Pharmazie

Für Patienten muß sichergestellt werden, daß die Medikamente, die sie
einnehmen, so sicher und wirksam wie möglich sind. Bedenken über die
Sicherheit eines Arzneimittels müssen entdeckt und beurteilt werden. Dabei
spielen Spontanberichte über unerwünschte Wirkungen eine wichtige Rolle.
Das Dilemma bei Spontanberichten ist, daß möglichst alle (schwerwiegenden)
Verdachtsfälle von unerwünschten Wirkungen erfaßt werden müssen, um nicht eine
eventuell bedeutsame Nebenwirkung zu übersehen. Dies vergrößert zwangsläufig die
Anzahl an Verdachtsfällen, die letztlich nicht ursächlich mit einer Arzneimittelwirkung
zusammenhängen. Tatsächlich sind die Archive von Behörden und Pharmaindustrie
überfüllt mit Berichten über Assoziationen zwischen Arzneimitteln und
unerwünschten Symptomen, die nur von geringem Wert sind, neue Signale für
tatsächliche unerwünschte Wirkungen zu generieren. Trotzdem gibt es keinen Ersatz
für Spontanberichte, um frühe Hinweise auf Probleme mit Arzneimitteln zu gewinnen.
Großbritannien nimmt mit 35 weiteren Ländern an einem WHO-Programm zur
internationalen Pharmakovigilanz teil, das neben Berichten von Ärzten, Zahnärzten
und Leichenbeschauern auch Spontanberichte von Apothekern akzeptiert. Das Land
zählt bereits zu den acht Ländern mit der höchsten Rate an Spontanberichten,
nämlich mehr als 200 pro 1 Million Einwohner. Hierbei ist eine relativ höhere
Dunkelziffer von nicht berichteten Verdachtsfällen aus Krankenhäusern zu
verzeichnen als im ambulanten Bereich.
In einem Pilotprojekt wurde das britische "Yellow-Card"-System der
Überwachungsbehörde um Angaben zum behandelnden Arzt und zum berichtenden
Apotheker erweitert, wenn Krankenhausapotheker in einer zweijährigen
Studienphase Verdachtsfälle von unerwünschten Wirkungen erfaßten und
untersuchten. Ein Bericht wurde erst nach Zustimmung des behandelnden Arztes und
gegebenenfalls Ergänzung zu wichtigen medizinischen Informationen (beispielsweise
zu Basiserkrankungen) eingereicht.
Während der Pilotphase betrafen 72 Prozent der Berichte von
Krankenhausapothekern ernsthafte unerwünschte Wirkungen in Zusammenhang mit
einer Arzneimittelanwendung, 14 Prozent der Berichte bezogen sich auf neue
Arzneimittel. Die Prozentsätze für berichtende Ärzte lagen bei 48 Prozent
beziehungsweise 22 Prozent. Zu 84 Prozent waren die Berichte vollständig, und
auch hinsichtlich der Einstufung eines kausalen Zusammenhanges war die Qualität
der Berichte zwischen ärztlichem Personal und Apothekern vergleichbar. Während
der Pilotphase unter Beteiligung der Apotheker stieg die Anzahl der Spontanberichte
insgesamt um 45 Prozent, die der Berichte über schwerwiegende Reaktionen gar um
54 Prozent.
Die direkte Erfassung über spontane Verdachtsfälle zu unerwünschten
Arzneimittelwirkungen durch britische Krankenhausapotheker hat den Wert des
"Yellow-Card"-Systems und der Pharmakovigilanz in England erhöht. Eine
Fragebogenaktion unter den beteiligten Apothekern und Ärzten nach der Pilotphase
ergab, daß mehr als 95 Prozent der beteiligten Ärzte in der Vorgehensweise der
Berichterstattung durch Apotheker keine Probleme sahen und eine Fortsetzung des
Programms befürworteten.
PZ-Artikel von Sabine H. Bodem, Karlstein



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