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Supportivtherapie für mehr Lebensqualität

02.12.2002  00:00 Uhr
Tumor

Supportivtherapie für mehr Lebensqualität

von Brigitte M. Gensthaler, München

Stahl, Strahl und Chemotherapie reichen nicht aus für eine erfolgreiche Krebstherapie. Oft hilft den Patienten nur eine gezielte Begleitbehandlung, um ihr Leben mit der Krankheit zu bewältigen.

Bisphosphonate senken wirksam eine Tumorhypercalcämie und lindern Knochenschmerzen; darüber hinaus können sie nach neueren Studien auch das Leben von Patienten verlängern. Damit haben sich die ursprünglichen Weichmacher in Waschmitteln einen festen Platz bei der Behandlung von Patienten mit Knochenmetastasen erobert.

Weniger Metastasen

Die verfügbaren Bisphosphonate sind bei entsprechender Dosierung gleich wirksam, sagte Professor Dr. Ingo Diehl vom Institut für gynäkologische Onkologie, Mannheim, bei einem Presseworkshop in München. Bei akutem Schmerz oder Knochenproblemen sollten sie intravenös, sonst peroral gegeben werden. In mehreren Studien konnten zum Beispiel Clodronat, Zoledronat, Ibandronat oder Pamidronat Skelettkomplikationen deutlich reduzieren und die Lebensqualität anheben.

In einer eigenen Studie erhielten 300 Mammakarzinom-Patientinnen, bei denen Krebszellen im Knochenmark nachgewiesen wurden, über zwei Jahre entweder täglich 1600 mg Clodronat oder Placebo, berichtete der Gynäkologe. Nach 36 Monaten Follow-up waren in der Verumgruppe signifikant weniger Fernmetastasen aufgetreten, und mehr Frauen überlebten.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine kürzlich veröffentlichte Studie mit mehr als 1000 Frauen, die an Brustkrebs ohne Metastasen litten (1). Zusätzlich zur Standardtherapie erhielten sie zwei Jahre lang täglich 1600 mg Clodronat oder Placebo. In dieser Zeit traten Knochenmetastasen unter Verum deutlich seltener auf; in der Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 5,5 Jahren schwand dieser Vorteil. Andere Metastasen waren tendenziell, aber nicht signifikant seltener. Insgesamt war die Mortalität in der Verumgruppe jedoch deutlich reduziert, „auch über acht bis neun Jahre Nachbeobachtung“, betonte Diel. Diarrhöen, Gastritis und Ösophagitis waren die häufigsten Nebenwirkungen.

Einmalgabe reicht oft zur Antiemese

Die Einmalgabe eines 5-HT3-Antagonisten am Tag der Chemotherapie reicht bei vielen Krebspatienten aus, um akutes Erbrechen zu beherrschen. Die verfügbaren Wirkstoffe sind dabei etwa gleich wirksam.

Drei Viertel der Patienten sind mit einmal täglich 8 mg Ondansetron (intravenös appliziert) ausreichend vor Übelkeit und Erbrechen geschützt, erklärte Privatdozent Dr. Torsten Haferlach vom Klinikum Großhadern in München. Je nach Therapieprotokoll kombiniert man mit Corticosteroiden, zum Beispiel 8 bis 24 mg Dexamethason. Rund die Hälfte aller Chemotherapien hält der Onkologe für hoch emetogen.

Abgesehen von der schnelleren Anflutung nach intravenöser Injektion sind bei peroraler Gabe nach etwa zwei Stunden vergleichbare Plasmakonzentrationen messbar. Jedoch korreliert die Wirksamkeit des Antiemetikums nicht streng mit der Plasmahalbwertszeit, sondern hält länger an, als die Serumspiegel vermuten lassen. Nur ein Viertel der Patienten benötige eine zusätzliche abendliche Dosis des 5-HT3-Antagonisten, berichtete Haferlach.

