Die Insulinanaloga Insulin Aspart und Insulin glargin |
04.03.2002 00:00 Uhr |
NEUE ARZNEISTOFFE
* unter Mitarbeit von Hartmut Morck, Martin Schulz und Rolf Thesen
Als kurzwirkendes, schnell anflutendes Insulin-Analogon steht Insulin Aspart (NovoRapid®) seit Oktober 1999 zur Verfügung. Laut Zulassung soll die Anwendung unmittelbar vor einer Mahlzeit erfolgen. Nach einer Zulassungserweiterung ist nun auch die postprandiale Applikation möglich. Im Juni 2000 folgte mit Insulin glargin (Lantus®) ein verzögert wirkendes Basalinsulin auf den deutschen Arzneimittelmarkt.
Durch die intensivierte Insulintherapie sollen das Profil der physiologischen Insulinfreisetzung möglichst zeitnah imitiert und so die Folgekomplikationen der Diabeteserkrankung reduziert werden. Das Ziel bei der Entwicklung modifizierter Insuline ist es, bei gleicher Wirkung den Wirkeintritt beziehungsweise die Wirkdauer zu beeinflussen. Besonders schnell oder langwirkende Insulin-Analoga sollen eine angepasste Insulinversorgung gewährleisten, die durch eine herkömmliche Therapie nicht erreicht wird. Verzögert freisetzende Insulinpräparationen setzen konstant eine reproduzierbare Menge an Insulin frei, um ersetzen so die normale Insulinsekretion. Dabei ist eine einmal tägliche Applikation mit nur minimalen Variabilitäten in der Absorption das Ziel. Schnell freisetzende Formulierungen wurden entwickelt, um postprandiale Hyperglykämien zu vermeiden.
Um den basalen Insulinbedarf zu decken, stehen vor allem NPH-Insuline (Neutrales Protamin Hagedorn) zur Verfügung. Ihre Wirkung ist durch ein Maximum nach circa sechs Stunden mit anschließendem konstanten Absinken gekennzeichnet. Auf Grund großer intraindividueller Schwankungen haben die Verzögerungsinsuline mit Zink an Bedeutung verloren.
Insulinpflichtige Diabetiker erhalten meist ein Verzögerungsinsulin, das den basalen Insulinspiegel aufrecht erhält. Zusätzlich wird mahlzeitenbezogen Normalinsulin gespritzt, um den physiologisch erhöhten Insulinbedarf nach den Mahlzeiten zu decken. Das Normalinsulin wirkt nach circa 30 bis 60 Minuten, so dass sich eine Injektion, die der Zusammensetzung und dem Ausmaß der Mahlzeit entsprechen sollte, 30 Minuten vor dem Essen empfiehlt. Eine gute Einstellung der Diabetiker ist von großer Bedeutung, um Folgeschäden zu vermindern.
Chemische Klassifikation
Bei Insulin Aspart handelt es sich um eine gentechnologisch mittels eines modifizierten Stammes von Saccharomyces cerevisiae hergestellte Modifikation von Humaninsulin, wobei die Aminosäure Prolin in Position 28 der B-Kette gegen Asparaginsäure ausgetauscht wurde. Da diese Aminosäure an der Oberfläche des Moleküls in einem Teil liegt, der nicht mit dem Insulin-Rezeptor interagiert, werden weder die dreidimensionale Struktur noch die biologische Wirkung durch den Austausch beeinträchtigt (1, 2).
Insulin glargin unterscheidet sich vom Humaninsulin an drei Stellen: In der A-Kette wurde Asparagin in Position 21 gegen Glycin ausgetauscht und die B-Kette an Position 30 um zwei basische Arginine erweitert (3). Dadurch erhöht sich der isoelektrische Punkt; das Insulin-Analogon ist in schwach saurer Umgebung löslich und fällt in neutralem Milieu aus. Zur gentechnologischen Herstellung von Insulin glargin bedient man sich des Escherichia-coli-Bakteriums (4). Der Zusatz einer kleinen Menge an Zink (30 mg/L) verlängert die Resorptionszeit zusätzlich (5).
Indikationen und Anwendung
Beide Insuline sind zugelassen für die Behandlung des Diabetes mellitus, sofern die Behandlung mit Insulin erforderlich ist.
