Homöopathie in der Kinderheilkunde |
24.10.2005 00:00 Uhr |
Vor zehn Jahren starteten Ärzte das Projekt »Homöopathie in der Pädiatrie« am Dr.-von-Haunerschen-Kinderspital der Universität München. Inzwischen ist diese Heilmethode hier fest etabliert. Pro Jahr werden etwa 1000 Kinder begleitend homöopathisch behandelt. Besondere Schwerpunkte sind die Neonatologie, Chirurgie und Onkologie.
Vorrangiges Ziel des Projekts ist die Integration der Homöopathie in die Kinderklinik: Patienten können sich auf Wunsch begleitend zur konventionellen Medizin homöopathisch behandeln lassen. Zudem sollte die komplementäre Therapie wissenschaftlich überprüft werden, sagte die Kinderärztin und Projektleiterin Dr. Sigrid Kruse beim Internationalen Homöopathie-Symposium am Haunerschen-Kinderspital. Das Projekt wurde 1995 von der homöopathisch arbeitenden Kinderärztin Dr. Mira Dorcsi-Ulrich und ihrem Mann Professor Dr. Mathias Dorcsi initiiert wurde.
Der Einsatz der Homöopathika erfolgt immer auf Basis einer konventionellen medizinischen Diagnose und auf Anforderung durch den zuständigen Arzt. Oftmals geschehe dies auf Wunsch der betreuenden Krankenschwestern oder der Eltern. »Unser Ziel ist es, die bestmögliche Therapie für das einzelne Kind zu finden«, betonte Kruse. So stand auch ein Einzelfall am Beginn des Projekts. Einem Kind, das nach einer Lumbalpunktion an einem postpunktionellen Syndrom mit heftigen Rückenschmerzen litt, konnte mit einer Einmalgabe von Ledum C30 geholfen werden.
Die homöopathische Begleittherapie werde heute von allen Stationen und Spezialambulanzen für Kinder mit akuten und chronischen Krankheiten angefordert, hieß es bei der Fachtagung. Gute Ergebnisse wurden zum Beispiel erzielt bei Kindern mit Hirnblutungen, bei Drogenentzugssyndrom, Entwicklungsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS), Tics, Migräne, Wundheilungsstörungen, Asthma, Heuschnupfen und Neurodermitis.
Bei akuten Krankheiten, zum Beispiel in der Notfallambulanz, wird das passende Mittel anhand der Diagnose, den vollständigen Lokalsymptomen mit Modalitäten und Stimmung des Patienten sowie den »bewährten Indikationen« der Homöopathie ausgewählt. So könne Kindern mit postoperativem Harnverhalt mit einer Einmalgabe von Aconitum C30 oft geholfen werden. Setze der Harnfluss innerhalb weniger Stunden ein, erspare dies dem Kind einen Blasenkatheter.
Bei chronischen Erkrankungen wie Asthma, Mukoviszidose oder entzündlichen Darmerkrankungen ist eine ausführliche homöopathische Anamnese erforderlich, die den kleinen Patienten mit all seinen Beschwerden, Leiden, Ängsten und Sorgen ganzheitlich erfasst. Nach der körperlichen Untersuchung und eventuell weiterer Diagnostik erfolgt die individuelle Arzneimittelauswahl. Zur Dokumentation wird das Kind per Video gefilmt. Die homöopathische Begleitung werde vorrangig von Neonatologen, Kinderchirurgen und Onkologen angefordert, sagte Kruse.
Neugeborene, die auf Grund eines Drogenentzugsyndroms sehr unruhig sind, könne man oft mit Opium C30 oder C200 beruhigen. Allerdings wirke das Mittel nur ein- oder zweimal, dann müsse man das passende Folgemittel suchen. Ebenso werden Chamomilla und Nux vomica in dieser Indikation eingesetzt. Auch sehr schwere Störungen wie Hirnblutungen 3. Grades bei Neugeborenen können nach Erfahrung der Ärztin gebessert werden. Von 12 Kindern, die von 1998 bis 2003 rekrutiert und nachbeobachtet wurden, hatten vier im Alter von einem Jahr einen normalen Entwicklungsstand und vier nur milde Störungen. Von sieben Kindern einer allerdings retrospektiv erhobenen Vergleichsgruppe, die keine Homöopathika erhalten hatten, hatte sich keines normal entwickelt. Eine placebokontrollierte Vergleichsstudie wäre zwar aufschlussreich, bei diesem folgenschweren Krankheitsbild ethisch aber nicht mehr zu vertreten, räumte die Kinderärztin ein.
In der Kinderchirurgie wird die Homöopathie häufig zur peri- oder postoperativen Begleitung der Kinder angefordert. Arnica, Aconitum (bei Folgen von Schreck, Angst oder Panik) oder Colocynthis (vor allem bei Bauch- und Blaseneingriffen) würden als C30 eingesetzt. Bei Phimose-Operationen sowie Eingriffen im Leisten- und Hodenbereich sei oft Staphisagria das richtige Mittel.
In der pädiatrischen Onkologie geht es darum, Nebenwirkungen vorzubeugen, Aggressionen und Ängste zu vermindern und die Lebensqualität zu verbessern. Zum Beispiel könne Nux vomica Übelkeit und Erbrechen nach einer Chemotherapie mildern und Calendula eine Mukositis infolge einer Methotrexat-Gabe bessern. Diese Begleittherapie sei inzwischen so gut etabliert, dass eine doppelblinde Studie zum Einsatz von Homöopathika bei Mukositis in der haunerschen Kinderklinik kaum mehr möglich ist, sagte Kruse.
Auch wenn keine großen Studien vorliegen: Immer mehr Eltern wünschten eine
homöopathische Begleitung. Kruse plädierte für eine Ausweitung der Kooperation
mit anderen Kliniken und mehr Studien zur Homöopathie, um überzeugende Daten
zum Einsatz der Homöopathie zu gewinnen. Derzeit bestünden Kontakte mit Ärzten
in ganz Deutschland, die auch telefonisch den Rat der Homöopathie-Experten vom
Haunerschen-Kinderspital einholen.
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