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Bösartige Erkrankungen im Kindesalter

07.06.1999  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag PHARMACON MERAN

Bösartige Erkrankungen
im Kindesalter

von Ulrike Wagner, Meran

Die Behandlung bösartiger Erkrankungen bei Kindern weise eine einzigartige Erfolgsbilanz auf, erklärte Professor Dr. Felix Zintl von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Inzwischen könnten 75 Prozent der Kinder mit akuter lymphoblastischer Leukämie geheilt werden. Dabei handelt es sich um die häufigste Krebserkrankung im Kindesalter, die in Deutschland jährlich bei 600 Patienten im Alter von zwei bis fünf Jahren auftritt.

Kinder mit akuter lymphoblastischer Leukämie kommen mit Leistungsminderung, Fieber und Blutungen zum Arzt, berichtete Zintl. Ursache für die Symptome sind die sich stark vermehrenden Lymphozyten im Knochenmark, die bis zu einem Kilogramm des Körpergewichts ausmachen und andere Blutzellen verdrängen. Dadurch kommt es zu einer Anämie, einer Granulozytopenie und zu einem Mangel an Thrombozyten.

Wie aggressiv die Ärzte therapieren, entscheiden sie nach Einteilung der Kinder in Risikogruppen. Grundlage dafür sei unter anderem das Ansprechen auf eine erste einwöchige Prednison-Therapie. Kinder, die auf das Cortison nicht reagieren, haben schlechte Heilungschancen, meinte Zintl.

Die eigentliche erste Phase der Behandlung ist die Remissionsinduktion. Dabei erhalten die Kinder Prednison, Vincristin, Daunorubicin oder L-Asparaginase. Die Leukämiezellen sprechen zu Beginn der Behandlung sehr gut auf die Zytostatika an. Daher finden die Ärzte nach vier Wochen bei 98 Prozent der Patienten keine Leukämiezellen mehr im Knochenmarkausstrich. Weitertherapieren müsse man trotzdem, sonst komme es innerhalb weniger Wochen zum Rückfall, erklärte Zintl.

Die zweite Phase der Therapie ist die Konsolidierungsphase, während der die Kinder über einen längeren Zeitraum mit Zytostatika wie Methotrexat, Mercaptopurin oder Vincristin behandelt werden. Da die Medikamente die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren und die Leukämiezellen sich auch an den Hirnhäuten aufhalten, müsse bei vielen Kindern gleichzeitig eine ZNS-Therapie gestartet werden. Dabei applizieren die Ärzte Zytostatika intrathekal und bestrahlen den Schädel.

Eine der Nebenwirkungen der Bestrahlung sei ein verringertes Wachstum: Die Kinder erreichen häufig nicht mehr ihre eigentliche Körpergröße. An die intensive Therapiephase, die etwa sechs Monate dauert, schließt sich eine Dauertherapie mit Zytostatika über 18 Monate an.

Die Nebenwirkungen der Therapie sind drastisch. Ohne eine supportive Therapie sterben die Kinder an den Nebenwirkungen, erklärte Zindl. Es könne zu metabolischen Komplikationen kommen, weil die Zytostatika eine große Anzahl von Zellen lysieren. Außerdem verursachen die Medikamente eine Myelo- und Immunosuppression, Infektionen mit Bakterien, Viren, Pilzen oder Parasiten verlaufen sehr schwer. Daher geben die Ärzte den Kindern viele Medikamente prophylaktisch, wie zum Beispiel Amphotericin B und 5-Fluorocytosin gegen Pilzinfektionen oder Trimethoprim-Sulfamethoxazol, das einer Pneumonie durch Pneumocystis carinii vorbeugt.

Die Chancen auf Heilung verdoppelten sich bei Kindern mit einer sehr schlechten Prognose, wenn sie eine Knochenmarktransplantation erhalten, berichtete Zintl. Dazu muß zunächst ein passender Spender gefunden werden, damit es nicht zu einer Abstoßungsreaktion kommt. Inzwischen bewahre man Stammzellen aus Plazentarestblut von Neugeborenen auf, um Kinder bei einer späteren bösartigen Erkrankung damit behandeln zu können. Die Qualität der Zellen sei sehr gut, und sie lassen sich in flüssigem Stickstoff für längere Zeit aufbewahren. Allerdings reichen die Zellen für eine Transplantation oft nicht aus, erklärte Zintl.

Vor einer Knochenmarktransplantation müßten alle Immunzellen im Körper des Kindes vernichtet werden, um tatsächlich alle malignen Zellen abzutöten und ein Abstoßen des fremden Knochenmarks zu verhindern. Dies geschehe mit hohen Dosen an Zytostatika und einer Ganzkörperbestrahlung. Innerhalb von zehn bis 14 Tagen nach der Transplantation sei sichtbar, ob das Transplantat anwächst. Das neue Immunsystem braucht eine gewisse Zeit, um sich im Körper des Kindes zu etablieren. Daher leiden die Patienten vier bis sechs Monate lang an einem schweren Immundefekt und brauchen ein bis vier Jahre, bis sie wieder über ein intaktes Immunsystem verfügen. Da sie keinen Impfschutz mehr haben, müssen sie dann wieder alle empfohlenen Impfungen erhalten.

Eine der Komplikationen bei einer Knochenmarktransplantation ist die "graft versus host disease". Dabei erkennen die Lymphozyten des Spenders das Empfängergewebe. Allerdings haben Kinder, bei denen es zu dieser Erkrankung kommt, wesentlich bessere Heilungschancen, was die Leukämie betrifft. Denn die fremden Leukozyten greifen nicht nur das gesunde Gewebe an, sondern auch die letzten Leukämiezellen, die der Chemo- und Strahlentherapie doch noch entkommen sind, berichtete Zintl.

Spätfolge der aggressiven Therapie ist oft die Sterilität. Bei drei Prozent der Kinder kommt es daneben in fortgeschrittenem Alter zu einem zweiten Tumor, verursacht durch die intensive Bestrahlung. Top

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