Insulin Aspart wird subkutan in die Bauchdecke, den Oberschenkel, den Deltamuskel oder die Gesäßregion injiziert. Auf Grund seines raschen Wirkeintritts sollte Insulin Aspart im Allgemeinen unmittelbar vor einer Mahlzeit verabreicht werden. Aber auch kurz nach einer Mahlzeit ist die Anwendung möglich. Die Dosierung ist individuell zu bestimmen. Normalerweise sollte Insulin Aspart mit einem intermediär wirkenden oder lang wirkenden Insulin kombiniert werden. Dabei kann bei einer mahlzeitenbezogenen Behandlung der Insulinbedarf zu 50 bis 70 Prozent von Insulin Aspart gedeckt werden. Bei verstärkter körperlicher Belastung oder einer Änderung der Ernährungsgewohnheiten kann eine Anpassung der Dosierung notwendig werden. Das Risiko einer Hypoglykämie erhöht sich durch körperliche Bewegung direkt im Anschluss an eine Mahlzeit. Eine Nieren- oder Leberfunktionsstörung kann den Insulinbedarf verringern (6).
Bei Begleiterkrankungen und Komedikationen, die eine verzögerte Resorption der Nahrung bewirken, ist der rasche Wirkeintritt zu beachten. Ein Wechsel in der Insulintherapie, sei es der Insulintyp, die Insulinmarke oder ein anderer Herstellungsprozess, bedarf strenger medizinischer Überwachung. Die Verwendung von Insulin Aspart kann eine veränderte Dosierung gegenüber dem vorherigen Anwendungsschema bewirken, so dass die Basistherapie angepasst werden muss. Für die Anwendung bei Kindern unter sechs Jahren liegen keine Studien vor (6).
Ist der Stoffwechsel ungenügend eingestellt oder neigt der Patient zu Hyper- beziehungsweise Hypoglykämien, sollte die Einhaltung des Therapieschemas und die Handhabung überprüft werden. Unter Umständen ist eine Dosisanpassung nötig.
Insulin glargin sollte einmal täglich am Abend subkutan verabreicht werden. Die Dosierung erfolgt individuell. Eine Kombination mit peroralen Antidiabetika ist bei Typ-2-Diabetikern möglich. Bei der Umstellung von Intermediär- oder Langzeit-Insulin auf das neue Präparat kann eine Änderung der Insulin-Basalrate erforderlich werden. Ebenso bedarf die antidiabetische Begleitmedikation hinsichtlich der Dosierung und der Applikationszeitpunkte zusätzlich angewendeter Normalinsuline oder schnellwirksamer Insulin-Analoga sowie der Dosierung peroraler Antidiabetika einer Anpassung. Eine Reduktion der täglichen Basisinsulin-Dosis um 20 bis 30 Prozent in den ersten Behandlungswochen empfiehlt sich bei einem Wechsel von zweimal täglich verabreichtem NPH-Verzögerungsinsulin auf einmal täglich Insulin glargin, um das Risiko nächtlicher und frühmorgendlicher Hypoglykämien zu verringern. In den ersten Wochen kann zumindest ein Teil dieser Reduzierung durch höhere Insulindosen zu den Mahlzeiten ausgeglichen werden, anschließend wird das Behandlungsschema individuell angepasst. Da es sich um ein Insulin-Analogon handelt, können Patienten mit Antikörperbildung gegen Humaninsulin, die hohe Insulindosen benötigen, besser auf die Behandlung mit Insulin glargin ansprechen. Die Umstellung erfordert in den ersten Wochen eine engmaschige Stoffwechselüberwachung. Eine verbesserte Stoffwechsellage oder Änderungen in der Lebensweise der Patienten können eine Dosisanpassung notwendig machen.
Das Fertigarzneimittel darf nicht mit anderen Insulinen gemischt werden. Mischen oder Verdünnen kann das Zeit-/Wirkprofil verändern. Vor dem Einsetzen in den Insulinpen muss die Patrone ein bis zwei Stunden bei Raumtemperatur aufbewahrt werden (4).
Bei beiden Insulinen gilt, dass die Injektionsstellen bei jeder Injektion innerhalb derselben Körperregion gewechselt werden sollten.
