Pharmazeutische Zeitung online

Hormonsubstitution bei Testosteron-Mangel-Syndrom

21.04.2003  00:00 Uhr
Neues Testosterongel

Hormonsubstitution bei Testosteron-Mangel-Syndrom

von Conny Becker, Berlin

Mit großer Medienpräsenz führte Jenapharm am 15. April ein Testosteron-haltiges Gel auf dem Markt ein. Bereits im Vorfeld haftet dem ausschließlich zur Substitution bei Hypogonadismus zugelassenen Testogel® der Ruf des Off-label-use an.

Laut des Nachrichtenmagazins Der Spiegel (Ausgabe vom 14. April) haben die Hersteller des neuen Testosterongels das zu behandelnde Krankheitsbild gleich mit erfunden. Zweifellos sinke der Testosteron-Spiegel im Laufe eines Männerlebens (Hypogonadismus), doch bislang sei dies als eine natürliche Folge des Altern angesehen worden. Nun würde jedoch künstlich daraus ein Krankheitsbild erstellt, dass mit vielen verschiedenen Namen versehen werde: Aging-Male-Syndrom, Klimakterium virile, altersbedingter Hypogonadismus, Andropause seien nur einige davon.

Fest steht – auch laut Spiegel –, dass mit dem neuen Testosterongel für Männer nach einer Kastration oder mit einem genetisch bedingten Hormonmangel (Klinefelder-Syndrom) eine neue Alternative in der Testosterontherapie auf dem Markt ist.

Professor Dr. Thomas Ebert der EuromedClinic Fürth wies anlässlich der Einführungsveranstaltung den Vorwurf zurück, dass es sich um ein „Life-style“-Medikament handle. Jedoch könne nicht wirklich verhindert werden, dass das Produkt auch außerhalb der Praxis Karriere machen werde.

Zweimal im Jahr zur Kontrolle

Der Urologe sieht eine Substitution mit dem Hormon als sinnvoll an, wenn ein erniedrigter Serumwert von klinischen Symptomen eines Testosteronmangels begleitet werden. Diese können sich peripher als verminderte Muskelmasse, abdominelle Adipositas, Androgenmangelanämie und Osteoporose oder zentral als Leistungsabfall, Libidoabnahme, Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen zeigen. Weder die recht unspezifischen Symptome noch ein erniedrigter Hormonwert allein begründeten eine Testosteronsubstitution.

Als Kontraindikation nannte Ebert den Verdacht auf ein Prostatakarzinom bei einem erhöhten PSA-Wert oder Tastbefund sowie ein nachgewiesenes Prostatakarzinom oder Brustkrebs. Bei der Substitution mit Testosteron müsse der Arzt den Patienten darauf hinweisen, dass Androgene die Entwicklung eines subklinischen Tumors beschleunigen können. Laut Fachinformation müssen ältere Patienten zweimal pro Jahr den PAS-Serumspiegel überprüfen lassen. Ebert rät zu einer Kontrolle alle drei Monate.

Hormonspiegel wird imitiert

Ist eine Testosterontherapie indiziert, muss die Applikationsart ausgewählt werden. Neben der seltenen peroralen Form stehen Implantate und Depotspritzen zur Verfügung, die alle drei Wochen intramuskulär injiziert werden. Vorteil eines Testosteronpflasters sowie des neuen Testosterongels sei, dass sie den physiologischen Hormonspiegel imitieren. Dieser unterliegt einem circadianen Rhythmus, zwischen 8 und 10 Uhr morgens ist der Spiegel am höchsten.

Testogel solle daher einmal täglich ungefähr zur gleichen Zeit, vorzugsweise morgens aufgetragen werden – und zwar auf Schulter, Arm oder Bauch. Wichtig ist, das Gel nicht auf die Genitalien aufzutragen, da der Alkoholgehalt lokale Reizungen verursachen kann. Der Patient muss das Gel zudem selbst applizieren, insbesondere Kinder und schwangere Frauen müssen jeden Kontakt vermeiden.

Die aufgetragene Dosis Testosteron (25 oder 50 mg in 5 g Gel) wird perkutan zu circa 9 bis 14 Prozent resorbiert. Die empfohlene Tagesdosis beträgt 50 bis 100 mg. Bei einer Dosis von 50 mg ist laut Fachinformation ein Anstieg der Testosteronkonzentration von etwa 8,7 nmol/l im Serum zu erwarten. Circa sechs Stunden sollte der Patient zwischen der Applikation und dem Baden oder Duschen warten.

Besser hautverträglich als Pflaster

Vorteil zu dem teureren Pflaster sei die bessere Hautverträglichkeit, urteilte Ebert. Hautreaktionen an der Anwendungsstelle wie Erytheme kamen in den Zulassungsstudien zwar bei 5 bis 6 Prozent der Patienten vor. Dennoch stelle dies eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Testosteron-Pflaster dar: Hier seinen Hautreaktionen mit starkem Juckreiz bei bis zu 30 Prozent der behandelten Männer zu beobachten, was häufig zu einem Abbruch der Therapie führe. Ein Akneschub zu Anfang der Testosteronsubstitution sei mit 12,5 Prozent vergleichbar hoch wie beim Pflaster.

Auch weitere systemische Nebenwirkungen wie Polyglobulie, Prostatabeschwerden, Gynäkomastie, Hypertonie oder Haarausfall liegen mit 1 bis 10 Prozent im Bereich anderer Substitutionsarten. Ob eine Substitution des altersbedingten Hypogonadismus erforderlich ist, muss ein erfahrener Arzt im Einzelfall klären. Top

© 2003 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Mehr von Avoxa