Estrogene schützen nicht vor Infarkt oder Schlaganfall |
13.08.2001 00:00 Uhr |
Kardiovaskuläre Erkrankungen sind in Deutschland mit Abstand die häufigste Todesursache. Das Risiko für Herzkreislauferkrankungen ist bis zum Eintritt der Wechseljahre bei Frauen deutlich geringer als bei altersgleichen Männern, steigt mit den Wechseljahren deutlich an und erreicht in der siebten Lebensdekade das Niveau von Männern.
Beobachtungsstudien wie die amerikanische Nurses Health Study (2) haben gezeigt, dass bei Frauen ohne Herzkreislauferkrankungen das Risiko kardiovaskulärer Komplikationen unter einer Hormonersatztherapie sinkt.
Neuere Untersuchungen liefern allerdings ein differenzierteres Bild. Demnach steigt in den ersten Jahren nach Einleitung einer Hormonersatztherapie die Herzinfarktrate zunächst leicht. Erst mit zunehmender Behandlungsdauer lässt sich dann ein Rückgang der Herzkreislauferkrankungen beobachten.
Ergebnisse kontrollierter Interventionsstudien mit herzgesunden Frauen liegen derzeit nicht vor. Diese werden von Studien wie der Women´s Health Initiative erwartet, einer momentan in den USA laufenden Untersuchung mit einer geplanten Dauer von zehn Jahren, an der etwa 27.500 Frauen teilnehmen. Die Initiative untersucht den Einfluss einer langfristigen Hormonsubstitution auf das Auftreten von Herzerkrankungen im Vergleich zu Placebo (3). Regelmäßige Zwischenanalysen zeigen, dass auch hier in den ersten drei Jahren unter der Hormonersatztherapie geringfügig mehr Herzinfarkte beobachtet wurden als unter Placebo.
In drei weiteren Studien untersuchen Wissenschaftler derzeit den Einfluss der Hormontherapie bei Frauen mit bestehenden Herzkreislauferkrankungen. HERS ("heart and estrogen/progestin replacement study"), eine prospektive, randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie, untersucht den Effekt der Hormonersatztherapie auf die Häufigkeit definierter Herzkreislauferkrankungen bei Frauen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen.
Bei den 2.763 Studienteilnehmerinnen ergab sich global kein Unterschied in der Anzahl von kardiovaskulären Erkrankungen mit tödlichem Ausgang zwischen Placebo und Verum. Die Ergebnisse zeigten, dass die tödlichen kardiovaskulären Neuerkrankungen in der Hormongruppe vermehrt zu Beginn der Studie auftreten und mit zunehmender Behandlungsdauer seltener werden. Dieser Trend war im Vergleich zur Placebogruppe signifikant (4).
Eine andere prospektive, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie mit Frauen in den Wechseljahren, die unter angiographisch nachgewiesener Atherosklerose litten ("estrogen replacement and arteriosclerosis trial"), untersuchte die Auswirkung einer Hormonersatztherapie auf die Größe atherosklerotischer Plaques. Hier fanden die Forscher nach gut drei Jahren keine Veränderung des Durchmessers verschiedener Koronargefäßabschnitte in beiden Gruppen. Auch die Anzahl neuer kardiovaskulärer Erkrankungen war vergleichbar (5).
Die Ergebnisse der WEST-Studie ("women's estrogen for stroke trial") zeigen, dass eine Hormonersatztherapie bei postmenopausalen Frauen nach einem Schlaganfall im weiteren Verlauf nicht die Hirninfarktrate senkt. In dieser Studie fanden sich sogar signifikant mehr tödliche Schlaganfälle als unter dem Scheinpräparat (6).
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie beurteilt den Stellenwert der Hormontherapie daher wie folgt: Der Effekt einer Hormonersatztherapie auf die Prävention von Herzkreislauferkrankungen ist nach heutigem Kenntnisstand unsicher. Bis die Ergebnisse laufender kontrollierter Studien vorliegen, sollte eine Hormonersatztherapie nicht auf Grund der Indikation "Schutz vor Herzkreislauferkrankungen" begonnen werden.
Eine Hormonersatztherapie ist nicht geeignet, um bei Frauen mit bekannten Herzkreislauferkrankungen weitere Herzinfarkte oder Schlaganfälle zu verhindern. Sie sollte dafür nicht eingesetzt werden. Bei Auftreten eines Herzinfarktes oder Schlaganfalles unter einer laufenden Hormonersatztherapie ist es vermutlich sinnvoll, die Therapie zu beenden.
Literatur
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