Wirkung und Wirkmechanismus
Beide Insulin-Analoga wirken pharmakologisch wie Humaninsulin. Durch die Einfügung der negativ geladenen Asparaginsäure in der B-Kette bei Insulin Aspart wird die Interaktion zwischen den einzelnen Insulin-Monomeren geschwächt (7). Humaninsulin zeigt eine Tendenz zur Hexamerbildung, was eine verzögerte Absorption aus dem subkutanen Depot bedingt. Gebildete Hexamere und Dimere dissoziieren bei Insulin Aspart schneller in die Monomere. Insulin Aspart neigt weniger zur Hexamerbildung. Dadurch kann das Insulin-Analogon schneller aus dem subkutanen Gewebe absorbiert werden. Deshalb kommt es im Vergleich zu löslichem Humaninsulin zu einem schnelleren Wirkeintritt bei verkürzter Wirkdauer. Bezogen auf die ersten vier Stunden nach einer Mahlzeit, sind die Glukosekonzentrationen unter Insulin Aspart niedriger. Auf molarer Basis ist Insulin Aspart äquipotent zu löslichem Humaninsulin, sowohl hinsichtlich der Bindung an den Insulin- als auch an den Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktor-1-Rezeptor (IGF-1). In-vitro-Studien ergaben keine relevanten Unterschiede in der Rezeptorbindungskinetik zwischen Insulin Aspart und nativem Humaninsulin (6).
Insulin glargin hat eine geringe Löslichkeit im neutralen pH-Bereich, während es im sauren Medium vollständig gelöst ist. Die Injektion ins Subkutangewebe führt zu einer Neutralisierung der sauren Lösung, so dass sich Mikropräzipitate bilden. Diese setzen konstant geringe Mengen an Insulin glargin frei, was ein gleichmäßiges, berechenbares Konzentrations-/Zeitprofil ohne Spitzen mit verlängerter Wirkdauer zur Folge hat (4). Darüber hinaus sind die gebildeten Hexamere stabiler als die des Humaninsulins (8).
Insulinmoleküle mit Argininresten am Ende der B-Kette sind physiologisch als Überbleibsel des Proinsulins vorhanden. Da mit zwei Argininresten die Bioverfügbarkeit zu niedrig war, wurde in der A-Kette eine Aminosäure ausgetauscht. So optimierte man den protahierenden Effekt durch die verringerte Löslichkeit (9). Die Rezeptorbindungsaffinität von Insulin glargin ist niedriger im Vergleich zu Humaninsulin. In vivo ist die Wirksamkeit aber gleich. Identische Dosen von intravenös verabreichtem Insulin glargin und Humaninsulin hatten in klinisch pharmakologischen Studien die gleiche Wirkstärke. Auch bezüglich der Kinetik der Insulinrezeptorbindung sind sich Insulin glargin und Humaninsulin sehr ähnlich (4). Die Affinität zum IGF-1-Rezeptor ist im Vergleich zu Humaninsulin erhöht (156 Prozent) (10). Aber auch In-vitro-Studien mit einer sechsfach erhöhten Affinität zum Rezeptor des Wachstumsfaktors wurden publiziert (11). Die Affinität zum IGF-1-Rezeptor variiert in Abhängigkeit von den verwendeten Zelltypen, liegt aber immer deutlich unterhalb der Affinität von körpereigenem IGF-1 (12). Autophosphorylierung des Rezeptors sowie die weitere Phosphorylierung intrazellulärer Botenstoffe ist ebenfalls vergleichbar mit Humaninsulin (13).
Unerwünschte Wirkungen
Als häufigste Nebenwirkung kommt es während der Therapie mit Insulin oder Insulin-Analoga zu Hypoglykämien, wenn die Dosis den eigentlichen Bedarf überschreitet. Warnsymptome sind kalter Schweiß, kalte blasse Haut, Erschöpfung, Nervosität, Zittern, Angstgefühle, ungewöhnliche Müdigkeit, Schwäche, Verwirrung, Konzentrationsschwierigkeiten, Benommenheit, großer Hunger, Sehstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Herzklopfen. In schweren Fällen kann es zu Bewusstlosigkeit oder Krämpfen sowie Störungen der Gehirnfunktion kommen. Durch eine markante Veränderung der Blutzuckereinstellung können vorübergehende Sehstörungen verursacht werden, die durch Änderungen im Quellungszustand und somit der Brechkraft des Auges bedingt sind. Eine Intensivierung der Insulintherapie mit diesen Insulin-Analoga kann zu Beginn der Therapie eine Ödembildung verursachen. Eine Lipodystrophie an der Einstichstelle kann bei jeder Insulintherapie entstehen. Zur Vermeidung empfiehlt es sich, die Injektionsstelle jedes Mal zu wechseln. Selten treten generalisierte lebensbedrohliche Überempfindlichkeitsreaktionen auf.
