Pharmazie
Die gefährlichste
und häufigste Komplikation beim Abheilen von Wunden ist
die Infektion. Die Versorgung kleiner und mittelgroßer
Verletzungen ist ein klassisches Gebiet der
Selbstmedikation. Deshalb ist hier vor allem die
Kompetenz des Apothekers gefragt.
Schon vor 4000 Jahren haben die Ägypter
Verletzungen mit Essig oder Wein desinfiziert. Diese
Behandlungsmethode war sicherlich wesentlich effektiver
als die Therapieempfehlung von Plinius, der dazu riet,
Schweine- oder Ziegendung auf die Verletzung aufzutragen.
Trotz der langen Erfahrung ist Infektionsprophylaxe aber
noch nicht banal, sondern "eine große
Herausforderung für die Heilkundigen", wie die
Medizinerin Dr. Karen Reimer, Mundipharma, Limburg, auf
dem DAV-Wirtschaftsforum am 26. April in Baden-Baden
erläuterte.
Jede Verletzung gehe mit einer Entzündungsreaktion
einher, da nekrotisches Gewebe abgebaut werden müsse,
führte die Medizinerin aus. Ob es auch zu einer
Infektion komme, hänge von der Zahl pathogener Keime ab,
die die verletzte Hautpartie kontaminieren. Chronische
Krankheiten und Drogenmißbrauch erhöhen die Gefahr
einer Infektion. Ebenso spielt das Alter eine Rolle. Bei
Brandverletzungen, so Reimer, müsse grundsätzlich mit
einer Infektion gerechnet werden, da im verbrannten
Gewebe die Immunantwort fast vollständig ausbleibe.
Die Infektionserreger können exogener und endogener
Herkunft sein. So kommen Staphylokokken natürlich auf
Haut und Schleimhäuten vor, ohne Schaden anzurichten.
Wenn diese Bakterien jedoch in eine Wunde eindringen,
können sie eine Infektion auslösen. Die klassischen
Symptome einer Infektion sind laut Reimer Rötung,
Schwellung, Erwärmung und Schmerz.
Am größten ist das Infektionsrisiko unmittelbar nach
Eintritt der Verletzung. Deshalb sollte möglichst
schnell mit einer Infektionsprophylaxe begonnen werden,
riet Reimer. Nach einer gründlichen Reinigung sollte die
Wunde mit einem antiseptischen Präparat behandelt
werden. Als Mittel der Wahl bezeichnete die Medizinerin
Iodpräparate, da diese im Gegensatz zu Antibiotika keine
Resistenzen verursachen. Iod oxidiert Aminosäuren und
zerstört so Enzyme und andere Proteine. Sein
Wirkspektrum ist größer als das von Antibiotika und
umfaßt Pilze, Viren, Bakterien sowie Protozoen. Iod wird
seit etwa 100 Jahren in der Infektionsprophylaxe
eingesetzt. Iodresistenzen sind nach Reimers
Informationen nicht bekannt. Auch die Gefahr einer
allergischen Reaktion sei im Vergleich zu Antibiotika
gering.
Reimers favorisiert das Halogen in Form von
PVP(Polyvenylpyrrolidon)-Iod. In dieser galenischen
Zubereitung ist Iod über Wasserstoffbrücken kovalent an
PVP gebunden. In wäßriger Lösung liege immer 1
Promille des Iods frei vor. Dieses Gleichgewicht bewirke
eine sukzessive Freisetzung des Iods aus dem PVP-Komplex,
wenn das nicht gebundene verbraucht wird.
Die von Patienten zuweilen geäußerte Befürchtung,
Iodpräparate könnten die Schilddrüse schädigen, sei
unbegründet, führte Reimer weiter aus. Zwar reichere
sich das Halogen in dem Organ an, eine gesunde
Schilddrüse verkrafte jedoch 10.000fach erhöhte
Iodwerte, ohne Schaden zu nehmen. Schilddrüsenkranke mit
relativ großen Wunden sollten allerdings mit ihrem Arzt
sprechen.
Der Arzt sollte auch grundsätzlich eingeschaltet werden,
wenn die zu versorgende Wunde sehr groß sei oder nur
sehr langsam abheile. Weiterhin forderte Reimer die
Apotheker auf, ihre Kunden bei tiefen Wunden nach ihrem
Impfschutz gegen Tetanus zu befragen und bei Tierbissen
in gefährdeten Gebieten eine Tollwutimpfung anzuraten.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Baden-Baden
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