Pharmazeutische Zeitung online

Neue Therapieoption beim Typ-2-Diabetes

21.05.2001  00:00 Uhr

NATEGLINID

Neue Therapieoption beim Typ-2-Diabetes

von Elke Wolf, Frankfurt am Main

In diesen Tagen kommt mit Nateglinid (Starlix®) ein neues perorales Antidiabetikum auf den Markt, das in Deutschland für die Kombinationstherapie mit Metformin zugelassen ist. Es stimuliert relativ schnell die Insulinsekretion. Pathophysiologisch bedeutsame postprandiale Glucosespiegel werden somit effektiv gekappt.

Für die Blutzuckerkontrolle sind die Messung von Nüchternblutzucker und glykosyliertem Hämoglobin (HbA1c) das A und O. Blutgluocosespitzen nach dem Essen werden dagegen oft übersehen. Dabei sind sie prognostisch hoch relevant, wie mehrere epidemiologische Langzeitstudien nahe legen. So zum Beispiel eine Metaanalyse, die die Studiendaten von über 18. 000 Männern und über 7000 Frauen vereint. Die Patienten sind dabei durchschnittlich 7,3 Jahre beobachtet worden.

Die Ergebnisse zeigen, dass der postprandiale Glucosewert eine höhere prognostische Bedeutung für das Risiko kardiovaskulärer Spätkomplikationen hat als nur die Bestimmung des Nüchternblutzuckers. Denn bei erhöhten 2-Stunden-Blutglucosewerten (>200 mg/dl) war das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko mindestens doppelt so hoch, und zwar selbst bei normalem Nüchternblutzucker. Hoch anflutende Glucosewerte nach den Mahlzeiten gelten heute als unabhängiger Risikofaktor für die kardiovaskuläre Mortalität bei Typ-2-Diabetikern. Deshalb empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), neben der Nüchternblutglucose auch die 2-Stunden-Blutglucosewerte mit dem peroralen Glucosetoleranztest zu bestimmen.

Rasch einsetzende Wirkung, die kürzer anhält

Nateglinid ist ein Derivat der Aminosäure D-Phenylalanin, das mit den ATP-abhängigen Kaliumkanälen der Insulin-sezernierenden Inselzellen des Pankreas interagiert. Durch eine Depolarisation der b-Zellen strömt kurzfristig Calcium ins Zellinnere, was die Zellen zur Insulinausschüttung anregt. Im Gegensatz zu Sulfonylharnstoffen wie Glibenclamid setzt die insulinstimulierende Wirkung von Nateglinid schon wenige Minuten nach der Einnahme ein. Das Molekül bleibt nur für die kurze Zeit von zwei Sekunden am Rezeptor hängen, so dass die Insulinstimulation schon nach kurzer Zeit wieder abgeschaltet wird. Zum Vergleich: Bei Sulfonylharnstoffen oder dem Benzoesäurederivat Repaglinid beträgt die Halbwertszeit der Rezeptorbindung rund drei Minuten.

Versuche an prädiabetischen Affen und mit Typ-2-Diabetikern zeigen, "dass bei Nateglinid die Insulinfreisetzung rascher eintritt und auch rascher wieder abklingt als bei Glibenclamid oder Repaglinid", sagte Professor Dr. Helmut Schatz von der Universitätsklinik in Bochum auf der Einführungspressekonferenz der Firmen Novartis und Merck. Diese Kinetik sei physiologischer als die der bisher verfügbaren peroralen Antidiabetika, wertete Schatz. Hohe Glucosewellen nach dem Essen werden verhindert und zugleich das Risiko von Hypoglykämien als Folge einer prolongierten Insulinausschüttung vermindert.

Ein weiteres Charakteristikum von Nateglinid besteht in seiner glucoseabhängigen Wirkweise. Schatz: "Ohne gleichzeitige Mahlzeit wird kaum Insulin ausgeschüttet. Wird dagegen nach der Nateglinid-Einnahme eine Mahlzeit eingenommen, wird Insulin kräftig freigesetzt." Und: Je höher die Glucosewerte nach dem Essen ansteigen, desto stärker regt Nateglinid die Insulinsekretion an. Sinkt der Blutzucker in den physiologischen Bereich, klingt die Wirkung des Arzneistoffs ab. Schatz vermutet, dass dadurch womöglich die b-Zellen geschont werden. Bewiesen sei das allerdings noch nicht.

Nateglinid ist in Deutschland für die Kombinationstherapie mit Metformin zugelassen, so dass man den Diabetes mit zwei Wirkprinzipien angeht. Nateglinid wirkt dem Insulinmangel entgegen, Metformin der Insulinresistenz. In Phase-III-Studien hat der neue Arzneistoff seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt. So reduzierte sich durch die Nateglinid-Gabe kurz vor den Mahlzeiten der durchschnittliche HbA1c -Wert statistisch signifikant um 0,7 Prozent im Vergleich zu Placebo. Der Behandlungserfolg war unabhängig davon, ob die Patienten mit peroralen Antidiabetika vorbehandelt waren oder nicht.

Auch in der Kombinationstherapie mit Metformin hat Nateglinid bestanden. Mit Nateglinid (3 x 120 mg) und Metformin (3 x 500 mg) behandelte Patienten profitierten im Vergleich zu Typ-2-Diabetikern, die nur mit Nateglinid oder Metformin behandelt wurden, mit einer statistisch signifikant besseren Kontrolle der Blutglucose. Denn unter der Kombinationstherapie sank sowohl der HbA1c -Wert um 1,9 Prozent als auch die Nüchternblutglucose um fast 53 mg/dl signifikant stärker als unter den Einzelsubstanzen (HbA1c: -0,8 Prozent und -1,2 Prozent, Nüchternblutzucker: -21,1 mg/dl und -38,0 mg/dl). Eine ausführliche Bewertung von Nateglinid lesen Sie in der Rubrik "Neu auf dem Markt" in PZ 23.

Top

© 2001 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa