Pharmazie
Rund 25 Prozent der deutschen Apotheken tun es - im Süden offenbar
mehr, im Norden weniger. Gemeint ist die Bestimmung von Blutparametern
bei Apothekenkunden, und die Zahl der durchführenden Apotheken geht auf
Schätzungen zurück, genaue Angaben fehlen. An erster Stelle der
untersuchten Parameter steht der Blutzucker, gefolgt von Faktoren wie
Cholesterol und y-GT (y-Glutamyltransferase), berichtete Dr. Vera
Zylka-Menhorn am 19. Oktober bei einem PZ-Forum anläßlich des
Expopharm-Kongresses in Düsseldorf.
Gemeinsam mit Professor Dr. Gerd Assmann, Klinische Chemie und
Laboratoriumsmedizin der Universität Münster, lieferte sie Hintergründe und gab
Tips zur Interpretation von Laborwerten in der Apotheke. "Die Werte allein sagen
noch gar nichts", betonte sie und wurde darin von Assmann bestätigt. Er machte dies
am Beispiel der Fettstoffwechselstörungen deutlich: "Aus medizinischer Sicht macht
hier nur die kombinierte Bestimmung von Gesamt-Cholesterol, LDL-Cholesterol
und möglichst auch noch den Triglycerid-Werten Sinn".
Welche Blutfettwerte sind gefährlich?
Assmann berichtete von der Münster Heart Study, die das relative Risiko für die
Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit (KHK) in Abhängigkeit von den
Blutfettwerten untersucht. Seit über zehn Jahren führe man in Nordrhein-Westfalen
ein Screening der Bevölkerung durch, inzwischen seien über 35.000 Personen
einbezogen. Nach Bestimmung ihrer Blutparameter werden sie im Hinblick auf die
Entwicklung von Krankheiten wie Herzinfarkt oder Schlaganfall über mehrere Jahre
weiterbeobachtet. "Das KHK-Risiko hängt selten von einem einzigen Faktor ab",
betonte Assmann, "sondern von einer Kombination aus mehreren Faktoren". Zur
Risikoabschätzung habe man daher neben den Blutfettwerten auch Parameter wie
Alter und Geschlecht, Familienanamnese, Erkrankungen wie Diabetes und
Bluthochdruck sowie die Lebensgewohnheiten berücksichtigt.
Einen relativ großen Stellenwert zur Prädiktion des KHK-Risikos spielt laut
Assmann der Quotient aus Gesamt- und gefäßprotektivem HDL-Cholesterol. Liegt
dieser über 5, geht man von einem vergleichsweise hohen KHK-Risiko (fast 10
Prozent) aus, und eine ärztliche Untersuchung ist unverzichtbar, so die Faustregel. In
der Münster Heart Study wurden solche hohen Werte bei über 50 Prozent der
Personen ermittelt.
Auf Basis der Studiendaten habe eine internationale Kommission zur
KHK-Pävention (International Task Force for Prevention of CHD) für 1998 eine
Richtlinie vorbereitet, berichtete Assmann. Sie empfiehlt unter anderem, bei
Personen mit mehreren Risikofaktoren das gefäßschädigende LDL-Cholesterol
langfristig auf Werte unter 100 zu senken. In der Regel erfolge dies durch die Gabe
von CSE-Hemmern, die laut Assmann innerhalb weniger Tage eine deutliche
LDL-Cholesterol-Senkung bewirken können. Die Richtlinie verweise aber auch
darauf, daß die Behandlung sich immer an der allgemeinen Risikoabschätzung des
Patienten orientieren müsse. Bei Vorliegen eines einzigen isolierten Risikofaktors sei
in der Regel keine Therapie erforderlich.
Harnsäure ist das Endprodukt des Purin-Stoffwechsels, erinnerte Zylka-Menhorn.
