Nebivolol: ein neuer Betablocker |
21.04.1997 00:00 Uhr |
Pharmazie
Hohe
Selektivität gepaart mit vasodilatierenden
Eigenschaften: Das sind die Charakteristika des neuen
Betablockers Nebivolol. Das Präparat Nebilet der Berlin
Chemie ist seit Anfang dieses Jahres im Handel. Die
Substanz ist zur Behandlung der essentiellen Hypertonie
zugelassen, die Wirkung ist mit der anderer Betablocker
vergleichbar. Der zusätzliche Wirkmechanismus läßt
therapeutische Vorteile vermuten, ausführliche klinische
Beweise dazu stehen jedoch noch aus.
Nebivolol ist ein racemisches Gemisch aus D- und
L-Nebivolol. Das D-Enantiomer ist zum größten Teil für
die hohe ßl-Selektivität verantwortlich, die
Gefäßerweiterung hingegen wird eher auf L-Nebivolol
zurückgeführt. Diese Vasodilatation läßt sich mit der
Sympathikus-Blockade nicht erklären. Beobachtet wurde
vielmehr, daß Nebivolol auf endothelabhängige
Mechanismen einwirkt. Die bisherigen Befunde deuten
darauf hin, daß die Freisetzung von Stickoxid (NO)
gefördert wird, erläuterte Professor Dr. James Ritter
vom St. Thomas' Hospital in London. Nebivolol relaxierte
die Koronararterien von Kaninchen nur dann, wenn das
Endothel intakt war. Die Handvenen gesunder Probanden
wurden unter Nebivolol erweitert, ein Hemmstoff der
NO-Synthase antagonisierte diese Wirkung, Atenolol zeigte
keinen Effekt.
Mit der Freisetzung des endothelrelaxierenden Stickoxids
werden die günstigen hämodynamischen Wirkungen von
Nebivolol in Zusammenhang gebracht: An gesunden Probanden
verbesserte es signifikant stärker als Atenolol das
Schlagvolumen, Herzminutenvolumen und die
linksventrikuläre Auswurffraktion. In verschiedenen
kleineren Studien wurde auch bei Patienten mit
Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit oder Hypertonie
die linksventrikuläre Funktion gefördert. Die
Herzfrequenz nimmt ab, der linksventrikuläre
enddiastolische Druck und die enddiastolische
Wandspannung gehen zurück, der periphere Widerstand
sinkt. Die Ökonomie der Herzarbeit wird dadurch
verbessert. Bei Herzinsuffizienz könnte so die Gefahr
einer Dekompensation durch ß-Blocker überwunden werden,
meinte Professor Dr. Wolfram Kupper von der
Herz-Kreislauf-Klinik in Bad Bevensen.
Bisher nur bei Hypertonie
Klinisch abgesichert sind diese Hypothesen aber noch
nicht. Für die Praxis gilt: Nebivolol ist zur Therapie
der essentiellen Hypertonie zugelassen, diastolischer und
systolischer Blutdruck werden gleichermaßen gesenkt. Die
Wirkung ist mit der anderer First-line-Substanzen
(Atenolol, Metoprolol, Enalapril oder Nifedipin)
vergleichbar. An über 4000 Patienten ist Nebivolol
bisher untersucht worden, das Nebenwirkungsprofil hat
sich dabei als sehr günstig erwiesen. Nebivolol übt
keinen negativen Einfluß auf Blutfettwerte oder
Glukosestoffwechsel aus. Orthostatische Dysregulationen
kamen nicht vor. Der Wirkstoff zeigt keine intrinsische
ß-sympathomimetische Aktivität. Häufige Nebenwirkungen
sind Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit oder
Parästesien; Bradykardien, Depressionen, Libidoverlust
oder Herzversagen traten bei weniger als einem Prozent
der Patienten auf. Die Responderquote ist höher als bei
Metoprolol, Elanapril oder Nifedipin, möglicherweise
weil nicht nur einer, sondern zwei Mechanismen zur
blutdrucksenkenden Wirkung beitragen.
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
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