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Eradikationstherapie wird kaum angewandt

06.09.1999  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag

HELICOBACTER PYLORI

Eradikationstherapie wird
kaum angewandt

von Elke Wolf, Wiesbaden

Die Tripletherapie mit einem Protonenpumpenblocker und zwei Antibiotika gilt als Therapie der Wahl, um dem Erreger Helicobacter pylori (H. p.) den Garaus zu machen. Konsequent durchgeführt könnten so H.p.-bedingte Komplikationen und Folgeerkrankungen wie Gastritis, Magengeschwüre oder -krebs erheblich reduziert werden. Zudem ist die Dreierkombination auf lange Sicht wesentlich kostengünstiger. Eigentlich sollten diese Fakten die Ärzteschaft überzeugen - aber weit gefehlt. Eine repräsentative Untersuchung zum Verordnungsverhalten in deutschen Praxen in Sachen Eradikationstherapie zeichnet ein erschreckendes Bild.

70 bis 90 Prozent der duodenalen Ulcera, 70 bis 80 Prozent der gastralen Ulcera und 80 bis 90 Prozent der Gastritiden sind mit H. p. assoziiert. Doch trotz wissenschaftlich anerkannter Diagnoseverfahren und standardisierter, gut verträglicher Therapieoptionen mit einer Reinfektionsrate unter 1 Prozent werden die meisten der betroffen Patienten nach wie vor nicht oder nur unzureichend behandelt. Das hat eine Analyse des Verordnungsverhaltens von 364 deutschen Praktikern und Internisten ergeben, die das Institut IMS Health, Frankfurt, im Auftrag des Unternehmens Abbott, von 1995 bis 1998 vornahm. Es wurden 1,3 Millionen Patienten und 16,3 Millionen Verordnungen unter die Lupe genommen.

Nur 9 Prozent der Patienten, die wegen eines Ulcus ventriculi behandelt werden, und 15 Prozent der wegen eines Ulcus duodeni Therapierten erhalten eine Tripletherapie. Dagegen versuchen die Mediziner Gastritiden und Ulcera in 80 bis 90 Prozent der Fälle mit obsoleten H2-Antagonisten, Protonenpumpenblockern als Monotherapeutikum oder Puffersubstanzen zu heilen. "Im Vergleich zu Daten vor dem Erhebungszeitraum wird die Eradikationstherapie bei Ulkus zwar insgesamt etwas häufiger eingesetzt, aber dennoch lässt das heutige Verordnungsverhalten deutlich zu wünschen übrig," sagte Detlef Schröder-Bernhardi von IMS auf einer Pressekonferenz.

Diejenigen Patienten, bei denen der Erreger eradiziert wird, bekommen zunehmend das etablierte Dreiergespann anstelle einer Dualtherapie verordnet: ein Protonenpumpenblocker (Standarddosis: Omeprazol 2 x 20 mg, Lansoprazol 2 x 30 mg oder Pantoprazol 2 x 40 mg), Clarithromycin 2 x 500 mg (oder 2 x 250 mg) und entweder Metronidazol 2 x 400 mg oder Amoxicillin 2 x 1 g. Im Erhebungszeitraum stieg der Anteil dieses Verordnungsschemas von rund 40 auf über 60 Prozent. Heute sollte die höhere Clarithromycin-Dosis bevorzugt werden, um von vornherein Misserfolgen durch mangelnde Compliance oder zunehmende Metronidazol-Resistenzen des Keims vorzubeugen.

Auch pharmaökonomisch ist die Tripletherapie interessant. "Langfristig spart sie wesentlich mehr ein, als sie selbst kostet", sagte der Bundesvorsitzende des Berufsverbandes der Allgemeinärzte Deutschlands (BDA), Professor Dr. Klaus-Dieter Kossow. Bei konsequenter Umsetzung der Therapieempfehlungen könnten circa 3 Milliarden Mark pro Jahr (direkte und indirekte Kosten der Ulcustherapie) eingespart werden, sagte er. Warum die Ärzte so zögerlich mit der Tripletherapie eradizieren, sei ihm schleierhaft. Allein die Budgetzwänge könnten es nicht sein.

Was gibt es Neues vom Helicobacter?

Peptischer Ulcus, Gastritis und niedrig malignes Malt-Lymphom: All das sind unbestrittene Indikationen für eine Helicobacter-Infektion. Derzeit werde das Bakterium aber noch mit einer Reihe anderer Krankheiten in Verbindung gebracht, sagte Professor Dr. Peter Malfertheiner, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie der Universität Magdeburg. So diskutiere man, ob sich eine Eradikationstherapie gegen H. p. positiv auf Patienten mit funktioneller Dyspepsie auswirken könnte, die keine über die Magenschleimhautentzündung hinausgehende schwer wiegende Pathologie aufweisen. Auch bei Patienten, die wegen ihrer ösophagalen Refluxkrankheit mit Protonenpumpenblockern über längere Zeit therapiert werden, oder die länger nichtsteroidale Antirheumatika oder ASS einnehmen, ist eventuell an eine H. p.-Sanierung zu denken.

Nach Auffassung Malfertheiners gibt es Hinweise, dass H. p. auch für einige (allergische) Hauterkrankungen wie Urticaria oder Rosacea sowie für autoimmune Erkrankungen verantwortlich gemacht werden kann. In Einzelfällen habe die H. p.-Sanierung die Heilung eingeläutet. Malfertheiner brachte den Erreger auch als möglichen Übeltäter bei Erkrankungen von Leber und Galle beziehungsweise Gallenblase ins Spiel. So habe man in einer Studie Helicobacter bilis und pullorum bei 9 von 23 chilenischen Patienten mit chronischer Cholecystitis gefunden. Der Schluss, dass diese Keime primär die Erkrankung im hepatobiliären System auslösen könnten, sei allerdings derzeit zu weit gegriffen. "Eine weiter promovierende Funktion dieser Erregern in Richtung Karzinogenese könnte man eventuell ableiten", spekulierte Malfertheiner.

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