Hilfe für die Einwohner von Coxcatalán |
26.08.2002 00:00 Uhr |
von Ulrich Brunner, Eschborn
Vor 14 Tagen starteten die Apotheker ohne Grenzen ihr bislang größtes Hilfsprojekt in der mexikanischen Sierra Madre. Drei deutsche Pharmazeuten versorgen die kleine Gemeinde Coxcatalán mit den nötigsten Arzneimitteln.
Schon vor über einem Jahr fiel in der Eschborner Geschäftsstelle der auf pharmazeutische Hilfe spezialisierten Organisation der Startschuss für den Einsatz in Mexiko. Die Initiative kam von Dr. Thomas Scior. Der deutsche Pharmazeut, selbst aktives Mitglied der Apotheker ohne Grenzen, lebt seit über fünf Jahren in Puebla, der mit 4 Millionen Einwohnern drittgrößten Metropole Mexikos. Er lehrt dort an der pharmazeutischen Fakultät der Benemérita Universidad Autónoma und wurde schon nach kurzer Zeit im Land auf die miserable Gesundheitsversorgung der zumeist landlosen Indiofamilien im strukturschwachen und unwegsamen Hinterland aufmerksam.
Miserable Gesundheitsversorgung
Auf Grund seiner guten Landeskenntnisse und Kontakte zu den mexikanischen Behörden entschlossen sich die Apotheker ohne Grenzen für ein Hilfsprojekt, das diesen Menschen zu Gute kommen sollte. In Kooperation mit dem Familienministerium Sistema Nacional para el Desarrollo Integral de la familia (DIF) des Bundesstaates Puebla sollten über 1500 Bedürftige mit einem mobilen Einsatzteam aus mexikanischen Ärzten und drei deutschen Apothekern innerhalb von sieben Tagen versorgt werden. Als Einsatzgebiet wählte man die Ortschaft Coxcatalán, im Südosten des Staates Puebla. Da es bislang in der Region keinen permanenten Gesundheitsposten gibt, sind die Menschen auf das mobile Versorgungsteam dringend angewiesen.
Ein kompetentes Team
Das AoG-Team, neben Scior die Lateinamerika-erfahrenen Apothekerinnen Dagny Henning aus dem österreichischen Imst und Dorothee Giese aus Berlin, koordinieren in Mexiko die komplette pharmazeutische Versorgung – von der Beschaffung sinnvoller Arzneimittel in einwandfreier Qualität, über den Transport und die Lagerung bis hin zur sachgerechten Abgabe.
Bei der Zusammenstellung der Medikamente für den einwöchigen Einsatz setzten das Team und die Mitarbeiter in Deutschland bereits in der Vorbereitungsphase auf eine enge Zusammenarbeit mit Dr. Donald Toledo, dem ärztlichen Leiter und seinen Kollegen beim DIF. Bei der Auswahl einzelner Präparate musste bei den mexikanischen Ärzten allerdings einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden, so Henning. Denn die deutsche Hilfsorganisation stellte ausnahmslos Medikamente zur Verfügung, die von der Weltgesundheitsorganisation als essenziell eingestuft werden. Den Schwerpunkt bildeten Antibiotika, Desinfektionsmittel, Antidiarrhoika und Medikamente gegen Parasitenerkrankungen.
Ein Arzt für 2000 Menschen
In Mexiko leben rund 15 bis 25 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze. Betroffen ist besonders die Landbevölkerung. Zu den ärmsten Bundesstaaten zählen Oaxaca, Chipas, Yucatán, Hidalgo und Puebla. Hier haben 70 bis 76 Prozent nur das Nötigste zum Leben. Am stärksten betroffen sind Indiofamilien auf dem Land. In der östlichen Sierra Madre können sich die meisten Menschen keine ausreichende Gesundheitsversorgung leisten. Circa 2000 Einwohner teilen sich in dieser Region einen Arzt.
Jeder Cent kommt an Die Apotheker ohne Grenzen setzen sich gezielt für eine bessere pharmazeutische Versorgung bedürftiger Menschen rund um den Globus ein. Dank des Engagements zahlreicher ehrenamtlicher Mitarbeiter und der minimalen Verwaltungskosten kommt fast jeder Cent unmittelbar den Projekten zu Gute. Wenn auch Sie die Arbeit der Organisation unterstützen wollen, dann spenden Sie auf das folgende Konto:
Apotheker ohne Grenzen Deutschland e. V.
