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Tumortherapie (fast) ohne Nebenwirkungen

29.11.2004  00:00 Uhr

Supportivtherapie

Tumortherapie (fast) ohne Nebenwirkungen

von Sabine Schellerer, München

Ausgeklügelte Therapiemethoden halten Tumoren heute weitgehend in Schach. Im Zuge dessen gewinnt auch die Supportivtherapie zunehmend an Bedeutung. Durch eine konsequente Prophylaxe lassen sich viele Nebenwirkungen bereits im Voraus vermeiden oder aber gezielt behandeln und minimieren.

Während einer onkologischen Behandlung gilt es, lebensbedrohliche Infektionen infolge von Bakterien oder Pilzen abzuwehren. Gefährliche Keime machen Patienten und Ärzten besonders im Rahmen von bösartigen Tumoren oder Leukämien, aber auch bei einer Strahlen- oder Chemotherapie zu schaffen. Denn hier kann die Anzahl der neutrophilen Granulozyten unaufhaltsam schmelzen und am Ende weniger als 500 weiße Blutzellen pro Mikroliter Blut übrig bleiben. Dann haben Erreger wie Corynebakterien, grampositive Kokken, Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli, aber auch Candida- und Aspergilluskulturen und der Anaerobier Clostridium difficile ein leichtes Spiel. Seltener schlagen Salmonellen, Propionibakterien, Fusobakterien oder Mucor-Arten zu.

„Bei einer Neutropenie müssen wir rasch handeln“, mahnte Dr. Klaus-Friedrich Bodmann vom Städtischen Krankenhaus Hildesheim im Rahmen des 4. Fachpresseworkshops „Supportivtherapie in der Onkologie“ in München. „Besonders wenn die Temperatur ohne klinischen Fokus plötzlich ansteigt, dürfen wir keine Zeit verlieren.“ Einer sofortigen Blutabnahme muss sich umgehend eine antimikrobielle Therapie anschließen. „Jede Stunde, die wir zuwarten, gefährdet das Leben des Patienten“, so der Referent. Hier gab Professor Dr. Hans-Joachim Schmoll von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu bedenken, dass es unter Umständen ein tödlicher Kunstfehler sein könne, eine Therapie mit Antibiotika erst einzuleiten, wenn Fieber aufflammt. Vielmehr sollte sich der Anstieg von C-reaktivem Protein als neues Leitsymptom etablieren. Griffige Erregernachweise gelängen im Übrigen nur sehr selten, so Schmoll.

Niedrigrisikopatienten mit einer Neutropeniedauer von weniger als fünf Tagen, die gut hydriert sind, kein Zeichen von Sepsis oder Schock aufweisen und nicht unter ausgeprägten abdominellen Beschwerden leiden, erhalten initial dreimal 625 mg Amoxicillin in der fixen Kombination mit Clavulansäure als perorale Therapie. Stuft der Arzt das Risiko hoch ein, greift eine Monobehandlung mit Ceftazidim oder dem Pseudomonas-aktiven Cefepim, aber auch mit Imipenem oder Meropenem. Kontraindiziert ist Ertapenem, denn es richtet nichts gegen Pseudomonas aeruginosa aus. Aminoglycoside verlieren auf Grund ihrer Toxizität zunehmend an Bedeutung und müssen immer öfter der Kombination aus einem Fluorchinolon und einem Betalaktam-Antibiotikum weichen. Geht das Fieber trotz der Behandlung nicht zurück, schließt sich eine Medikation mit Fluconazol oder Caspofungin, aber auch mit Amphotericin B an.