In klinischen Studien litten 3 bis 4 Prozent der mit Insulin glargin behandelten Patienten unter Reaktionen wie Rötungen, Schmerz, Juckreiz, Quaddeln, Schwellung oder Entzündung an der Einstichstelle.
Humaninsulin und Insulin glargin provozierten in klinischen Studien mit der gleichen Häufigkeit die Bildung kreuzreagierender Insulin-Antikörper. Dies kann eine Anpassung der jeweiligen Dosis erforderlich machen (4, 6).
Kontraindikationen
Beide Arzneimittel sollten bei Überempfindlichkeit gegen einen Bestandteil der Fertigarzneimittel nicht eingesetzt werden. Insulin Aspart ist ferner bei Hypoglykämien kontraindiziert. Auf ausreichende Dosierung ohne Unterbrechung der Therapie ist zu achten, da ansonsten Hyperglykämien und eine diabetische Ketoazidose drohen. Das Insulin sollte unmittelbar mit einer Mahlzeit gespritzt werden.
Die Wirksamkeit und Sicherheit einer Therapie mit Insulin glargin bei Kindern, Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion oder Patienten mit mäßig bis stark eingeschränkter Nierenfunktion kann auf Grund begrenzter Erfahrungen nicht beurteilt werden. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sowie älteren Menschen kann es zu einer Verringerung des Insulinbedarfs infolge des verminderten Insulinabbaus kommen. Auch bei schweren Leberfunktionsstörungen ist mit einer Abnahme der benötigten Insulinmenge zu rechnen. Hier liegt der Grund in der reduzierten Kapazität zur Glukoneogenese sowie ebenfalls am verminderten Insulinabbau.
Bisher liegen nur geringe Erfahrungen in der Therapie mit Insulin Aspart während der Schwangerschaft vor. Für Insulin glargin gibt es bisher ebenfalls keine relevanten epidemiologischen Daten zum Einsatz während der Schwangerschaft. Da sich der Insulinbedarf während der Schwangerschaft verändert, ist eine intensivere Überwachung anzustreben. In der Stillzeit kann eventuell eine Dosisanpassung notwendig sein (4, 6).
Wechselwirkungen
Wie bereits erwähnt, beeinflussen einige Arzneimittel den Glukosestoffwechsel, so dass eine Dosisanpassung nötig wird.
Folgende Arzneistoffe bedingen beispielsweise eine verstärkte Blutzuckersenkung und damit einen verminderten Insulinbedarf: perorale Antidiabetika, Octreotid, MAO-Hemmer, nicht selektive b-Blocker, ACE-Hemmer, Salizylate, Disopyramid, Fibrate, Pentoxifyllin, Propoxyphen, Anabolika und Sulfonamide.
Umgekehrt schwächen einige Substanzen den blutzuckersenkenden Effekt ab und erhöhen somit den Insulinbedarf. Hierzu zählen perorale Kontrazeptiva, Thiazide, Diazoxid, Glucocorticoide, Isoniazid, Estrogene, Progestagene, Somatropin, Glukagon, Schilddrüsenhormone, Sympathomimetika und Danazol.
Sowohl zu einer Verstärkung als auch zu einer Abschwächung des blutzuckersenkenden Effektes kann es durch die gleichzeitige Verabreichung von b-Blockern, Clonidin, Lithiumsalzen oder Alkohol kommen.
b-Blocker, Clonidin, Guanethidin und Reserpin können die Warnsymptome einer Hypoglykämie verschleiern (7, 9).
Pharmakokinetik
Auf Grund der verringerten Tendenz zur Hexamerbildung wird Insulin Aspart schneller als Humaninsulin absorbiert. Tmax verkürzt sich daher bei einem höheren Cmax um die Hälfte der Zeit im Vergleich zu löslichem Humaninsulin. Nach etwa vier bis sechs Stunden geht die Insulinkonzentration wieder auf den Ausgangswert zurück. Bei Injektion unter die Bauchdecke tritt die Wirkung zehn bis zwanzig Minuten nach der Verabreichung ein, um über drei bis fünf Stunden anzudauern. Bei gesunden Freiwilligen, die in zwei Studien eine Nacht vor Verabreichung von Insulin Aspart oder Humaninsulin gefastet hatten, betrug Cmax (Insulin) 246 oder 227 pmol/L beziehungsweise 108 oder 133 pmol/L. Bei gleicher Dosierung betrug die mittlere Verweildauer bei männlichen Freiwilligen 149 Minuten gegenüber 217 Minuten im Vergleich Insulin Aspart zu Humaninsulin. Während die Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve für Seruminsulin kurz nach der Injektion für Insulin Aspart höher war, so relativierte sich der Wert über einen längeren Zeitraum und resultierte in vergleichbaren Werten (14).
