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Bosentan blockiert den stärksten Vasokonstriktor

10.12.2001  00:00 Uhr

Bosentan blockiert den stärksten Vasokonstriktor

von Stephanie Czajka, Berlin

Bosentan, der erste peroral verfügbare Endothelin-Rezeptor-Antagonist (ERA), ist am 20. November 2001 in den Vereinigten Staaten von Amerika zugelassen worden. Bosentan ist bei pulmonaler arterieller Hypertonie indiziert und wird unter dem Handelsnamen Tracleer® vertrieben. Der Arzneistoff kommt voraussichtlich Mitte nächsten Jahres auch in Europa auf den Markt, kann aber schon jetzt importiert werden. Die europäische Zulassungsbehörde EMEA stufte Bosentan als Orphan Drug ein. Dies ermöglicht dem Hersteller ein überdurchschnittlich schnelles Zulassungsverfahren. Ende November wurde Bosentan auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt.

Die pulmonale Hypertonie (PH) ist eine schwere und seltene Erkrankung. Sie häufig nach drei bis fünf Jahren tödlich. Kennzeichen der Erkrankung ist ein steigender Druck in den Blutgefäßen der Lunge. Die Gefäße sind stark verengt, nach und nach werden sie irreversibel zu Bindegewebe umgebaut (Remodelling). Die rechte Herzkammer muss verstärkt gegen diesen Widerstand anpumpen, so dass mit der Zeit ihre Kraft nachlässt (Rechtsherzinsuffizienz). Die meisten Patienten sterben an Herzversagen. Durch den gestörten Blutfluss in der Lunge verschlechtert sich zunächst dramatisch die Sauerstoffversorgung. Schon normales Gehen kann extrem anstrengend sein. Der Patient ist kurzatmig. Leichte körperliche Aktivität führt zu Atemnot, Brustschmerzen, Erschöpfung oder plötzlichen Ohnmachtsanfällen.

Es gibt verschiedene Formen einer pulmonalen Hypertonie (PH). Bosentan wurde zugelassen zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH). Diese wird in die primäre und sekundäre (assoziierte) Form unterschieden. Die primäre pulmonale Hypertonie (PPH) tritt meist sporadisch auf, in 6 Prozent der Fälle ist sie erblich bedingt. In Deutschland erkranken pro Jahr ungefähr 160 Menschen an PPH, insgesamt 500 sind betroffen. Besonders häufig trifft es Frauen zwischen dem zwanzigsten und vierzigsten Lebensjahr. Sekundäre PH ist bei uns noch häufiger, in Deutschland sind etwa 8000 Menschen erkrankt. Die sekundäre Form entsteht auf der Basis anderer Erkrankungen wie einer chronisch obstruktiven Bronchitis, einer HIV- oder Hepatitis-Infektion, angeborenen Herzfehlern oder Autoimmunerkrankungen wie Sklerodermie oder einem Lupus erythematodes. Auch Amphetamine, Appetitzügler oder Rapsöl können eine PAH auslösen.

Da die Symptome uncharakteristisch sind, wird eine PH häufig sehr spät erkannt. Atemnot ist im Frühstadium oft das einzige Warnzeichen. Zur Differentialdiagnose ist eine Echokardiographie (Ultraschall des Herzens) unerlässlich, sagte Dr. Marius Hoeper, Medizinische Hochschule Hannover. Die Patienten werden unspezifisch mit Sauerstoff, Diuretika und Antikoagulantien behandelt. Wie Hoeper berichtete, beeinflussen bei zehn Prozent der Patienten Calciumantagonisten Druck und Widerstand in der Lunge. Die übrigen Patienten erhalten Prostazyklin-Derivate. Sie wirken vasodilatierend, antiaggregatorisch, antiinflammatorisch und antiproliferativ. Epoprostenol wird seit 20 Jahren verwendet. Es wirkt vergleichsweise gut, hat aber den großen Nachteil, dass es über einen permanenten Zugang intravenös appliziert werden muss. Peroral verfügbar ist Beraprost, das schwächer wirkt. Trepostinil wird subcutan appliziert, es verursacht bei den Patienten oft unerträgliche Schmerzen an der Einstichstelle. Iloprost ist für Hoeper zur Zeit das Prostazyklin erster Wahl. Es wird sechs- bis neunmal täglich inhaliert. Therapeutische Optionen mit eher experimentellem Charakter sind die inhalative Gabe der vasodilatierenden Substanz Stickstoffmonoxid, der Einsatz von Sildenafil oder die Applikation der Kaliumkanal-Öffner Miconazol oder Levosimenan.