Die Normwerte im Serum setzen sich beim Gesunden zu etwa gleichen Teilen aus
der körpereigenen Harnsäuresynthese und der nahrungsbedingten Purinzufuhr
zusammen und sind geschlechtsabhängig. Bei Männern liegen sie zwischen 3,5 und
7,1 mg/dl, bei Frauen zwischen 2,5 und 5,9 mg/dl. Bei Erhöhung der Serum-Werte
könne es - müsse aber nicht zwangsläufig - zur Gicht kommen, so Zylka-Menhorn.
"Nicht alle Patienten mit erhöhten Harnsäurewerten bilden eine Gicht aus, allerdings
steigt die Wahrscheinlichkeit dafür mit der Dauer und der Höhe der Spiegel".
Gicht entsteht durch die Ausfällung von Harnsäurekristallen (Natriumurat) bei
Überschreitung der Sättigungsgrenzen in Serum oder Urin, wobei eine Abhängigkeit
von Temperatur und pH-Wert besteht; betroffen sind Gelenke und Sehnen, als
Komplikation auch die Nieren. Ein Gichtanfall äußert sich durch anfallsartig (meist
nachts) auftretende pochende, zunehmende Schmerzen, später kommen Rötung und
Schwellung, eventuell Fieber hinzu.
Männer sind häufiger betroffen als Frauen, und die überwiegende Mehrheit der
Patienten (95 bis 98 Prozent) leidet an einer sekundären Form der Gicht, die in
engem Zusammenhang mit Übergewicht oder übermäßigem Alkoholgenuß, aber
auch mit bestimmten Erkrankungen (Diabetes, Fettstoffwechselstörungen,
Hypertonie, Nierenfunktionsstörungen) oder Schwangerschaft steht. Auch durch
Fasten werde der Harnsäurespiegel erhöht. Als Harnsäure-erhöhend wirke sich
außerdem die regelmäßige Einnahme bestimmter Medikamente aus. Als Beispiele
nannte die Medizinerin Diuretika (Thiazid-Typ), einige Betablocker und
Tuberkulostatika sowie Zytostatika.
Die wichtigste Indikation für eine Harnsäurebestimmung in der Apotheke sind
Gelenkschmerzen des Patienten sowie Symptome, die den Verdacht auf eine
Harnsäureerhöhung nahelegen, führte Zylka-Menhorn aus. Bei der Interpretation der
gemessenen Werte müsse man berücksichtigen, daß nicht jeder Mensch mit
erhöhten Spiegeln auch tatsächlich krank ist, betonte Zylka-Menhorn. Wie sehr das
Gichtrisiko mit Dauer und Höhe der Serum-Harnsäurespiegel ansteigt, verdeutlichte
Zylka-Menhorn an folgenden Zahlen: Bei Werten zwischen 8 und 9 mg/dl erleiden
25 Prozent der Betroffenen irgendwann einen Gichtanfall, bei Werten über 9 mg/dl
ist dies meistens der Fall.
Der erste Schritt zur Reduktion der erhöhten Harnsäurespiegel muß laut
Zylka-Menhorn eine Normalisierung des Körpergewichts sein, gefolgt von
diätetischen Maßnahmen. Gichtpatienten sollten auf Innereien, Wild, Eier, Sardinen,
Sardellen, Shrimps sowie auf übermäßigen Kaffee- und Alkoholkonsum verzichten.
Alkohol hemme vorübergehend die Harnsäureausscheidung über die Nieren und
steigere den Nukleotidmetabolismus in der Leber. Allerdings sei auf eine
ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten (bis zu 3 Liter pro Tag).
Als medikamentöse Maßnahmen bei akutem Gichtanfall nannte Zylka-Menhorn
Colchicin und nicht-steroidale Antirheumatika. Während der symptomfreien
Intervalle und bei chronischer Gicht werde unter anderem das Urikostatikum
Allopurinol zur Reduktion der Harnsäureproduktion eingesetzt, zur
Harnsäureausschwemmung kommen Urikosurika wie Probenecid oder
Sulfinpyrazon zur Anwendung und zur Alkalisierung des Harns Natriumcarbonat
oder -citrat. Letztere sollen durch Verschiebung des pH-Werts ein Ausfällen der
Harnsäure in den Nieren verhindern.
PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Düsseldorf

© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de