Dutasterid kurz vor der Zulassung |
30.12.2002 00:00 Uhr |
von Conny Becker, Eschborn
Dutasterid folgt Finasterid voraussichtlich ab Frühjahr 2003 zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie. Der dem Testosteron strukturell ähnliche Wirkstoff blockiert beide Unterformen des Enzyms 5a-Reduktase, wodurch die Konzentration von Dihydrotestosteron im Plasma stärker gesenkt wird als durch die Vorgängersubstanz.
Die benigne Prostatahyperplasie (BPH) gehört zu den typischen Erkrankungen alternder Männer. Die gutartige Wucherung der Prostata kann die Harnröhre verengen, was sich oft in Symptomen wie verstärktem Harndrang bei gleichzeitig abgeschwächtem Harnstrahl, häufigen Miktionen und Nykturie äußert.
Bei der Entwicklung einer BPH nimmt Dihydrotestosteron (DHT) eine Schlüsselfunktion ein. Es wird in der Prostata, der Leber und der Haut durch die 5a-Reduktase aus Testosteron gebildet und stellt dessen Wirkform dar. DHT bindet an den Androgenrezeptor, der unter anderem die Transkription von Wachstumsfaktoren induziert. Diese bewirken die Reifung, aber auch die Wucherung des Prostatagewebes.
Enzym mit zwei Isoformen
Das 4-Azasteroid Finasterid kam 1994 unter dem Namen Proscar® auf den deutschen Markt. Es hemmt die 5a-Reduktase und senkt so die DHT-Konzentration in der Prostata um 90 Prozent. Bei diesem Enzym sind zwei Isoformen bekannt, die auf zwei verschiedenen Chromosomen kodiert sind und lediglich eine Homologie von 50 Prozent sowie eine unterschiedliche Gewebeverteilung aufweisen.
Das Isoenzym 1 findet sich insbesondere in der Leber und auf der Kopfhaut und wirkt optimal bei einem alkalischen pH-Wert von 7,0 bis 8,0. Das Isoenzym 2 kommt vor allem in der Prostata, den Nebenhoden und Bläschendrüsen, aber auch in der Leber und der Kopfhaut vor. Es erzielt seine maximale Wirkung bei einem pH-Wert von 5,0 bis 6,0.
Finasterid hemmt nahezu selektiv die 5a-Reduktase vom Typ 2, Dutasterid dagegen beide Formen. Worin besteht der Vorteil gegenüber der selektiven Hemmung, die Nebenwirkungen möglichst gering halten soll und bei der Einführung von Finasterid gelobt wurde?
Dem Hersteller GlaxoSmithKline zufolge führt Dutasterid „zu einer wünschenswerten Reduktion des Serum-DTH-Spiegels um mehr als 90 Prozent“ – Finasterid senkt diesen um 70 Prozent. Dies allein muss jedoch noch keinen klinisch relevanten Vorteil bringen. Für die BPH scheint die Konzentration des Androgens im Prostatagewebe weitaus größeren Einfluss zu haben - und die senken sowohl Dutasterid als auch Finasterid um etwa 90 Prozent.
Keine relevanten Unterschiede
Die Wirksamkeit von Dutasterid belegen drei klinische Studien mit einer Dauer von zwei Jahren. Insgesamt nahmen 4325 Männern über 50 Jahre teil. Verglichen mit der vierjährigen PLESS-Studie zu Finasterid mit 3040 Männern lässt sich kein relevanter Unterschied bei den Resultaten feststellen. Das Prostatavolumen verringerte sich während der Finasterid-Therapie um etwa 30 Prozent, unter Dutasterid um 28,5 Prozent. Beide Arzneistoffe halbierten die Zahl akuter Harnverhalte sowie BPH-assoziierter Operationen gegenüber Placebo. Zur differenzierten Unterscheidung beider 5a-Reduktasehemmer ist ein direkter Vergleich im Rahmen einer Studie erforderlich, die aber noch aussteht.
