Matrixpflaster gegen Harninkontinenz |
23.05.2005 00:00 Uhr |
Bekannter Wirkstoff in neuem Gewand: Nachdem das Anticholinergikum Oxybutynin zu Beginn des Jahres als 24-Stunden-Tablette in OROS-Technologie auf den Markt kam, steht es seit Mitte April als transdermales System zur Verfügung. Das Pflaster wird zweimal wöchentlich aufgeklebt.
Eine überaktive Blase ist eine Crux für die Betroffenen, auch wenn sie nicht zwangsläufig mit einer Harninkontinenz einhergeht. Chronisch bestehen häufiger Harndrang, oft verbunden mit erhöhter Miktionsfrequenz und Drang zum nächtlichen Wasserlassen (Nykturie). Bei etwa der Hälfte der Patienten liegt eine Detrusorüberaktivität vor, die in zwei Formen auftreten kann. Bei der phasischen Form kommt es schon im Lauf der Blasenfüllung immer wieder zu Kontraktionen; dabei kann unkontrolliert Harn abgehen. Patienten mit terminaler Detrusorhyperaktivität haben dagegen lange Zeit kein Dranggefühl, müssen dann aber ganz plötzlich und ohne »Vorwarnung« zur Toilette. Für diese meist älteren Menschen ist es oft hilfreich, das Wasserlassen zu festen Zeiten, also die »Miktion nach der Uhr« zu trainieren.
Die wichtigsten Arzneistoffe, die bei überaktiver Blase und Dranginkontinenz zugelassen sind, sind Anticholinergika, die Muskarin-, meist M3-Rezeptoren an den glatten Muskelzellen des Detrusors besetzen und damit die Übererregung der Blasenmuskulatur dämpfen. Der Angriff an M-Rezeptoren im übrigen Organismus ist für die typischen Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen, Tachykardie und Obstipation verantwortlich.
Neue Arzneiformen zielen darauf ab, bei gleicher Wirksamkeit ein günstigeres Nebenwirkungsprofil zu erreichen. Dies gilt auch für das transdermale therapeutische System (TTS), das 36 mg Oxybutynin enthält. Das Matrixpflaster ist zugelassen für Patienten mit Dranginkontinenz und/oder Pollakisurie und Harndrang (Kentera®, UCB Pharma). Es wird zweimal wöchentlich auf Bauch, Hüfte oder Gesäß aufgeklebt und setzt 3,9 mg Wirkstoff pro Tag frei. Der Applikationsort beeinflusst die Pharmakokinetik nicht. Das Steady state wird während der zweiten Anwendung eines TTS erreicht.
In einer kleinen Kurzzeitstudie mit 74 Patienten war die Anwendung des Pflasters ebenso effektiv wie die zwei- bis dreimal tägliche Einnahme von Oxybutynin-Kapseln. Mundtrockenheit trat deutlich seltener auf. In einer 12-wöchigen Studie mit 361 Patienten reduzierte die zweimal wöchentliche TTS-Applikation die Inkontinenzrate pro Tag ebenso gut wie die einmal tägliche Gabe von 4 mg Tolterodin. Das mittlere Miktionsvolumen nahm in gleichem Ausmaß zu. Beide Vera waren signifikant wirksamer als Placebo. In den Verumgruppen wurden jeweils mehr als ein Drittel der Patienten kontinent, mit Placebo war es jeder Fünfte. Bei der Pflasterapplikation kam es deutlich seltener zu Mundtrockenheit, dafür traten häufiger Hautreaktionen wie Juckreiz und Erytheme auf. Laut Fachinformation berichten 23 Prozent der Patienten über Hautreaktionen durch das TTS. Dieses soll daher bei jedem Wechsel an eine andere Stelle geklebt werden, sodass die Haut wenigstens sieben Tage Zeit zur Regeneration hat. Wie bei allen TTS muss die Haut gesund, trocken, sauber, unbehaart, nicht geölt oder gepudert sein, damit das Pflaster gut klebt. Es darf nicht mit der Schere zerschnitten werden. Da es nicht der Sonne ausgesetzt werden darf, soll die Kleidung die Applikationsstelle bedecken.
Tipp zur Entsorgung: Nach drei bis vier Tagen enthält das TTS noch erhebliche Oxybutynin-Mengen. Daher das gebrauchte Pflaster in der Mitte falten, die Seiten aufeinander kleben, in den Originalbeutel stecken und zum Müll geben. Nicht in die Toilette werfen.
Kritisch anzumerken ist, dass die Studien mit dem Oxybutynin-TTS nur
wenige Wochen liefen und die Fallzahlen nicht groß waren.
Langzeituntersuchungen werden zeigen, ob die neue Darreichungsform auf
Dauer vorteilhaft ist und von den Patienten akzeptiert wird.
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