Wie allgemein bei Insulinen typisch, variiert die Wirkdauer in Abhängigkeit von der Dosis, der Injektionsstelle, dem Blutfluss, der Temperatur und dem Ausmaß der körperlichen Betätigung. Eine subkutane Injektion in die Bauchdecke ermöglicht eine schnellere Resorption im Vergleich zu den anderen Applikationsstellen.
Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ist die Absorptionsrate etwas langsamer, so dass Cmax etwas niedriger ausfällt und tmax etwas später auftritt. Im Vergleich zum löslichen Humaninsulin sind die intraindividuellen Schwankungen bei tmax geringer, dafür bei Cmax größer.
Bei älteren Patienten und Menschen mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion wurde die Pharmakokinetik nicht untersucht. Bei Kindern (ab 6 Jahre) und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes wird Insulin Aspart mit einer vergleichbaren Schnelligkeit absorbiert wie beim Erwachsenen. Da Cmax in den einzelnen Altersstufen unterschiedlich ist, wird die Bedeutung einer individuell angepassten Therapie deutlich (6).
Insulin glargin wurde bei Probanden und Patienten im Vergleich mit humanem NPH-Insulin untersucht. Dabei deuten die Insulinkonzentrationen unter der Therapie mit Insulin glargin auf eine langsamere und länger anhaltende Resorption hin. Der gleichförmige Wirkungsverlauf zeigt Übereinstimmung mit dem Konzentrations-Zeit-Profil. Nach zwei bis vier Tagen wird bei einmal täglicher Gabe der Steady state erreicht. Eliminationshalbwertszeiten bei intravenöser Verabreichung waren für Humaninsulin und Insulin glargin gleich.
Bei Bestimmungen mit radioaktiv markiertem Insulin glargin beziehungsweise NPH-Insulin wurde die Zeit bis zum Verschwinden von 25 Prozent der Radioaktivität mit 15 Stunden beziehungsweise 6,5 Stunden nach Verabreichung bestimmt. Nach 24 Stunden betrug die mittlere verbliebene Radioaktivität noch 54,4 Prozent beziehungsweise 27,9 Prozent (5).
Im subkutanen Fettgewebe entstehen durch teilweisen Abbau am Carboxyende der B-Kette die aktiven Metabolite 21A-Gly-Insulin und 21A-Gly-des-30B-Thr-Insulin. Daneben sind Insulin glargin sowie Abbauprodukte im Plasma nachweisbar. In der klinischen Erprobung ergaben Subgruppenanalysen bezüglich des Alters und Geschlechts keine Unterschiede in Wirksamkeit und Sicherheit.
Der Injektionsort zieht keine klinisch relevanten Unterschiede in der Kinetik nach sich (4).
Klinische Prüfung
Sowohl in Studien mit gesunden Freiwilligen als auch in euglykämischen Clamp-Studien** senkte Insulin Aspart schneller den Blutzucker als Humaninsulin: Minimale Blutzuckerwerte wurden schneller erreicht. Die Werte lagen zudem bei gleicher Dosierung niedriger (15). klinische Studien mit Insulin Aspart im Vergleich zu löslichem Humaninsulin zeigen niedrigere postprandiale Blutzuckerwerte für Insulin Aspart. Die AUCGlukose betrug über die ersten vier Stunden nach der Mahlzeit 315 mmol/L×min nach Gabe von Insulin Aspart direkt vor der Mahlzeit gegenüber 737 mmol/L×min nach Injektion von Humaninsulin 30 Minuten vor der Nahrungsaufnahme (14).
** Bei euglykämischen Clamp-Studien wird die endogene Insulinproduktion ausgeschaltet. Der Blutzucker wird kontinuierlich gemessen und durch eine Glucoseinfusion konstant (euglykämisch) gehalten. Die Wirkung eines blutzuckersenkenden Arzneistoffes lässt sich dann an der Glucosemenge ablesen, die notwendig ist, um den Blutzuckerspiegel weiterhin konstant zu halten.
