Rekombinante Arzneistoffe richtig handeln |
28.06.2004 00:00 Uhr |
Das ZL-Expertenforum „Qualitätsanforderungen an rekombinante Arzneistoffe und deren Zubereitungen“ widmete sich den modernen, so genannten Biologicals. Referenten aus Industrie, Hochschule und Klinik erörterten die Problematik dieser sensiblen Arzneistoffe und gaben Anleitungen zur richtigen Handhabung.
„Biologicals nehmen einen immer größeren Raum unter den Arzneimitteln ein“, sagte Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, der als Leiter des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL) das Forum initiiert hatte. In den nächsten Jahren wird sich seiner Meinung nach die Zahl rekombinanter Arzneistoffe in der Apotheke weiter erhöhen. Um einen richtigen Umgang mit rekombinanten Arzneistoffen zu gewährleisten, plant das ZL, zusammen mit der Bundesapothekerkammer entsprechende Leitlinien zu erarbeiten, erklärte Schubert-Zsilavecz.
Zurzeit sind 104 Arzneimittel mit rekombinanten Wirkstoffen in Deutschland zugelassen, informierte der Moderator der Veranstaltung, Professor Dr. Theo Dingermann von der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Prominente Vertreter dieser Wirkstoffklasse sind unter anderem Insulin-Analoga, Etanercept oder Adalimumab. Um Qualitätsmängel bei rekombinanten Arzneistoffen zu vermeiden, seien hohe Anforderungen an die Produktionsverfahren zu stellen.
„Das Herstellungsverfahren sichert die Qualität“, bestätigte Dr. Gerd Zimmermann von Roche Applied Science. Analytische Untersuchungsmethoden am Endprodukt reichten bei gentechnisch hergestellten Arzneistoffen nicht aus, um Qualität und Sicherheit zu gewährleisten. Valide Herstellungsverfahren und In-Prozess-Kontrollen bei Fermentation, Reinigung und Formulierung seien unabdingbar, um letztendlich ein hochwertiges Produkt zu erhalten. Bei der Herstellung von Erythropoietin werde zum Beispiel vor Beimpfen der Fermenter die Bakterienkultur auf mikrobielle Kontamination und Funktionstüchtigkeit überprüft, erläuterte Zimmermann. Physikalische Parameter wie Temperatur, pH-Wert oder Rührgeschwindigkeit im Fermenter sind dabei genau festgelegt und unterliegen einer ständigen Kontrolle. Großen Stellenwert beim Produktionsprozess nehme die Aufreinigung des Arzneistoffs ein. Mehrere Reinigungsschritte in Form von Interaktions-, Hochdruckflüssigkeits- und Größenausschluss-Chromatographie knüpfen an die Herstellung an. Der Arzneistoff werde anschließend durch ELISA (Enzyme Linked Immuno Sorbent Assay) oder Reversed-Phase-HPLC auf seine Reinheit kontrolliert, so der Referent.
Schütteln mindert Stabilität
Auf Grund ihrer Struktur zeigen Proteinarzneistoffe spezifische Stabilitätsprobleme, erläuterte Dr. Hanns-Christian Mahler von Merck. Während der Herstellung, Lagerung, dem Transport sowie bei der Anwendung kann es zu kritischen Situationen kommen, die eine Proteininstabilität bewirken. So kann etwa Einfrieren und anschließendes Auftauen das Produkt destabilisieren. Ebenso beeinträchtigen hohe Temperaturen, Schütteln oder lange Lagerzeiten häufig die Qualitätssicherheit. Des Weiteren neigt zum Beispiel Erythropoietin dazu, sich an das Primärpackmittel anzulagern, was bei der Formulierung berücksichtigt werden muss, stellte Mahler fest. Für die pharmazeutische Industrie bedeute die Formulierungsentwicklung von rekombinanten Arzneistoffen somit eine große Herausforderung. Spezielle Stresstests erlauben im Anschluss an den Herstellungsprozess Aussagen über die Stabilität des Produkts. Dabei wird der thermische, mechanische oder auch der Einfluss von Licht und Sauerstoff auf das Arzneimittel überprüft.
Zusätze wie Stabilisatoren müssen bei der Proteinformulierung spezielle Anforderungen erfüllen. Stabilisatoren dürfen nicht immunogen oder reaktiv sein und müssen den Wirkstoff in seiner nativen Struktur erhalten. Diese eng gesteckten Kriterien führen dazu, dass nur eine geringe Zahl an Hilfsstoffen bei der Proteinformulierung infrage kommt.
Tipps für die Praxis
„Der Informationsbedarf über die richtige Handhabung von rekombinanten Arzneimitteln ist hoch“, sagte Privatdozentin Dr. Irene Krämer vom Universitätsklinikum Mainz. Starkes Schütteln beim Auflösen von lyophylisierten Produkten ist ebenso zu vermeiden wie eine Lichtexposition oder lange Unterbrechung der Kühlung.
Zur Kühlung empfahl Krämer Apothekenkühlschränke mit kontinuierlicher 24-Stunden-Temperatur-Überwachung und integriertem Alarmsystem. Sei dies nicht vorhanden, sollten die Kühlschränke zumindest über ein Minimum-Maximum-Thermometer verfügen, das mindestens einmal pro Tag zu kontrollieren sei. Käme es im Krankenhaus zum Ausfall des Kühlsystems, müsse im Einzelfall je nach Dauer der erhöhten Lagertemperatur entschieden werden, ob das Medikament noch verwendet werden kann. Unter Umständen sei die Vernichtung des gesamten Vorrats oder die Änderung des Verfalldatums notwendig. Bei der Abgabe von biopharmazeutischen Medikamenten an den Patienten seien Kühltaschen zum Transport sinnvoll. Vor Importen von rekombinanten Arzneimitteln warnte die Krankenhausapothekerin. Durch die langen Vertriebswege wäre die Sicherheit des Produkts infrage gestellt.
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