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Länger überleben mit Temozolomid

12.07.2004  00:00 Uhr

Hirntumoren

Länger überleben mit Temozolomid

von Brigitte M. Gensthaler, München

Die Diagnose eines Hirntumors ist für den Patienten fatal. Hoch maligne Glioblastome führen innerhalb weniger Monate zum Tod. Frühzeitige Operation, Strahlen- und Chemotherapie kann die kurze Spanne auf über ein Jahr ausdehnen, wie kürzlich eine Studie mit Temozolomid zeigte.

Hirntumoren sind relativ selten: Sie machen 2 Prozent aller Krebserkrankungen beim Erwachsenen aus, können aber sehr bösartig sein (siehe Kasten). Da jede Wucherung den Druck im Gehirn lebensbedrohlich erhöht, muss der Tumor operiert werden, obgleich man ein Glioblastom damit nicht heilen kann, erklärte Professor Dr. Michael Bamberg von der Radiologischen Uni-Klinik Tübingen bei einer Pressekonferenz der Firma Essex. Anschließend bestrahlt man gezielt die Tumorregion mit einem Sicherheitssaum von 2 cm, um auch „Ausläufer“ zu erfassen. Dennoch erleiden die Patienten fast immer ein Rezidiv – meist an der gleichen Stelle.

 

Gliome und Glioblastome Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts erkranken jährlich etwa 8000 Menschen an einem Hirntumor. Etwa die Hälfte aller Primärtumoren im Gehirn sind Gliome, die aus entarteten Gliazellen entstehen. Von diesen Zellen, die etwa 90 Prozent des Hirngewebes ausmachen – nur etwa 10 Prozent sind Nervenzellen –, gibt es verschiedene Typen. Zu den aggressiven Tumoren (WHO-Grad III) zählen das anaplastische Astrozytom und das besonders bösartige Glioblastom (WHO-Grad IV). Etwa die Hälfte aller Gliome sind Glioblastome, die ohne Behandlung innerhalb von vier bis fünf Monate zum Tod führen. Mit Operation und Strahlentherapie, die in den letzten Jahrzehnten dank bildgebender Verfahren erheblich verbessert wurden, kann man die mittlere Überlebenszeit auf neun bis zwölf Monate verlängern.

 

Eine Chemotherapie ist beim Glioblastom wenig erfolgreich, zumal nur wenige Zytostatika die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Man setzt Alkylantien wie Procarbazin und N-Nitrosoharnstoff-Derivate, zum Beispiel Lomustin und Nimustin, ein. Seit 1999 ist das Imidazo-Tetrazin-Derivat Temozolomid, das die Blut-Hirn-Schranke passiert und sich in Liquor und Hirngewebe verteilt, bei rezidivierendem oder progredientem Glioblastom zugelassen. Das peroral applizierbare Alkylans ist ein Prodrug und wird im Körper rasch zu Monomethyl-triazeno-imidazol-carboxamid (MTIC) hydrolysiert. Dieses wiederum ist die Wirkform des in den 70er-Jahren entwickelten Dacarbazin (DTIC). Die Zytotoxizität von MTIC beruht auf der Alkylierung von Guanin.

Dass die frühe Gabe von Temozolomid die Überlebenszeit verlängern kann, zeigte eine Phase-III-Studie (EORTC-Studie 26981), die kürzlich bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vorgestellt wurde. 573 Patienten mit Glioblastomen erhielten randomisiert innerhalb von sechs Wochen nach der Operation entweder Radio- plus Chemotherapie oder nur eine Bestrahlung, berichtete Professor Dr. Michael Weller vom Zentrum Neurologie der Uni Tübingen. In der Kombigruppe bekamen die Patienten sechs Wochen lang täglich eine Bestrahlung und oral Temozolomid (75 mg/m2). Anschließend erhielten sie noch sechs Zyklen Chemotherapie (150 bis 200 mg/m2/Tag für fünf Tage, dann 23 Tage Pause).

Die Kombination verlängerte die Zeit, in der kein Tumorwachstum nachweisbar war, im Mittel auf 6,9 Monate gegenüber 5 Monaten unter alleiniger Radiotherapie. „Dies mag nicht viel klingen“, räumte der Neurologe ein, bedeute aber viel für die Patienten. Immerhin stieg die Chance, ein Jahr progressionsfrei zu überleben, von 9 auf 27 Prozent. Nach zwei Jahren waren noch 11 Prozent der Patienten in der Kombigruppe (versus zwei Prozent) rezidivfrei. Auch nach einem Rückfall standen die Chancen besser. Die mittlere Gesamtüberlebenszeit der Patienten stieg von 12,1 auf 14,6 Monate.

Die Studie belegt einen Überlebensgewinn, wenn Temozolomid frühzeitig begleitend und adjuvant zur Strahlentherapie eingesetzt wird, resümierte Weller. Bamberg, seit wenigen Tagen Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, sprach von einem „Hoffnungsschimmer am Horizont“. Die Radio-Chemotherapie könne zum neuen Standard in der Primärtherapie des Glioblastoms werden. Gut für die Patienten: Da das Medikament relativ sicher und verträglich ist, ist die Einnahme zu Hause möglich. Top

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