Bezüglich der Wirksamkeit zeichnet sich noch kein Vorteil des dualen gegenüber dem selektiven 5a-Reduktasehemmer ab. Allerdings scheint die Wirkstärke von Dutasterid größer zu sein, da nur 0,5 mg pro Tag (Finasterid: 5 mg) die Wirkung erzielen – bei einem etwas höheren Molekulargewicht von Dutasterid.
Erektile Dysfunktion als Nebenwirkung trat unter Dutasterid bei 4 Prozent der Patienten und damit ebenso häufig wie unter Finasterid auf. Ferner wurde ein Rückgang der Libido beklagt. Da die 5a-Reduktasehemmer auf Grund der sperrigen Substituenten in der Seitenkette nicht an Androgenrezeptoren binden, scheint auch DHT für eine normale sexuelle Funktion notwendig zu sein.
Neue Einsatzgebiete
Seit 1999 können Männer zwischen 18 und 41 Jahren mit androgener Alopezie Finasterid einnehmen, denn auch bei der Glatzenbildung spielt Dihydrotestosteron eine Schlüsselrolle. Eine Zulassung für diese Indikation strebt die Firma GlaxoSmithKline nach eigenen Angaben vorerst nicht an, Studien zur Wirkung von Dutasterid bei Haarausfall liefen jedoch schon.
Der Einsatz von 5a-Reduktasehemmern zur Prävention und Therapie des Prostatakarzinoms wird aktuell diskutiert. DHT scheint auch bei der Progression der malignen Wucherung eine zentrale Funktion einzunehmen. Die drei Phase-III-Studien zu Dutasterid zeigten retrospektiv, dass Prostatakarzinome unter Dutasterid mit einer Häufigkeit von 1,1 Prozent signifikant seltener auftraten als unter Placebo (1,9 Prozent). Zurzeit läuft die so genannte PCPT-Studie zur Frage, ob Finasterid Prostatakrebs verhindern kann. Die Studie erstreckt sich über sieben Jahre und umfasst 18.000 Männer. Erste Ergebnisse werden für 2004 erwartet.
Fest steht, dass sowohl Finasterid als auch Dutasterid die Serumkonzentration des Prostata-spezifischen-Antigens (PSA) senken. Die Therapie mit einem 5a-Reduktasehemmer kann die Aussagekraft dieses Markers deutlich abschwächen und so die Diagnose maligner Tumoren erschweren.
Eine zusätzliche Indikation könnte Dutasterid deutlich von seinem Vorgänger abgrenzen. Es scheint, dass das Isoenzym 1 in der unbehaarten Haut, das Isoenzym 2 lediglich in der behaarten Kopfhaut vorkommt. Dihydrotestosteron führt in der Haut zur vermehrten Talgproduktion und damit zu Akne. Die lokale Applikation eines 5a-Reduktasehemmers, der auch den Typ 1 inhibiert, würde einen neuen Ansatz in der Aknetherapie darstellen. Studien mit Dutasterid bei Aknepatienten sind geplant, die Firma konzentriert sich jedoch derzeit auf den Einsatz zur Behandlung der BPH.
Dutasterid im Anerkennungsverfahren
Der duale 5a-Reduktasehemmer erhielt in den
USA im November 2001 die Zulassung zur Behandlung der BPH. Im Oktober 2002
erweiterte die FDA den Indikationsbereich. Jetzt kann Dutasterid auch
eingesetzt werden, um das Risiko für einen akuten Harnverhalt und für einen
operativen Eingriff zu reduzieren. Seit Dezember ist Dutasterid in der
Stärke 0,5 mg als Avodart®-Kapseln auf dem amerikanischen Markt
erhältlich. Nachdem es in Schweden unter dem Namen Avolve® im
Juli 2002 zugelassen wurde, wird die europaweite gegenseitige Anerkennung in
Kürze erwartet. Wie in den USA soll die Substanz unter dem Namen Avodart®
in den Handel kommen.
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