zeitraum von sechs bis 24 Stunden nach der Reizung der größte Fortschritt in der Heilung beobachten. Insgesamt dauert es über 96 Stunden bis die Haut inklusive der Schutzbarriere wieder hergestellt ist.

Neue Anwendungsempfehlungen

In vitro konnte an verschiedenen Zellsystemen beobachtet werden, dass Estrogene die Zellteilung fördern. Sollte sich dies weiter bestätigen, wäre die nächtliche Applikation der Hormone sinnvoll, um die täglichen Reizungen und Schädigungen der Haut besser zu kompensieren.

Neueren Studienergebnisse zufolge könnte langfristig eine Umkehr der bisherigen Anwendungs- beziehungsweise Behandlungsempfehlungen von Dermatika notwendig werden: Bisher ging man davon aus, dass die Hautbarriere zwischen 20 und 23 Uhr abends am durchlässigsten ist und somit nachts angewendete Dermatika besonders gut aufgenommen werden. Nach neuen Ergebnisse ist aber das Gegenteil der Fall: Die Schutzbarriere der Haut scheint nachts besonders gut zu sein, so dass für vergleichbare Effekte wie tagsüber eine höhere Wirkstoffkonzentration erforderlich wäre.

Auf einen Blick

Da mit Absinken des Hormonspiegels Alterungserscheinungen an der Haut zunehmen, hofft man, durch Konstanthalten des Hormonstatus diesen Prozess aufhalten zu können.

In der Gesichtshaut befinden sich im Vergleich zur übrigen Hautoberfläche die meisten Estrogenrezeptoren. Daher scheint hier auch bei lokaler Applikation von Phytoestrogenen eine Konstanthaltung des Hormonspiegels möglich. So zeigt sich beispielsweise für die transdermale Anwendung der Isoflavone Daidzein und Genistein laut Herstellerangaben schon ab dem zweiten Anwendungstag ein konstanter Hautspiegel.

Basierend auf neuen Erkenntnissen über circadiane Schwankungen in der Hautphysiologie liegen neue Anwendungsempfehlungen für Kosmetika nahe. Demnach scheint es sinnvoll, tagsüber vor allem hautschützende und nachts bevorzugt regenerierende Produkte, die an den Hormonrezeptoren wirken, zu empfehlen. Die Konzentrationen sollten dabei höher sein als für Tagesprodukte, da die Hautbarriere nachts offenbar verstärkt ist.

Und noch ein Tipp: Nachts mit leicht erhöhtem Oberkörper schlafen, da die lymphatische Zirkulation in der Dermis das Erscheinungsbild der Haut erheblich beeinflusst. Top

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