Pharmazie

Die Bedürfnisse eines Krebspatienten sind aus repräsentativen
Umfragen gut bekannt. Müdigkeit und Schwäche rangieren vielfach an
erster Stelle und sind oft ebenso schwer zu behandeln wie eine Atemnot.
Dagegen sind heute Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen relativ gut
behandelbar. Die Einführung der 5-HT3-(Serotonin)-Rezeptorantagonisten
brachte deutliche Fortschritte in der antiemetischen Therapie.
Standardempfehlungen für die Antiemese, die bei einer internationalen
Consensus-Konferenz im April in Perugia erarbeitet wurden, stellte Privatdozent Dr.
Andreas du Bois, Karlsruhe, bei einem Fachpresseseminar von Glaxo Wellcome
Ende letzten Jahres in München vor.
Als Goldstandard der antiemetischen Therapie am Tag einer Chemotherapie gilt die
Kombination eines 5-HT
3-Antagonisten (Setron) mit einem Corticosteroid. Die
Kombination ist laut du Bois wirksamer als Corticoid plus Metoclopramid. Die
Setron-Corticoid-Primärprophylaxe ist indiziert bei allen moderat bis
hochemetogenen Therapieregimen. Dazu zählen alle platinhaltigen Regimes sowie
Kombinationen mit Anthracyclinen und intravenösem Cyclophosphamid. Eine
Setron-Monotherapie sei hier nicht mehr gerechtfertigt.
Die Kombination hilft etwa 75 Prozent der Patienten mit hochemetogener und etwa
90 Prozent der Patienten mit moderat emetogener Therapie. Ziel ist immer die
komplette Unterdrückung des Erbrechens. An den Folgetagen sind Corticosteroide,
eventuell kombiniert mit Metoclopramid, die Therapie der Wahl. Am besten
untersucht ist Dexamethason.
Eine Mehrtagestherapie mit 5-HT
3-Antagonisten sowie eine zu geringe oder zu hohe
Dosierung verteuern in der Regel unnötig die Therapie, warnte der Arzt. Gleiches
gilt, wenn Setrone anstatt prophylaktisch - erst zur Therapie des Erbrechens
eingesetzt werden.
Erster Vertreter der 5-HT
3-Antagonisten in Deutschland war 1991 Ondansetron
(Zofran®). Tropisetron (Navoban®) folgte 1994, ein Jahr später Granisetron
(Kevatril®). Seit kurzem ist auch Dolasetron (Anemet®) zugelassen. Alle
Wirkstoffe werden zur Verhütung und Behandlung des Zytostatika-induzierten
Erbrechens eingesetzt. Dolasetron ist ferner indiziert zur Prophylaxe und Therapie
des postoperativen Erbrechens. In den USA hat auch Ondansetron diese Indikation.
Die vier Arzneistoffe haben vergleichbare Wirksamkeit bei unterschiedlichen
Dosierungen. Sie sollten grundsätzlich als Einmalgabe, kombiniert mit einem Steroid,
vor der Chemotherapie gegeben werden. Als ausreichend bezeichnete du Bois bei
Ondansetron 8 mg, bei Granisetron 3 mg und für Tropisetron 5 mg (jeweils bei
intravenöser Gabe). Die perorale Gabe sei ebenfalls möglich. Von Dolasetron
werden prophylaktisch 100 mg intravenös oder 200 mg als Filmtablette gegeben.
Neue Galenik für Ondansetron
Weitere Fortschritte könnte eine neue Arzneiform für Ondansetron bieten, die auch
Patienten mit Schluckbeschwerden eine perorale Gabe ermöglicht. Der Arzneistoff
ist in ein sofortlösliches Plättchen eingearbeitet, das sich innerhalb von Sekunden im
Mund auflöst. Die konzentrierte Wirkstofflösung wird mit dem Speichel verschluckt;
eine buccale Resorption findet nicht oder kaum statt.
Substanz-P-Antagonisten
Doch die Setrone haben auch ihre Grenzen. Als "suboptimal" bezeichnete Professor
Dr. Hans-Joachim Schmoll, Halle-Wittenberg, ihre Wirkung bei verzögertem oder
bei opiatinduziertem Erbrechen sowie bei Kinetosen. In diese Lücken könnten
Neurokinin-(NK)1-Antagonisten stoßen. Neurokinine sind Peptide mit vielfältigen
biologischen Eigenschaften in verschiedenen Organsystemen. Der bekannteste Stoff
ist Substanz P, die in die Schmerzleitung eingreift, aber auch an Lernprozessen
beteiligt sein soll und die Motorik beim Tier beeinflußt. Man kennt heute drei
verschiedene Neurokinine-Typen.
Die aktuellen Schwerpunkte der Forschung mit NK-1-Antagonisten sind derzeit
Migräne, Schmerz und Emesis, für gemischte NK-1/NK-2-Antagonisten ist es
Asthma. In Tierversuchen waren peroral verfügbare, nicht-peptiderge
NK-1-Antagonisten wirksam beim strahleninduzierten Erbrechen (Frettchen), bei
akutem und verzögertem Erbrechen (Schwein) sowie bei Kinetosen und anderen
Stimuli, die auf 5-HT
3-Antagonisten wenig ansprechen.
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler, München



© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de