In einer Multicenter-Studie im randomisierten, doppelblinden, Cross-over-Design mit 90 Typ-1-Diabetikern, die vor jeder Mahlzeit Insulin Aspart oder Humaninsulin in der mittleren Dosis von jeweils 40,9 beziehungsweise 39,7 Einheiten pro Tag erhielten, waren Glukosekonzentration unter Insulin aspart signifikant seltener außerhalb der Grenzen von 4 bis 7 mmol/L. Die Fructosamin-Werte im Serum waren in den beiden Therapieschemata vergleichbar, was auf keinen Unterschied in der Blutzuckerkontrolle hinweist (14).
Gegenüber Humaninsulin, das entweder 30 Minuten vor oder direkt zur Mahlzeit injiziert wurde, konnte in einer randomisierten, doppelblinden, Cross-over-Studie mit 22 Typ-1-Diabetikern mit Insulin Aspart zum Essen der postprandiale Blutzucker besser kontrolliert werden (16). In offenen Langzeitstudien mit 1070 Typ-1-Diabetikern in Europa und 884 in Nordamerika (Behandlungsregime: NPH-Verzögerungsinsulin und Normalinsulin 30 Minuten vor Mahlzeit beziehungsweise Insulin Aspart unmittelbar vor der Mahlzeit) waren die Werte für glykosyliertes Hämoglobin im Vergleich zum Humaninsulin in beiden Studien nach sechs Monaten signifikant um jeweils 0,12 beziehungsweise 0,15 Prozentpunkte herabgesetzt. Nach zwölf Monaten hielt die Verbesserung in der nordamerikanischen Studie mit 0,14 Prozentpunkten an. Eine klinische Bedeutung dieses Befundes ist derzeit noch nicht gesichert (2, 6).
Hinsichtlich der intraindividuellen Variabilität waren die meisten Parameter unter Aspart und Normalinsulin vergleichbar (10). Hypoglykämien traten unter Insulin Aspart im Vergleich zu Humaninsulin gleich bis weniger häufig auf (14).
In einer randomisierten, Doppelblindstudie mit 20 Typ-1-Diabetikern waren die Plasmaglukosepiegel vergleichbar zwischen Insulin Aspart (15 Minuten nach dem Essen) und Normalinsulin (15 Minuten vor der Mahlzeit). Wurde das Normalinsulin direkt zur Nahrungsaufnahme gespritzt, so schnitt Insulin Aspart besser ab. Diese Studie ist die Grundlage zur Zulassungserweiterung, die auch eine postprandiale Anwendung ermöglicht.
In euglykämischen Clamp-Studien trat die Wirkung von subkutan appliziertem Insulin glargin bei gesunden Freiwilligen oder Typ-1-Diabetikern später ein als bei NPH-Insulin. Zudem hielt die Wirkung in einem gleichmäßigen Profil länger an. Große intra- und interindividuelle Unterschiede können allerdings bei beiden Insulin-Analoga auftreten (4).
Bei gesunden Männern konnte gegenüber Placebo und NPH-Insulin mit jeweils einer einmaligen Injektion in einer doppelblinden euglykämischen Clamp-Studie gezeigt werden, dass Insulin glargin zu einer gleichmäßigen Wirkung über mindestens 24 Stunden führt. Bei der Gabe von NPH-Insulin ist ein typischer Peak im Konzentrations-Zeit-Profil zwischen 4 und 7 Stunden nach der Injektion zu sehen. Die metabolischen Effekte waren unter Insulin glargin etwas schwächer als unter NPH-Insulin (8).
Bislang gibt es keine größere Studien, die Insulin glargin und NPH-Insulin über einen längeren Zeitraum vergleichen, da Insulin glargin als klare Lösung deutlich vom NPH-Insulin unterschieden werden kann. In einer Phase-II-Studie mit Typ-1-Diabetikern verglich man über vier Wochen Insulin glargin (einmal abends) mit NPH-Insulin (einmal abends oder je morgens und abends). Hinsichtlich seines Effekts auf die Nüchtern-Blutzuckerspiegel war Insulin glargin dem NPH-Insulin signifikant überlegen. Während die HbA1C-Werte unter NPH-Insulin konstant blieben, sanken sie unter Insulin glargin signifikant um 0,14 Prozent. Hypoglykämische Zwischenfälle war gleich häufig, allerdings traten in der Glargin-Gruppe weniger nächtliche Hypoglykämien auf- allerdings nur im Vergleich zu der einmal täglichen Applikation des NPH-Insulins. Der Unterschied fällt geringer aus, betrachtet man nur die letzte Woche der klinischen Studie (17). In einer 16-wöchigen Vergleichsstudie senkte Insulin glargin die Nüchtern-Blutzuckerspiegel stärker, keine Unterschiede zeigten sich beim glykosylierten Hämoglobin.
