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Bevacizumab und Ciclesonid

28.02.2005  00:00 Uhr

Neu auf dem Markt

Bevacizumab und Ciclesonid

von Kerstin A. Gräfe, Eschborn

Im Januar sind zwei neue Arzneistoffe auf den Markt gekommen. Mit dem Angiogenesehemmer Bevacizumab steht eine neues Therapieprinzip zur Behandlung von Darmkrebs zur Verfügung. Das Glucocorticoid Ciclesonid bei Asthma ist ein Prodrug und muss auf Grund seiner Depotwirkung nur einmal täglich inhaliert werden.

Bevacizumab

Seit dem 12. Januar ist der monoklonale Antikörper Bevacizumab (Avastin®, Hoffman-La Roche) in Kombination mit einer intravenösen Chemotherapie zur Erstlinienbehandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Dickdarm- und Enddarmkrebs zugelassen. Er kann in Kombination mit 5-Fluorouracil/Folinsäure (5-FU/FS) oder 5-FU/FS/Irinotecan verabreicht werden.

Mit Bevacizumab wird ein innovatives Wirkprinzip, die Antiangiogenese, in die Tumortherapie eingeführt. Der Antikörper richtet sich gezielt gegen den Wachstumsfaktor VEGF (vascular endothelial growth factor), der vom Tumor produziert wird und eine Schlüsselrolle bei der Angiogenese einnimmt. Bevacizumab bindet an den Wachstumsfaktor und verhindert so sein Andocken an den VEGF-Rezeptor auf Endothelzellen benachbarter Blutgefäße. Der Tumor wird nicht vaskularisiert und bereits entwickelte Gefäße bilden sich zurück ­ Tumorwachstum und Metastasierung werden so gehemmt.

Die Zulassung beruht auf zwei Studien. Mit der randomisierten doppelblinden placebokontrollierten Phase-III-Studie HURWITZ (Hurwitz, H., et al., N Engl J Med 350 (2004) 2335-2342) wurde erstmals bewiesen, dass die Angiogenese-Hemmung eine wirksame Tumortherapie darstellt. In der Untersuchung erhielten 813 Patienten mit nicht vorbehandeltem metastasierten kolorektalen Karzinom zusätzlich zur First-line-Therapie mit 5-FU, Leukovorin (LV) und Irinotecan (IFL-Schema) entweder Bevacizumab (5 mg/kg Körpergewicht alle zwei Wochen) oder Placebo. Die wichtigsten Ergebnisse: Das Gesamtüberleben, der primäre Studienendpunkt, konnte unter der Verum-Therapie um 4,7 Monate von 15,6 auf 20,3 Monate signifikant verlängert werden. Das progressionsfreie Überleben verbesserte sich mit der Antikörper-Gabe hochsignifikant von 6,2 auf 10,6 Monate, was einer Steigerung von 71 Prozent entspricht. Das Gesamtansprechen lag bei 45 Prozent im Vergleich zu 35 Prozent im Kontrollarm.

Der Überlebensvorteil von fünf Monaten blieb auch erhalten für Patienten, die nach der Verum-Behandlung in der Zulassungsstudie eine Oxaliplatin-haltige Second-line-Therapie erhielten. Diese Patienten erreichten eine mediane Gesamtüberlebenszeit von 25,1 Monaten. Bislang betrug die durchschnittliche Überlebenszeit 12 Monate.

In der zweiten Zulassungsstudie wurde der Antikörper bei Patienten mit metastasiertem kolorektalen Karzinom untersucht, bei denen die First-line-Therapie mit Irinotecan kontraindiziert war (Kabbinavar, F. F., et al., Proc Am Soc Clin Oncol 23 (2004) 249 Abstract 3516). In dieser randomisierten placebokontrollierten Phase-II-Studie mit 209 Patienten wurde Bevacizumab mit 5-FU/LV (Roswell-Park-Regime) kombiniert. Das progressionsfreie Überleben unter 5-FU/LV plus Bevacizumab war mit 9,2 Monaten im Vergleich zu 5,5 Monaten im 5-FU/LV-Arm signifikant länger. Patienten mit zusätzlicher Antikörper-Gabe lebten 16,6 Monate verglichen mit 12,9 Monaten im 5-FU/LV-Arm.

Bevacizumab zeichnet sich durch eine gute Verträglichkeit aus. Bis auf eine mit oralen Antihypertensiva gut beherrschbare arterielle Hypertonie unterschied sich das Nebenwirkungsprofil der Kombination mit dem monoklonalen Antikörper nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Von Vorteil ist, dass es unter dem Antikörper weder zu Knochenmarksschädigungen kommt noch Übelkeit, Erbrechen oder Haarausfall auftreten. Bei 1,5 Prozent der Patienten kam es in der 5-FU/LV/Irinotecan/Bevacizumab-Gruppe zu gastrointestinalen Perforationen.