Sind alle Behandlungsmöglichkeiten erschöpft, kommen nur noch operative Maßnahmen in Betracht, im schlimmsten Fall eine Lungen- oder Herz-Lungen-Transplantation.

Das neue Medikament

Bosentan greift am Endothel in die Regulierung des Gefäßtonus ein. Es blockiert die Wirkung von Endothelin-1 (ET-1) durch Reaktion mit den Endothelin-Rezeptoren ETA und ETB. Die Effekte auf den ETB-Rezeptor seien allerdings von untergeordneter Bedeutung, sagte Dr. Martine Clozel, Leiterin des Bereiches präklinische Medikamentenentwicklung und stellvertretende Geschäftsführerin des Herstellers Actelion. Endothelin-1 gehört zu den stärksten bisher bekannten Vasokonstriktoren. Es verursacht eine lang anhaltende Kontraktion der Lungengefäße. Es fördert außerdem die Entstehung von Fibrosen und steuert Entzündungsprozesse, ist also auch am Umbau der Gefäße in Bindegewebe beteiligt. Endothelin wird nicht nur in der Lunge, sondern auch systemisch und am Herzen ausgeschüttet. ET-1 ähnelt in seiner Struktur Sarafotoxin, dem Gift einer Erdviper. Sarafotoxin führt durch massive Verengung der Herzgefäße schnell zum Tod, berichtete Clozel. Bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie korrelierte der Druck in den Lungenarterien mit der Höhe der ET-1-Spiegel.

Durch die Endothelinblockade senkt Bosentan den Druck in den Lungenarterien signifikant um 1,6 mm Hg und reduziert dadurch auch den Druck in der rechten Herzkammer. Unter Placebo stieg der Druck hingegen um 5,1 mm Hg an. Der Widerstand in den Lungengefäßen nahm unter Bosentan um 24 Prozent ab und unter Placebo um 20 Prozent zu. Die körperliche Leistungsfähigkeit der Patienten besserte sich deutlich. Dr. Ralf Ewert, Universität Greifswald berichtete von einer Studie an über 200 Probanden. Nach vier Monaten konnten sie in sechs Minuten 44 Meter weit gehen. Das entsprach einer Verbesserung um 20 Prozent im Vergleich zu Placebo.

Bosentan wird zweimal täglich in einer Dosis von 125 mg peroral gegeben. Initial wird für einige Wochen geringer dosiert. Die Bioverfügbarkeit liegt bei 50 Prozent. Der Arzneistoff wird zu 98 Prozent an Plasmaproteine gebunden. Die Halbwertzeit beträgt 5,4 Stunden. Bosentan wird über Cytochrom-P-450-Enzyme verstoffwechselt und über die Leber ausgeschieden. Wechselwirkungen mit Antikoagulantien wurden nicht beobachtet.

Die Studienpatienten vertrugen Bosentan gut. Allerdings erhöhten sich bei elf Prozent der Patienten die Leberwerte. Sie müssen daher monatlich kontrolliert werden. Patienten mit Lebererkrankungen dürfen Bosentan nicht einnehmen, sagte Ewert. Wegen des Risikos von Fehlbildungen ist Bosentan auch in der Schwangerschaft kontraindiziert.

Die Endothel-Firma

Actelion Pharmaceuticals heißt der in Allschwil bei Basel ansässige Hersteller von Bosentan. Das 1997 gegründete Unternehmen hat sich auf die Forschung am Endothel spezialisiert - einem Organ, das der stellvertretenden Geschäftsführerin Dr. Martine Clozel zufolge die Oberfläche von vier Tennisplätzen hat. Actelion entwickelt Medikamente gegen kardiovaskuläre Erkrankungen, aber auch gegen Malaria Alzheimer und Krebs. Tezosentan, ein weiterer Endothelin-Antagonist zur intravenösen Anwendung, befindet sich bereits in der klinischen Prüfung. Das Unternehmen beschäftigt in allen Niederlassungen weltweit über 200 Mitarbeiter und ist in der Schweiz am Neuen Markt SWX notiert. Top

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