In einer anderen Untersuchung erhielten 22 Typ-1-Diabetiker in einem ersten Studienabschnitt doppelblind Insulin glargin oder NPH-Insulin. Im zweiten Teil wurde denselben Patienten entweder Ultralente-Insulin oder eine kontinuierliche Infusion von Insulin lispro (continous subcutaneous insulin infusion, CSII) gegeben. Beim Vergleich von Pharmakokinetik und Pharmakodynamik dieser vier Therapiemöglichkeiten lag die Wirkdauer von Insulin glargin (22 ± 4 h) im Bereich von Ultralente (20 ± 6 h), und war deutlich länger als bei NPH (14 ± 3 h). Sowohl NPH als auch Ultralente Insulin verursachten Peaks im Konzentrationsprofil sowie bei der Wirkung, während Insulin glargin mit seinem flachen Konzentrations-Wirkungs-Profil die kontinuierliche Infusion am besten nachahmte. Bezüglich der interindividuellen Variabilität, berechnet als Differenzen der Standardabweichungen der Plasmainsulin-Konzentrationen und der Glukose-Infusions-Raten war Insulin glargin besser als die langwirksamen Insuline in einem vergleichbaren Rahmen mit CSII (19).
Eine lange Wirkdauer führte nicht zu einer Akkumulation der Wirkung bei einer Multiple-dose-Studie mit Typ-1-Diabetikern (10).
Arzneimittelprofil
Insulin Aspart ist als Wirkstoff enthalten in NovoRapid® 100 E/ml Injektionslösung in Durchstichflaschen, in NovoRapid® Penfill® 100 E/ml Injektionslösung in Zylinderampullen sowie in NovoRapid® Novolet® 100 E/ml Injektionslösung in Fertigspritzen. Eine Einheit NovoRapid® entspricht 6 nmol Insulin Aspart. Pharmazeutischer Unternehmer ist Novo Nordisk A/S, Dänemark.
Hilfsstoffe sind Glycerol, Phenol, m-Cresol, Zinkchlorid, Natriummonohydrogenphosphat-Dihydrat, Natriumchlorid, Salzsäure/Natriumhydroxid, Wasser für Injektionszwecke. Die Durchstichflaschen sind für den Gebrauch von Insulinspritzen, die Penfill-Zylinderampulle für die Verwendung zusammen mit dem Insulininjektionssystem von Novo Nordisk und NovoFine-Kanülen, und die NovoLet-Fertigspritze zum Gebrauch mit NovoFine-Kanülen bestimmt (6).
Insulin glargin ist der arzneilich wirksame Bestandteil der Fertigarzneimittel Lantus® und Lantus® 100 I.E./ml OptiSet der Firma Aventis Pharma Deutschland GmbH, Frankfurt am Main. Ein ml der Injektionslösung enthält 3,64 mg des arzneilich wirksamen Bestandteils Insulin glargin, entsprechend 100 I.E. Humaninsulin. Eine Patrone enthält 3 ml, entsprechend 300 I.E.
Verwendete Hilfsstoffe sind Zinkchlorid, m-Cresol, Glycerol, Salzsäure, Natriumhydroxid und Wasser für Injektionszwecke (4).
Wertende Zusammenfassung
Schnellwirkende Insulin-Analoga wurden mit dem Ziel einer verbesserten Insulinsubstitution entwickelt, um so die physiologischen Blutzuckerspiegel besser zu imitieren. Während Insulin Lispro (Humalog®) gegenüber Humaninsulin eine größere Affinität zum IGF-1-Rezeptor hat (20), scheint dies beim Insulin Aspart nicht der Fall zu sein.