Konto: 0005077591
Stichwort „Mexiko“
BLZ: 50090607
Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Frankfurt am Main
Ärzteteams des DIF starten daher regelmäßig so genannte Gesundheitskampagnen mit einem mobilen Einsatzteam. Zielgebiete sind schwer zugängliche und weit abgelegene Gebiete. Diese Brigaden bestehen in der Regel aus Ärzten, Zahnärzten und Krankenschwestern. Jegliche Betreuung bietet das DIF grundsätzlich kostenlos an. Nicht nur deshalb ist das Ministerium, das im Bundesstaat Puebla unter der Schirmherrschaft von Socorro Alfaro de Morales, der Frau des Gouverneurs steht, bei der Finanzierung seiner Kampagnen auf die Unterstützung von Partnern angewiesen.
„Mexiko ist ein Land ohne richtiges Apothekenwesen“, berichtet Scior, der den Studiengang Pharmazie in Puebla mit aufbaute. In den meisten Offizinen in den größeren Städten arbeitet daher kein pharmazeutisches Personal. Dennoch ist das Arzneimittelangebot in Mexiko groß. Wer sich die Medikamente leisten kann, bekommt fast alles ohne Rezept. Zudem kursieren zahlreiche gefälschte Präparate auf dem Markt. Erst kürzlich schätzte das Fachmagazin der US-amerikanischen Krankenhausapotheker den Anteil der Imitate auf 25 Prozent.
Gute Kontakte, günstige Konditionen
Um hohe Transportkosten ins Land und die aufwändigen Zollformalitäten zu vermeiden, wurde dennoch der Großteil der Ware im Wert von rund 15.000 US-Dollar über die zentrale Apotheke der Universität in Puebla beschafft. Die staatliche Einrichtung unter Leitung des Pharmazeuten Jorge Ruiz garantierte für die einwandfreie Qualität der Arzneimittel. Hier zahlten sich einmal mehr die guten Kontakte von Scior aus. Die Apotheke stellte neben den Arzneimitteln auch geländegängige Fahrzeuge für den Transport zur Verfügung.
Für die Apotheker ohne Grenzen ist dieser erste Einsatz in Coxcatalán eine wichtige Bewährungsprobe. Giese will die während des Einsatzes erfassten Daten im Rahmen einer Diplomarbeit im Studienfach Public Health auswerten. Langfristig plant die Hilfsorganisation in Zusammenarbeit mit der Gemeinde einen permanenten Gesundheitsposten in der Region aufzubauen.
Erste Nachrichten aus Mexiko
Trotz einiger Startschwierigkeiten und der Anfangs teils mühsamen Kontaktversuche mit den Partnern in Puebla ist das Projekt Mitte August erfolgreich angelaufen. Dagny Henning und ihre Kollegen sind mit ihrem Einsatzteam in Coxcatalán. Die gute Organisation und Zusammenarbeit mit den Partnern zahlt sich aus. Die ersten Nachrichten, die letzte Woche per E-Mail in Eschborn eintrafen, sind ausgesprochen positiv: „Am Montag kamen fast 300 Menschen, überwiegend aus dem Ort. Heute, Dienstag, suchten fast ebenso viele unsere Hilfe. Diese Leute hatten sich aus dem Hinterland der Sierra Negra auf den beschwerlichen Weg zu uns gemacht. Einige Patienten waren in sehr schlechter allgemeiner Verfassung. Die Menschen sind sehr arm und dankbar für unsere Hilfe“, melden die Apotheker aus der Sierra Madre.
PZ-Leserreise nach Mexiko Die 4-Millionen-Metropole Puebla ist unter anderem Ziel der diesjährigen PZ-Leserreise vom 25. Oktober bis 3. November nach Mexiko. Dort erfahren die Teilnehmer während eines Symposiums im Pharmazeutischen Institut unter anderem mehr über die Arbeit der Apotheker ohne Grenzen in der Sierra Madre. Ein Erfahrungsaustausch zwischen Repräsentanten der Universität Puebla, des DIF und des mexikanischen Apothekenverbandes ist geplant. Zudem informieren ausgewiesene Experten über traditionelle Pflanzenheilkunde sowie die Geschichte des Apothekenwesens in Mexiko. Mehr Details zur Leserreise sowie ein ausführliches Programm und Anmeldeunterlagen erhalten Sie bei der Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung, Telefon: (06196) 92 82 72 oder per E-Mail unter otto@govi.de
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