Mehr Schutz mit NK-1-Antagonisten

Schwieriger zu behandeln ist das verzögerte Erbrechen. Dies kann besonders nach einer Therapie mit Cis- und Carboplatin, Cyclophosphamid und Mitomycin C nach zwei bis fünf Tagen auftreten. Viele Ärzte nehmen dieses Problem nicht wahr, weil die Patienten nach einer ambulanten oder teilstationären Therapie dann zu Hause sind. Neurokinin-1-Antagonisten wie MK-869 in Kombination mit den bisherigen Therapien könnten hier Fortschritte bringen.

Haferlach stellte eine neue dreiarmige Doppelblindstudie mit 200 Krebspatienten unter Cisplatin-Therapie vor. Am ersten Tag erhielten sie 375 oder 125 mg MK-869 plus Dexamethason und Ondansetron. Die dritte Gruppe bekam nur diese beiden Medikamente. Vom zweiten bis fünften Tag erhielten die Patienten 250 oder 80 mg MK-869 plus Dexamethason und die dritte Gruppe nur dieses. Die höher dosierte Dreifachkombination bewahrte 65 bis 76 Prozent der Patienten, die niedriger dosierte Variante etwa 60 Prozent sechs Zyklen lang vor verzögerter Emesis, berichtete Haferlach. Die Standardtherapie schützte im ersten Zyklus noch die Hälfte, im letzten aber nur noch ein Drittel der Patienten. Mit der Markteinführung des ersten NK-1-Antagonisten sei frühestens Ende 2003 zu rechnen, hieß es.

Tumorlysesyndrom verhindern

Nicht nur der Tumor selbst, sondern auch sein rascher Zerfall durch spontane Lyse oder – häufiger – als Folge einer wirksamen Therapie können lebensbedrohend sein. Beim Zellzerfall gelangen intrazelluläre Stoffe in den Blutkreislauf und müssen eliminiert werden. Der rasche Anstieg, zum Beispiel von Kalium oder Harnsäure als Abbauprodukt von DNA und RNA, kann ein Tumorlysesyndrom auslösen, erklärte Professor Dr. Joachim Boos von der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie in Münster. Dies ist ein schweres Krankheitsbild mit hoher Sterblichkeit.

Hohe Kaliumspiegel wirken direkt toxisch am Herzen, während eine übermäßige Harnsäurekonzentration zum Nierenversagen führt. Sammelt sich zu viel Harnsäure an, kristallisiert sie in der Niere aus und stoppt die Urinausscheidung. Ein Teufelskreis beginnt.

Bislang war man primär auf hohe Flüssigkeitszufuhr, Alkalisieren des Harns und die Gabe von Allopurinol angewiesen. Mit dem gentechnisch gewonnenen Enzym Rasburicase, das speziell für Kinder und Jugendliche entwickelt wurde, steht seit letztem Jahr eine neue Option offen, berichtete Boos. Das Enzym, eine Uratoxidase, baut Harnsäure zum gut wasserlöslichen Allantoin ab, das renal eliminiert wird. Vorteil der teuren Innovation mit „Orphan-drug“-Status: Sie wirkt schnell, sowohl bei bereits erhöhten als auch bei noch normalen Harnsäurespiegeln.

Bei hoher Tumormasse, zum Beispiel Lymphomen und Leukämien, und einem zu erwartenden guten Ansprechen der Therapie wird das Enzym in der Münsteraner Klinik prophylaktisch eingesetzt. Boos riet, nicht zu lange damit zu warten. Innerhalb weniger Stunden könne die Harnsäure von 7 bis 8 auf 10 bis 20 mg/dl ansteigen. Haben sich erst Kristalle in der Niere gebildet, kann das Protein dort nicht mehr wirken. Bei Patienten mit Lymphomen konnte die Häufigkeit einer Dialyse durch die Rasburicase-Therapie halbiert werden, berichtete der Onkologe.

 

Literatur

  • Powles et al., J. Clin. Oncol. 20 (2002) 3219 – 3224.

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