Tückische Antimykose

Weil die meisten Antimykotika über ein breites Interaktionsspektrum verfügen, kommen sie mit einer Reihe von gängigen Therapeutika der onkologischen Praxis ins Gehege. Bei den Polyenen schlagen besonders pharmakodynamische Wechselwirkungen zu Buche und verstärken zum Beispiel die Nephrotoxizität von Aminoglykosiden, Cisplatin oder Cyclosporin A. Bei den Azolen stehen hingegen pharmakokinetische Interaktionen im Vordergrund. Weil Itraconazol, Fluconazol oder Voriconazol CYP-Enzyme, aber auch P-Glycoproteine hemmen, verändern sie die hepatische und präsystemische Elimination und damit die Konzentrationsverhältnisse vieler Arzneimittel im Organismus. So dürfen Astemizol, Cisaprid, aber auch Pimozid oder Chinidin generell nicht mit Azolen gemeinsam verabreicht werden. Vorsicht ist geboten bei allen ZNS-wirksamen Medikamenten, die hepatisch metabolisiert werden oder bei Arzneien, die sich durch ihre geringe therapeutische Breite auszeichnen. Wie tückisch sich die medikamentöse Behandlung schwerer Pilzinfektionen unter Umständen gestalten kann, erläuterte Professor Dr. Ralf Stahlmann vom Institut für klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité, Berlin, an Hand einer jüngst veröffentlichten Kasuistik: Hier war einer Asthmapatientin Itraconazol verordnet worden. Gegen ihr Atemleiden half der 70-Jährigen ein Budesonidspray. Trotz der vermeintlich rein lokalen Asthma-Medikation, entwickelte sich bei der Patientin im Zuge der Antimykose ein schweres Cushing-Syndrom mit gleichzeitiger Nebennierenrindeninsuffizienz.

Schmerzen und Übelkeit vermeiden

Sinnloserweise peinigen Schmerzen unterschiedlicher Genese auch heute noch viele Krebspatienten. „Völlig zu Unrecht müssen sich die Betroffenen tagaus, tagein mit der Qual herumschlagen. Dabei ließe ein effektives Schmerzmanagement die Patienten völlig schmerzfrei durchs Leben gehen“, sagte Dr. Thomas Nolte vom Schmerz- und Palliativzentrum aus Wiesbaden. Der Experte fordert, das veraltete WHO-Stufenschema, das Nichtopioidanalgetika als Maßnahme der Stufe eins gebraucht, zu modifizieren und zu erweitern. An den Platz der nicht steroidalen Analgetika sollten retardierte Opioide treten; die NSAR sollten ihren Platz lediglich als Rescue-Arzneien finden. Als besonders schlimm betitelte der Experte die Angst vor Opioiden, die nach wie vor durch die Köpfe von Ärzten und Patienten gleichermaßen geistert. „Diesen wertvollen Arzneien klebt ein Mythos an, den es schleunigst auszurotten gilt“, forderte Nolte. Streng ins Gericht ging der Palliativmediziner mit transdermalen Systemen zur Schmerzbekämpfung. Sie seien pharmakokinetisch kaum einschätzbar, so Nolte.

Viele Tumorpatienten müssen sich schwierigen Operationen unter Vollnarkose unterziehen. Doch besonders Frauen, Nichtraucher und Patienten, denen eine Reisekrankheit jede Schiffs- oder Autofahrt vergällt, leiden während der ersten 24 Stunden nach dem Eingriff unter quälender Übelkeit und Erbrechen. Auch der Gebrauch volatiler Anästhetika wie Halothan und Opioide zur Schmerzprophylaxe lassen das Risiko postoperativer Nausea und Vomesis (PONV) ansteigen. Damit nicht ein permanentes Unwohlsein die ersten Stunden nach dem Erwachen begleitet und ständiges Erbrechen einen ambulanten Patienten ins Krankenhaus treibt, kann der Arzt bereits prophylaktisch Droperidol, Dexamethason oder Odansetron, eventuell auch in Kombination, verabreichen. Zudem sollten Anästhesisten bei Risikopatienten auf inhalative Narkotika verzichten und ausschließlich auf das invasive Propofol zurückgreifen. „Studien deuten darauf hin, dass Maßnahmen zur Vermeidung einer postoperativen Emesis besonders effektiv greifen, wenn mehrere Risikofaktoren zusammentreffen“, erklärte Dr. Andreas Biedler von der Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin des Saarlandes. Top

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