Kleben statt schlucken |
11.08.2003 00:00 Uhr |
Statt mit der Pille können Frauen nun auch mit dem Anti-Baby-Pflaster verhüten. Evra®, eine Kombination aus Norelgestromin und Ethinylestradiol, ist seit Anfang August auf dem Markt und soll so sicher wie die Pille sein.
Die Pille ermöglichte in den Sechzigern Frauen die „sexuelle Befreiung“ und ist bis jetzt ungeschlagene Nummer eins unter den hormonellen Kontrazeptiva. Die tägliche Einnahme empfinden jedoch viele Frauen als lästig. Der sonst hohe Schutz vor ungewollter Schwangerschaft sinkt nach vergessener Pille genauso wie nach Erbrechen, Durchfall oder Antibiotikatherapie.
Mit dem neuen Verhütungspflaster Evra® können Frauen diese Probleme umgehen. Einmal aufgeklebt, gibt das transdermale therapeutische System die Wirkstoffe kontinuierlich über sieben Tage ab. Die Frau wechselt es in drei aufeinander folgenden Wochen immer am gleichen Wochentag - zu beliebiger Uhrzeit. Vergisst sie den Wechsel, leistet das Pflaster noch zwei Tage lang einen Schutz und gewährt somit einen größeren zeitlichen Spielraum. Nach dreiwöchiger Hormonzufuhr folgt eine pflasterfreie Woche, in der die Blutung erfolgt.
Matrix mit Hormonen
In dem beigen, 4,5 cm x 4,5 cm großen Matrixpflaster sind die Wirkstoffe in einer Trägersubstanz gelöst, die zugleich Haftschicht und Wirkstoffreservoir ist. Pro Tag diffundieren aus dieser Schicht 150 µg Norelgestromin und 20 µg Ethinylestradiol in den Blutkreislauf und erreichen nach zwei Tagen die maximale Wirkstoffkonzentration. Norelgestomin ist der aktive Metabolit von Norgestimat, das bereits langjährig in der oralen Kontrazeption eingesetzt wird.
Auf Grund der kontinuierlichen Abgabe entstehen keine Hormonspiegelspitzen, Magen-Darm-Trakt und Leber werden geschont und Wirkstoffschwankungen vermieden. Zudem entfällt mit der transdermalen Applikation der First-Pass-Effekt, die Arzneistoffe gelangen direkt in den Blutkreislauf, so dass auch Magen-Darm-Erkrankungen den Schutz nicht gefährden. Während orale Kontrazeptiva häufig mit gleichzeitig eingenommenen Antibiotika versagen, zeigte eine Studie, dass Tetracyclin unter Pflasteranwendung die Serumkonzentrationen der Hormone nicht beeinflusste.
Das Wirkprinzip von Evra® entspricht dem monophasischer oraler Kontrazeptiva: Die Kombination aus Gestagen und Estrogen verhindert den Eisprung, erschwert das Einnisten der Eizelle und erhöht die Viskosität des Zervixschleimes, der damit für Spermien undurchlässiger ist.
Der Pearl-Index lag in klinischen Studien bei 0,9 (nach Abzug der Anwendungsfehler bei 0,72) und war mit dem oraler Kontrazeptiva vergleichbar. Die einfache Anwendung sorgte in einer Vergleichsstudie mit oralen Kontrazeptiva für eine gute Compliance: 88 Prozent der Pflasterträgerinnen wendeten das Präparat korrekt an, verglichen mit 78 Prozent der Pillen schluckenden Frauen.
Wasser und Hitze getestet
Das Hormonpflaster wird im Allgemeinen gut vertragen. In drei multizentrischen Phase-III-Studien mit etwa 3300 Frauen gaben diese unerwünschte Ereignisse an, die auch für die orale Hormoneinnahme typisch sind. Die neue Verhütungsmethode führte allerdings in den ersten drei Zyklen zu stärkerem Brustziehen oder Brustspannen als bei der oralen Einnahme. Dies war jedoch vorrübergehend und wurde von den Anwenderinnen als moderat beschrieben.
Generell gilt für Pflaster, dass sie gut haften und hautverträglich sein sollten. In den Studien wiesen rund 17 Prozent der Frauen Hautreaktionen an der Applikationsstelle auf, die sie überwiegend als leicht bis mäßig stark einstuften. In weniger als 3 Prozent der Fälle führten sie zum Abbruch der Studie.
Frauen, die ein Hormonpflaster tragen, können weiterhin Sport treiben oder sich in feuchtwarmes Klima begeben. In Belastungssituationen wie Sauna, Whirlpool oder Sport klebten die Pflaster vergleichbar gut wie unter den normalen Studienbedingungen. Insgesamt lösten sich etwa 2 Prozent der Pflaster vollständig, rund 3 Prozent teilweise ab.
Der Geschmack entscheidet
Immer mehr Hersteller bieten Frauen, denen die tägliche Pilleneinnahme
ein Graus ist, alternative Applikationswege für kontrazeptiv wirkende
Hormone. „Frau“ kann mittlerweile zwischen den Depotpräparaten
Hormonspirale, Dreimonatsspritze, Implantat, Intrauterinpessar und
Vaginalring (PZ
06/03) auswählen, die auf Grund ihrer Arzneiform oder Zusammensetzung
über einen Zeitraum von drei Wochen bis fünf Jahren eine konstante Menge
an Hormonen freisetzen. Wofür sich die Einzelne jedoch entscheidet, bleibt
ihrem Geschmack überlassen.
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