Der Vorteil der Applikation unmittelbar vor der Mahlzeit ist für einige Diabetologen eher von theoretischer Natur, da auch Humaninsulin in der täglichen Praxis meist zum Essen angewendet wird. Zum Teil wird ein fixer Spritz-Ess-Abstand als überholt angesehen, weil Parameter wie die Zusammensetzung der jeweiligen Mahlzeit sowie präprandiale Blutzuckerspiegel eine individuellere Handhabung bedingen (21, 22). Die Frage, ob eine Reduktion postprandialer hyperglykämischer Phasen positive Auswirkungen auf Mortalität oder auf diabetische Folgeschäden hat, ist derzeit nicht geklärt und wird aller Voraussicht nach auch schwer zu beweisen sein (10, 23).
Insulin glargin ist ein langwirkendes Insulin-Analogon, das einmal täglich verabreicht, die basale Insulinsekretion ersetzen soll. Einen Vorteil stellt die gleichmäßige Wirkung ohne Peaks mit einer Wirkdauer über 24 Stunden dar. Die verlängerte Absorptionsdauer bietet aber auch Kritikern einen Ansatzpunkt bezüglich verminderter Steuerung der Therapie. Bei ausgeprägter körperlicher Aktivität, die einen geringeren Bedarf an Insulin bedeutet, müsste die Dosis schon einen Tag vorher angepasst werden (22, 24).
Als wichtiger Parameter bei der Beurteilung von Antidiabetika und Insulinen gilt das HbA1C. Unter Insulin Aspart konnte in drei Studien eine Verbesserung des HbA1C um 0,12 bis 0,16 Prozent gegenüber Normalinsulin gezeigt werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass höhere Dosen NPH-Insulin im Rahmen der intensivierten Insulintherapie mit Aspart gegeben wurden, da durch die kürzere Wirkdauer mehr Verzögerungsinsulin zur Deckung des basalen Bedarfs benötigt wird. Nach statistischer Korrektur ist der Unterschied im HbA1C immer noch signifikant. Bei Insulin glargin ist die Datenlage noch begrenzt - Verbesserungen konnten in einer Studie gezeigt werden. Die Erwartungen an die beiden Substanzen waren höher als die nun in klinischen Studien gezeigten Vorteile (10).
Der Sicherheitsaspekt der Insulinanaloga ist noch nicht abschließend geklärt. Bei der der ersten Testsubstanz B10Asp (an Position 10 der B-Kette Austausch von Histidin durch Asparaginsäure), wurde bei toxikologischen Studien an Ratten bei Gaben hoher Mengen über ein Jahr vermehrt die Bildung von Mamma-Tumoren beobachtet. Als Ursache wird die massiv erhöhte Affinität zum IGF-1-Rezeptor sowie eine verlängerte Bindung am Insulinrezeptor diskutiert. Im Vergleich dazu sind die Affinitäten von Insulin Aspart und Insulin glargin zum IGF-1-Rezeptor mit Insulin in einem ähnlichen Rahmen (Aspart: 81 Prozent, Glargin: 156 Prozent) (10). Auch bei der Dissoziation sind die Daten vergleichbar. In Osteosarkomzellen, die eine hohe Anzahl an IGF-1-Rezeptoren exprimieren, wurde eine erhöhte mitogene Potenz von Insulin glargin beschrieben (11). In früheren Studien war bei erhöhter Bindung vergleichbares Wachstum beobachtet worden. Die Anzahl der jeweiligen Rezeptoren scheint einen großen Einfluss zu haben. Ein Einfluss von IGF-1 auf die Entstehung einer diabetischen Retinopathie wird diskutiert. Die klinische Relevanz aus diesen Ergebnissen ist derzeit noch unklar. Bisherige toxikologische Studien haben keinen karzinogenen Effekt gezeigt.
Eine Phase-IV-Studie, die auf Grund Verschlechterungen einer diabetischen Retinopathie bei Typ-2-Diabetikern in einer früheren Untersuchung auf Aufforderung der FDA initiiert wurde, soll nun untersuchen, ob Glargin eine Progression der diabetischen Retinopathie auslösen kann. Ergebnisse sind 2004 zu erwarten (10).
Die europäische Zulassungsbehörde EMEA hat im April 2000 eine unzureichende Erforschung der Sicherheit von Insulinanaloga angemahnt und versucht nun Klarheit in den zum Teil widersprüchlichen Untersuchungsergebnisse zu bringen (22, 24).
Abzuwarten bleibt, wie sich die langfristige Anwendung sowohl von Insulin Aspart als auch von Insulin glargin in Hinsicht der Folgeschäden und Spätkomplikationen des Diabetes, aber auch in Bezug auf die Verträglichkeit, auswirkt.
Literatur
Verantwortlich:
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