Pharmazie
Rund fünf Prozent der in Deutschland verfügbaren Arzneimittel
schränken die Verkehrstüchtigkeit des Patienten ein. Jeder vierte Unfall ist
auf die Anwendung von Arzneimitteln zurückzuführen. Grund genug für die
ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, eine Aktion zur
Arzneimittelsicherheit im Straßenverkehr zu starten.
Am 22. Oktober gaben Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann und
ABDA-Präsident Hans-Günter Friese den Startschuß im Bonner
Verkehrsministerium. Seit dem 27. Oktober läuft die Aktion in den bundesweit
21.000 Apotheken. Wissmann, der Schirmherr der ABDA-Kampagne, dankte
während der Pressekonferenz den Apothekern für ihre Beratung zu diesem Thema.
"Aufklärung tut dringend not", so der Minister, denn nur rund 20 Prozent derjenigen,
die Medikamente einnehmen, wissen, daß manche Arzneimittel die Fahrtüchtigkeit
beeinträchtigen können.
Jeder ist gesetzlich verpflichtet, sich zu informieren
Trotz der Risiken des Arzneimittelgebrauchs im Straßenverkehr werde die
Bundesregierung die verordnete und bestimmungsgemäße Arzneimitteleinnahme
nicht in das vorgesehene Verbot von Drogen am Steuer mit aufnehmen. Auch der
Nichtgebrauch eines Medikaments könne schließlich bedeuten, daß ein Fahrer
fahruntüchtig ist. Außerdem, so Wissmann, ließen sich Medikamente nicht ohne
weiteres mit Alkohol und Drogen in Verbindung bringen. "Sie werden in der Regel
von Ärzten verordnet oder von Apothekern abgegeben, also von ausgebildeten
Fachleuten", erklärte der Minister. Er wies aber auch darauf hin, daß jeder, der
Medikamente einnimmt, gesetzlich dazu verpflichtet ist, sich über die mögliche
Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigket zu informieren. Dazu diene die öffentliche
Information ebenso wie die Packungsbeilage. Aber auch Arzt und Apotheke müßten
konkret und individuell aufklären.
Auch ABDA-Präsident Friese wies auf die Pflicht der Apothekerschaft hin, in
puncto Sicherheit von Arzneimitteln im Straßenverkehr, gemeinsam mit dem
Verkehrsministerium für Aufklärung zu sorgen. Ziel der Aktion sei es aber nicht zu
verunsichern. "Wichtig ist uns Apothekern vor allem, daß es generell nicht dazu
kommt, daß Patienten nur deshalb eine notwendige Arzneimitteltherapie unterlassen,
weil sie Auto fahren wollen." Daher lautet das Motto der Aktion "Stoppen Sie nicht
Ihr Medikament, sondern lieber Ihr Fahrzeug."
Fachbroschüre für Apotheker
Die ABDA stellt im Zuge der Kampagne umfangreiches Informationsmaterial zur
Verfügung. Neben Plakaten und Patientenbroschüren gibt es Aufkleber zur
Kennzeichnung solcher Medikamente, die die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen.
Für die Apotheker steht darüber hinaus eine umfassende Fachbroschüre, die sie in
ihrer Beratung unterstützt, zur Verfügung. Darin geht es neben dem rechtlichen
Aspekt besonders um das Gefahrenpotential einzelner Wirkstoffe und
Arzneimittelgruppen.
Zu den Arzneimitteln, die die Fahrtüchtigkeit des Patienten besonders stark
einschränken, gehören Opioide, Codein, trizyklische Antidepressiva und
Tranquilizer. Auch der Gebrauch von Aufputschmitteln vor oder während der
Teilnahme am Straßenverkehr ist problematisch, weil der Patient das eigene
Fahrvermögen falsch einschätzt, die Risikofreude erhöht ist und bei nachlassender
Wirkung mit einem plötzlichen Leistungsabfall zu rechnen ist.
Dr. Klaus-Wolfgang Herberg, Leiter von conTest, Zentrum für Psychometrie und
Klinische Prüfung des TÜV Rheinland, wies bei der Pressekonferenz im
Verkehrsministerium darauf hin, daß es in vielen Fällen Alternativen zu sedierenden
und die Leistungsfähigkeit einschränkenden Medikamenten gebe. Als Beispiel nannte
er Allergiemittel. Während Antihistaminika der ersten Generation müde machten,
würden die Antihistaminika der zweiten Generation nicht sedieren. Auch mit einer
Verlegung des Einnahmezeitpunktes lasse sich in vielen Fällen das Verkehrsrisiko
mindern. In einigen Fällen helfe es aber nur, den Wagen stehen zu lassen.
"Blauer Engel" für Arzneimittel
Herberg schlug vor, die Medikamente mit einem Symbol analog dem "Blauen Engel"
im Umweltschutz zu kennzeichnen, die sich als geeignet für Autofahrer erwiesen
haben, weil sie keine Beeinträchtigung der für die Verkehrssicherheit wichtigen
Leistungen erzeugen. Damit könne ein wirklich konstruktiver Beitrag zu mehr
Verkehrssicherheit geleistet werden, der eine sinnvolle Ergänzung des heutigen und
wohl auch in näherer Zukunft unverzichtbaren Systems der pauschalen
Standardwarnung darstelle.
PZ-Artikel von Monika Noll, Eschborn


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