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Enzyme nicht besser als Placebo

18.09.2000  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag PHARMACON WESTERLAND

Enzyme nicht besser als Placebo

von Ulrich Brunner, Westerland

Um es vorweg zu nehmen: Die von den Herstellern für die unterschiedlichsten Indikationen angepriesenen Enzympräparate leisten nicht mehr als ein Placebo. Das ist zumindest die Meinung von Professor Dr. Gerhard Rohr von der Medizinischen Klinik II in Bad Homburg. Er analysierte in seinem Vortrag speziell zum Einsatz der Enzyme wie Trypsin, Chymotrypsin oder Bromelain in der Rheumatherapie die teils unseriösen Darstellungen in Basisbroschüren und Fachinformationen.

Rohrs wichtigster Kritikpunkt ist die Resorption der exogen zugeführten Enzyme im Magen-Darmtrakt. Studien, die den enteropankreatischen Kreislauf der Pankreasenzyme nachzuweisen glauben, seien inzwischen widerlegt. In seriösen Untersuchungen konnten Wissenschaftler lediglich belegen, dass in Versuchstieren höchstens 0,1 Prozent der ursprünglich verabreichten Enzyme intakt im Blutkreislauf ankamen, so Rohr.

Schwierigster Part solcher Untersuchungen sei es bislang gewesen, das exogen zugeführte Pankreasenzym von endogen gebildeten Enzymen zu unterscheiden. Inzwischen bedienen sich die Forscher biosynthetisch markierter Enzyme anderer Spezies. Diese lassen sich dann später mit Hilfe von Immunoassays im Organismus wieder aufspüren.

"Auch wenn die körperfremden Enzyme im Blut ankommen, werden sie sehr schnell umgesetzt und haben meist eine Halbwertszeit von weniger als einer Stunde", berichtete Rohr. Die Aussagen der Hersteller, die peroral verabreichten Hydrolasen gelangten intakt ins Plasma, seien nicht haltbar. Außerdem gebe es auch keine enterohepatische Rezirkulation. Vergleiche man zudem die empfohlenen Dosierungen von Pankreasproteasen mit der sowieso endogen produzierten Menge an Pankreasenzymen im menschlichen Organismus, so entspreche das weniger als 5 Prozent der per se im Körper zirkulierenden Menge.

Auch die zahlreich vorhandenen klinischen Studien sind laut Rohr meist nicht seriös. Entweder hapere es am Studiendesign oder die Autoren hätten sich einer teils abenteuerlichen Statistik bedient, kritisierte der Mediziner. Bei genauer Durchsicht der zahllosen Arbeiten werde eigentlich keine Studien den Ansprüchen der evidenzbasierten Medizin gerecht.

Für Roth ist es daher unverständlich, dass sich die Präparate in Deutschland dennoch so erfolgreich etablieren konnten. Bislang haben die meisten Enzympräparate noch eine fiktive Zulassung bis 2005. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA habe dagegen schon in den 80er Jahren "klaren Tisch gemacht". Inzwischen seien in den Staaten die meisten Produkte aus dem Arzneimittelmarkt verschwunden. In Deutschland erstatten dagegen sogar die Krankenkassen die Kosten für eine Therapie mit Präparaten wie Phlogenzym® und Musal®.

 

Kommentar

Gefährliche Salamis
von Ulrich Brunner

Seit Jahren tummeln sich auf dem deutschen Arzneimittelmarkt Präparate, für die deren Hersteller bis heute keine klinischen Wirksamkeitsnachweise erbracht haben. Das aktuelle Beispiel aus Westerland: die Enzympräparate. Da die Behörden der unzähligen Anträge auf Nachzulassung bislang nicht Herr wurden, räumten sie den Herstellern über Jahre immer wieder neue Gnadenfristen ein. Doch die kosten auch die in Finanznöte geratene gesetzliche Krankenkasse Jahr für Jahr nicht unerhebliche Summen. Denn die GKV erstattet zum Beispiel noch immer die Kosten für eine Therapie mit den hochpreisigen Enzympräparaten.

Kopfschütteln bei den Apothekern? Nein, und gerechterweise muss man dem Statement des BAK-Vizepräsidenten Dr. Hermann Vogel im Anschluss an Rohrs unmissverständliches Referat auch beipflichten. Welcher Hund schnappe denn nicht zu, so Vogel, wenn das Herrchen vor seiner Nase mit einer Salami wedele. Die Kritik geht ganz klar in Richtung Gesetzgeber. Er muss es sein, der möglichst zügig unseriösen Präparaten das Etikett Arzneimittel entzieht. Das spart nicht nur Geld, sondern schützt auch den Verbraucher. Denn stellen sie sich nur einmal vor, wieviel wertvolle Zeit zum Beispiel ein Rheumatiker verschenkt, der über Monate oder Jahre in gutem Glauben auf das falsche Pferd setzt, anstelle die Progression seiner zerstörerischen Krankheit mit einem potenten Pharmakon aufzuhalten. Top

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