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Puder und Salben gehören nicht auf chronische Wunden

12.06.2000  00:00 Uhr

-PharmazieGovi-Verlag

PHARMACON MERAN

Puder und Salben gehören nicht
auf chronische Wunden

von Ulrich Brunner, Meran

Licht in den Präparatedschungel der zahllosen Wundauflagen und Antiseptika brachte Dr. Wiltrud Probst, Klinikapothekerin im Kreiskrankenhaus Heidenheim. Sie mahnte dazu, die Versorgung chronischer Wunden nicht isoliert zu betrachten. Ein adäquater chirurgischer Eingriff und die Therapie von Begleiterkrankungen seien genauso essenziell.

Chronische Wunden können nur dann abheilen, wenn sie frei von Schorf sowie schmierigen und nekrotischen Belägen sind. Am Anfang jeder Behandlung stehe daher prinzipiell die Wundreinigung. Neben chirurgischen Eingriffen mit Skalpell und Schere seien besonders für die Feinarbeit und bei schwer zugänglichen Wunden Spülungen und ein enzymatisches Débridement sinnvoll.

Neben physiologische Kochsalzlösung empfahl Probst besonders zur Spülung großflächiger Wunden Ringerlösung, die neben Natriumchlorid auch Calcium- und Kaliumionen enthält. Diese förderten die Wundheilung. Ringerlösung eigne sich daher auch für eine langfristige Spülung. Die Zubereitung seien als Irriclens® Spray oder Tenderwet-Solution® in handlichen Gebinden auf dem Markt, sagte die Apothekerin. Probst: "Mit einem Spray können Sie ein große Wunde allerdings nur befeuchten, nicht spülen." Wasserstoffperoxidlösung sollte wegen der granulationshemmenden Wirkung nur kurzfristig und gezielt angewendet werden. Gerade bei schmierigen eitrigen Wunde sprenge die Lösung den Belag gut ab.

Auch geeignete Wundauflagen fördern die Reinigung. Hier empfahl die Referentin Produkte auf der Basis von Alginaten (Kaltostat®, Sorbalgon®, Algosteril® und andere). Aus den Alginatvliesen wandern Calciumionen in die Wunde und Natriumionen ins Vlies. Zusätzlich saugt der Gelbildner Flüssigkeit auf. Gewebetrümmer und Bakterien werden aus der Wunde geschleppt. Weitere Vorteile des Naturstoffs: Das Vlies passt sich der Wundhöhle an, stillt Blutungen und lässt sich gut wieder entfernen. Wundauflagen aus Alginaten sollten erst nach zwei bis drei Tagen gewechselt werden, sagte Probst. Für trockene Wunden sind Alginate nicht geeignet.

Im Gegensatz dazu bringen Hydrogele Feuchtigkeit bereits mit und sind zum Aufweichen von Belägen und in der Granulations- und Epithelisierungsphase angezeigt. Hydrogele gibt es als Auflagen mit semipermeabler Membran oder in Tubenform.

Enzympräparate spalten nur ganz spezifisch denaturierte Gewebebestandteile. Sie unterstützen die Feinarbeit nach dem chirurgischen Eingriff. Produkte wie Fibrolan®, Novuxol® oder Varidase® sollten nur auf feuchte Wunden aufgetragen werden, da die Enzyme erst nach Kontakt mit Flüssigkeit aktiv werden.

Antiseptika dürften prinzipiell nur kurzfristig angewendet werden, warnte die Apothekerin. Geeignet seien Octenidin (Octenisept®) oder PVP-Iod-Lösungen (zum Beispiel Braunol® 2000, Betaisodona® oder Traumaspet®). Nachteil von Iod: Die Substanz ist stark gefärbt und wirkt nicht gut, wenn Wunden eitrig oder blutig sind. "Antibiotika wurden auf Grund ihres ungünstigen Nebenwirkungsprofils zu Gunsten der Antiseptika verdrängt", erklärte Probst. Lokalantibiotika hemmten nicht nur die Wundheilung und förderten die Resistenzentwicklung, sondern hätten häufig auch ein allergenes Potenzial. Auch Quecksilber-haltige Antiseptika und Farbstofflösungen wie Brilliantgrün haben ihren Stellenwert in der modernen Wundversorgung verloren.

Schließlich empfahl sie, nie Puder oder Salben direkt auf offene Wunden aufzutragen. Sie förderten den Okklusionseffekt und ließen sich später schlecht entfernen. Äußerste Zurückhaltung sei bei Salben geboten, die pflanzliche Extrakte enthalten. Sie hätten auf chronischen Wunden nichts verloren. Top

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