Freigabe- und Laufzeitspezifikation |
24.04.2000 00:00 Uhr |
Bei Arzneimitteln darf der Wirkstoffgehalt nicht mehr als 10 Prozent vom Soll abweichen. Wo steht das und gilt das auch für Rezepturen?
Bei dieser Frage geht es um die Richtigkeit des Arzneistoffgehaltes, das heißt meist der Konzentration, nicht um die Gleichförmigkeit des Gehaltes einzeldosierter Arzneiformen nach Arzneibuch (2.9.6; Ph. Eur 1997).
Für zulassungspflichtige Fertigarzneimittel ist mit dem Zulassungsantrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vorgegeben: "Die Spezifikation für den Gehalt des arzneilich wirksamen Bestandteils ist auf 95 bis 105 Prozent, für Konservierungsmittel und Antioxidantien auf 90 bis 110 Prozent der deklarierten Menge festzulegen (1). Eine Unter- oder Überschreitung dieses Bereiches muss ausreichend begründet sein."
Weniger strenge oder spezielle Bestimmungen gelten unter anderem für radioaktive Arzneimittel, Heilwässer sowie bestimmte Bestandteile pflanzlicher Herkunft oder biologischen Ursprungs (1). Die untere Toleranzgrenze für den Gehalt des arzneilich wirksamen Bestandteils kann in der Laufzeitspezifikation niedriger als in der Freigabespezifikation festgelegt werden (1), soweit sich dies aus Haltbarkeitsuntersuchungen ableiten lässt. Zugleich müssen allerdings haltbarkeitsrelevante Verunreinigungen begrenzt werden, und zwar auf relativ niedige Werte, wenn sie toxikologische Bedeutung haben.
Wie das praktisch aussehen kann, zeigt die Standardzulassung für ein injizierbares Lokalanästhetikum (2): "Zum Zeitpunkt der Produktfreigabe 95,0 bis 105,0 Prozent der deklarierten Menge Mepivacainhydrochlorid; für die Haltbarkeitsdauer mindestens 90,0 Prozent der deklarierten Menge Mepivacainhydrochlorid."
Für nicht zulassungspflichtige Rezepturen und Defekturen lässt die Überwachung nach hier vorliegender Erfahrung üblicherweise eine Abweichung von ±10 Prozent vom Soll zu. Dies erscheint grundsätzlich sachgerecht, zumal durch Verdunstung flüchtiger Bestandteile zum Beispiel bei kleinvolumigen Kunststoffbehältnissen auch Konzentrationserhöhungen während der Lagerung und Aufbewahrung auftreten können. Die niederländische Apothekerschaft kam nach längerer Diskussion schon sehr früh zu angemessenen Vereinbarungen mit der nationalen Überwachung über den Arzneistoffgehalt (3).
Bei bestimmten, relativ instabilen Arzneistoffen wird in Holland sogar ein Zersetzungsgrad von 10 Prozent toleriert, so dass im Falle der Freigabe beziehungsweise der herstellungsbedingten Lage auf dem (unteren) 95-Prozent-Niveau unter Umständen nur noch ein Rest von 85 Prozent der Sollkonzentration enthalten ist (4). In entsprechend begründeten Fällen (1) ist zum Ausgleich eigentlich ein Produktionszuschlag üblich (3). Das offizielle Hauptargument hiergegen: Wenn bei empfindlichen Rezepturen jedesmal ein Produktionszuschlag gegeben werden müsste, erhöht sich die Gefahr von Rechenfehlern, und das wäre viel schlimmer als ein gewisser Mindergehalt (3).
Im Rezepturbetrieb wird vor diesem Hintergrund überlicherweise nicht darauf geachtet, ob ein Arzneistoff in der Rezeptursubstanz zu 100 Prozent in reiner Form vorliegt. Treten jedoch erheblich verminderte und/oder stark schwankende Anteile wertbestimmender Stoffe in der Ausgangsware auf, soll zumindest bei standardisierten Rezepturen der tatsächliche Gehalt beziehungsweise die tatsächliche Aktivität berücksichtigt werden, um die Richtigkeit des Wertes in der Zubereitung sicherzustellen. Bei dieser korrigierenden "Faktorisierung" der Einwaage ist anders als bei Gehaltsangaben in Arzneibüchern üblich nicht auf die wasserfreie Substanz, sondern auf den wirklich verwendeten Grundstoff zu beziehen.
Literatur:
Anschrift des Verfassers:
Dr. Holger Reimann,
Neues Rezeptur-Formularium (NRF)
Pharmazeutisches Laboratorium,
Carl-Mannich-Straße 20,
65760 Eschborn
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