Derzeit wird der Antikörper auch in der adjuvanten Situation und beim nicht kleinzelligen Lungenkrebs, Pankreas- und Nierenzellkarzinom untersucht.

Ciclesonid

Ebenfalls seit dem 12. Januar ist das inhalative Glucocorticoid Ciclesonid (Alvesco® 80 und 160 µg, Altana) zur Behandlung des persistierenden Asthmas bei Erwachsenen zugelassen. Es wird mittels Hydrofluoralkan-Dosieraerosol als Lösung appliziert. Die empfohlene Anfangsdosierung beträgt täglich 160 mg, wobei der Arzneistoff vorzugsweise abends inhaliert werden sollte.

Ciclesonid ist ein Prodrug, das oral kaum bioverfügbar ist (<1 Prozent). Nach der Inhalation spalten Esterasen in der Lunge die Esterbindung am Kohlenstoff C-17 des Steroidgrundgerüsts (On-site-Aktivierung). Der Hauptmetabolit Desisobutyryl-Ciclesonid ähnelt in seiner Struktur stark dem Budesonid und hat eine 100fach höhere Affinität zum Glucocorticoidrezeptor als seine Muttersubstanz. Mehr als die Hälfte der inhalierten Dosis (55 Prozent) erreicht den bronchoalveolären Raum und verteilt sich in den großen und kleinen Atemwegen. Nur 34 Prozent lagert sich im Mund-Rachen-Raum ab, wird dort aber nicht oder kaum aktiviert. In der Lunge bindet der aktive Metabolit intrazellulär an Glucocorticoidrezeptoren oder bildet Lipidkonjugate, die wie ein Depot wirken. Aus diesem Reservoir kann der aktive Metabolit langsam freigesetzt werden, womit die einmal tägliche Gabe ermöglicht wird. Nach dem Abtransport wird die Substanz hauptsächlich über CYP3A4 zu hydroxylierten inaktiven Metaboliten verstoffwechselt.

Im Blut ist Ciclesonid zu 99 Prozent an Plasmaeiweiße gebunden. Damit liegt die orale Bioverfügbarkeit des freien Ciclesonid bei etwa 1 Prozent, was Einflüsse auf systemische Glucocorticoidrezeptoren sehr klein hält. Die circadiane Rhythmik des Serumcortisol-Spiegels wird durch Inhalation von 800 µg Ciclesonid nicht signifikant beeinflusst. Die Substanz wird fast vollständig (67 Prozent) mit den Fäzes ausgeschieden.

Die Zulassung beruht unter anderem auf zwei Phase-III-Studien, in denen Ciclesonid mit Budesonid beziehungsweise Fluticasonpropionat verglichen wurde. 399 Patienten mit persistierendem Asthma inhalierten zwölf Wochen lang einmal täglich abends entweder 320 mg Ciclesonid oder 400 mg Budesonid. In beiden Gruppen verbesserte sich die Lungenfunktion, wobei Ciclesonid hinsichtlich der Besserung des forcierten Exspirationsvolumen in der ersten Sekunde (FEV1) signifikant überlegen war. Symptome und Gebrauch einer Bedarfsmedikation nahmen in beiden Gruppen in vergleichbarem Ausmaß ab. Weiterhin wurde die gleiche Medikation bei morgendlicher Gabe untersucht. Auch hier besserte sich in beiden Gruppen die Lungenfunktion, wobei sich allerdings ein Trend zu einer geringeren FEV1-Abnahme unter Ciclesonid zeigte, der aber nicht signifikant war. Bezüglich der forcierten Vitalkapazität (FVC) war Ciclesonid jedoch Budesonid überlegen.

In der zweiten Phase-III-Studie wurde die Gabe von Ciclesonid mit Fluticasonpropionat verglichen. 529 Patienten erhielten entweder zwölf Wochen lang täglich einmal abends 160 mg Ciclesonid oder zweimal täglich morgens und abends 88 µg Fluticason. Die Ergebnisse zeigten, dass Ciclesonid hinsichtlich der Verbesserung der Lungenfunktion, der Abnahme der Asthmasymptome und der Einnahme von Notfallmedikamenten Fluticason ebenbürtig ist.

Als häufigste Nebenwirkungen gelten Infektionen der oberen Atemwege sowie Asthma- und Bronchitis-Symptome. Das Auftreten von Mundsoor, Heiserkeit und Pharyngitiden war unter Ciclesonid niedriger als unter Fluticason. Top

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