Pharmazeutische Zeitung online

Neues Regime kommt aus Berlin

06.06.2005  00:00 Uhr
Pankreaskarzinom

Neues Regime kommt aus Berlin

von Conny Becker, Berlin

In der Standardtherapie bei Bauchspeicheldrüsenkrebs zeichnet sich ein Wechsel ab. Eine deutsch-österreichische Studie ergab, dass die postoperative Gabe von Gemcitabin der alleinigen OP signifikant überlegen war: Sie verdoppelte das krankheitsfreie Überleben.

Das Pankreaskarzinom ist ein tückischer Tumor, da es keine Früherkennungsuntersuchung gibt, er deutlich schneller voranschreitet als etwa Dickdarmkrebs und nur wenige Symptome verursacht. Typisch sind eine ungewollte Gewichtsabnahme, Gelbsucht, da die Galle nicht mehr abfließen kann, oder Rückenschmerzen, die auftreten können, wenn der Krebs im fortgeschrittenen Stadium ins Nervengewebe einwächst. Problematisch ist auch die Lokalisation des Tumors. »Er liegt in einem Gewebe, wo es keine natürlichen Grenzen gibt. So kommt es zu einem fingerartigen Einwachsen, wodurch es schwierig wird, den Patienten in Gänze tumorfrei zu bekommen,« sagte Professor Dr. Peter Neuhaus, Direktor der Chirurgischen Klinik an der Charité Campus Virchow-Klinikum, auf einer Pressekonferenz in Berlin. Die Prognosen sind entsprechend schlecht: Unbehandelt überleben die Patienten weniger als ein halbes Jahr.

Die Therapie der Wahl und die einzige Hoffnung auf Heilung ist bislang die chirurgische Entfernung des Tumors, die allerdings nur bei rund 15 Prozent der Patienten möglich ist. Bei den übrigen ist der Tumor zum Diagnosezeitpunkt bereits so weit fortgeschritten, dass Lebermetastasen vorhanden sind oder eine Aussaat in das Bauchfell stattgefunden hat. Hier wird das Nukleosidanalogon Gemcitabin (Gemzar®) seit Ende der 90er-Jahre als Standard eingesetzt. Er verlängert das Überleben zwar nur um drei Monate (statistisch signifikant), die Patienten haben aber auch weniger Schmerzen, können besser essen, sind leistungsfähiger und müssen weniger andere Medikamente nehmen, beschrieb Professor Dr. Hanno Riess, Onkologe an der Charité.

Nun untersuchten die Berliner Mediziner in den letzten sechs Jahren, inwiefern die adjuvante Gabe von Gemcitabin die Heilungschancen nach der Operation verbessern kann. In 86 deutschen und österreichischen Zentren nahmen 356 Patienten teil, die noch keine Metastasen aufwiesen und deren Tumor komplett oder überwiegend (Reste etwa in Aortanähe) entfernt wurde. Sie wurden nach Vollständigkeit der Resektion, Tumorstadium und Lymphknotenstatus randomisiert in zwei Arme eingeteilt, wobei die Verum-Gruppe sechs Zyklen Gemcitabin erhielt - das heißt, wöchentlich eine Infusion von 1 g/m² über sechs Monate, mit je einer Pause nach drei Gaben. Die Ergebnisse sorgten nicht nur in Berlin für Aufsehen, sondern auch auf dem größten Krebskongress ASCO in Orlando, auf dem sie vor etwa zwei Wochen erstmals vorgestellt wurden (Late Breaking Abstract LBA 4013). Denn während die mittlere rezidivfreie Zeit in der Kontrollgruppe bei 7,5 Monaten und damit im Bereich der Literaturdaten (5 bis 9 Monate) lag, trat ein Rezidiv unter Gemcitabin durchschnittlich erst nach 14,2 Monaten auf. »Wir erreichen mit der Chemotherapie eine Verdopplung der krankheitsfreien Überlebenszeit. Und alle Untergruppen profitieren signifikant,« hob Neuhaus hervor. Besonders günstig war die adjuvante Therapie bei Patienten mit mikroskopisch kleinen Tumorresten, die eine besonders schlechte Prognose haben: Hier verdreifachte sich die Zeit bis zum Wiederauftreten eines Tumors nahezu (14,5 gegenüber 5,5).

Sekundärer Endpunkt, aber für die Patienten entscheidend, war das Gesamtüberleben und die Verträglichkeit. Während in den ersten zwei Jahren der Nachbeobachtung in beiden Gruppen gleich viele Menschen starben, ging danach die Schere auseinander. So lebten 24 Prozent der bislang ausgewerteten Patienten unter Gemcitabin fünf Jahre oder länger, ohne Chemotherapie waren es nur 14 Prozent. Nebenwirkungen von Grad 3 und 4 traten seltener als erwartet auf. Zwar kam es unter Verum häufiger zu Leukopenie, Anämie und Thrombozytopenie, diese führten aber nicht zu Blutungen oder Infektionen. Auch Erbrechen und Diarrhö waren häufiger, aber gut zu kontrollieren. »Diese Behandlung wird Standard in Europa werden«, sind sich die Berliner daher sicher und gehen davon aus, dass sie noch im Laufe des Jahres in die Leitlinien aufgenommen wird.

Und auch über ein weiteres Phase-III-Studienergebnis können sich Mediziner und Patienten freuen. Erstmals war eine Kombination der alleinigen Gabe von Gemcitabin in der Firstline-Therapie signifikant überlegen. Bevor diese Kombination - Gemcitabin plus Erlotinib (Tarceva®) - Standard werde, müsse die Studie jedoch bestätigt werden. Top

© 2005 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa