Neue Hoffnung für depressive Patienten |
01.12.2003 00:00 Uhr |
Mit Duloxetin steht bald ein neues Antidepressivum zur Verfügung. In Studien konnten mit dem selektiven Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Remissionsraten von über 40 Prozent erzielt werden. Auch die Rückfallquote wird unter der Substanz geringer erwartet.
Dass dual wirksame Substanzen wie Clomipramin oder Venlafaxin in der Behandlung der psychischen und physischen Symptome einer Depression reinen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) überlegen sind, konnte bereits in klinischen Studien nachgewiesen werden. Nach der Markteinführung von Venlafaxin steht nun mit Duloxetin ein weiterer dual wirksamer SNRI kurz vor der Zulassung. Wie sein Vorgänger soll die Substanz die Wirksamkeit der klassischen Trizykla mit der Verträglichkeit der SSRI vereinen, sagte Dr. Dr. Michael Bauer von der Charité anlässlich einer Präsentation des von den Unternehmen Boehringer Ingelheim und Lilly gemeinsam entwickelten Wirkstoffs.
Duloxetin hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin und erhöht somit die extrazelluläre Konzentration der Botenstoffe im präfrontalen Cortex und Hypothalamus. Die Substanz binde dabei deutlich stärker und ausgeglichener als Venlafaxin an beide Transportertypen, so dass bereits in niedriger Dosierung serotonerge und noradrenerge Wiederaufnahme gehemmt werden, so Bauer. Darüber hinaus weise Duloxetin nur eine geringe Affinität zu weiteren Rezeptoren auf, was sich positiv auf die Rate unerwünschter Nebenwirkungen auswirkt. So wirke die Substanz zum Beispiel kaum sedierend.
Remissionsraten über 40 Prozent
In mehreren klinischen Studien bei Patienten mit unipolarer Depression zeigte sich Duloxetin gegenüber Placebo überlegen. Bereits in der zweiten Behandlungswoche bewirkte die tägliche Einnahme von 60 mg Duloxetin eine signifikant Reduktion des Punktwertes auf der Hamilton-Depressionsskala (HAMD). Eine Dosistitration sei für Duloxetin nicht notwendig, so Bauer. Die Remissionsraten lagen nach neun Wochen in der Verumgruppe bei über 40 Prozent gegenüber etwa 15 Prozent in der Placebogruppe.
Unerwünschte Wirkungen wie Übelkeit und Mundtrockenheit nahmen im Laufe der Therapie ab und führten nicht zu Therapieabbrüchen. Eine Erhöhung des Blutdrucks wie unter Venlafaxin wurde unter Duloxetin nicht beobachtet. Eine Gewichtszunahme der mit Duloxetin behandelten Patienten wurde nicht beobachtet.
Abkürzung Klasse Substanz SSRI selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Sertralin, Fluoxetin, Citalopram, Paroxetin NRI Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Reboxetin SNRI Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Venlafaxin, (Duloxetin) NaSSA Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva Mirtazapin DAS Dual-serotonerge Antidepressiva Nefazodon RIMA Reversible Monoaminoxidase-A-Inhibitoren Moclobemid
nach Möller, H. J., Müller, W., Rüther, E.: Moderne Antidepressiva, Georg-Thieme-Verlag Stuttgart-New York, 2002
Eine Auswertung der gepoolten Daten von insgesamt sechs klinischen Studien belegte darüber hinaus hinsichtlich Wirkeintritt und Remissionsrate eine Überlegenheit von Duloxetin gegenüber Paroxetin.
Eine Vergleichsstudie zur Wirkung von Duloxetin und Venlafaxin soll die Grundlage für eine direkte Gegenüberstellung der beiden Substanzen schaffen.
Lindert physische Symptome
Offenbar lindert Duloxetin nicht nur Depressionen, sondern auch damit verbundene physische Symptome. Sowohl Rückenschmerzen als auch das Schmerzempfinden insgesamt wurden unter Duloxetin deutlich günstiger beeinflusst als unter Placebo (Veränderung auf der Visuell Analogen Schmerzskala VAS). Dies ist offensichtlich von besonderer Bedeutung, da laut Bauer die Wahrscheinlichkeit, nach Beendigung einer depressiven Phase einen Rückfall zu erleiden, mit dem Auftreten verschiedener Restsymptome korreliert.
Leiden Patienten nach einer abgeschlossenen antidepressiven Therapie
noch unter körperlichen Befindensstörungen, beispielsweise
Rückenschmerzen, so beträgt das Risiko, innerhalb von sechs Monaten erneut
eine depressive Phase zu erleiden, über 75 Prozent. Bei Patienten ohne
Restsymptomatik liegt die Rückfallrate im gleichen Zeitraum demgegenüber
bei 20 Prozent. Wissenschaftler hoffen, in Zukunft durch verbesserte
Remissionsraten den psychosomatischen Teufelskreislauf der Depression zu
durchbrechen.
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