Pharmazie
Ab 15. Mai steht das
bereits seit Jahren aus der inhalativen Asthmatherapie
bekannte Glucocorticoid Budesonid für ein neues
Indikationsgebiet zur Verfügung. Vor vier Wochen erhielt
das als überwiegend lokal wirksam ausgelobte Steroid die
Zulassung für die Behandlung von Colitis ulcerosa und
Morbus Crohn. Als Kapsel zur oralen und Klysma zur
rektalen Anwendung wird es unter dem Handelsnamen
Entocort in den deutschen Arzneimittelmarkt eingeführt.
Man erhoffe sich durch Budesonid, insbesondere
im Hinblick auf das Nebenwirkungsprofil, eine
Verbesserung der symptomatischen Therapie bei den beiden
chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, hieß es am 7.
Mai bei der Einführungspressekonferenz in Frankfurt. Die
Ursache der beiden durch aktiv-entzündliche und
Ruhephasen gekennzeichneten Erkrankungen stellt die
Wissenschaft bis heute vor Rätsel; diskutiert wird unter
anderem ein Zusammenhang mit übersteigerten
Immunreaktionen im Darm. Heilungsmöglichkeiten stehen
nach wie vor nicht in Aussicht.
Fast 100.000 Menschen leiden in Deutschland unter Colitis
ulcerosa oder Morbus Crohn, pro 100.000 Einwohner kommen
jährlich rund 120 neue, meist jugendliche Patienten
dazu. Hauptsymptome sind in der Regel langandauernde
Durchfälle, oft kombiniert mit Blut- oder
Schleimbeimengungen und Bauchschmerzen.
"Es ging bei der Zulassungserweiterung von Budesonid
nicht darum, ein therapeutisch besseres Präparat als das
Standard-Corticoid Prednisolon zu finden, sondern ein
Präparat, das weniger Nebenwirkungen hat",
erklärte Professor Dr. Hartwig Lorenz-Meyer, Chefarzt
der Abteilung für Gastroenterologie des Städtischen
Krankenhauses in Friedrichshafen. Das scheint in diesem
Fall tatsächlich gelungen, wie die Ergebnisse aus
klinischen Studien belegen.
In allen zeigte sich unter therapeutisch wirksamen Dosen
von Budesonid nur eine minimale Unterdrückung des
hypothalamisch-hypophysären-adrenalen Regelkreises und
damit nur eine geringe Beeinflussung der körpereigenen
Cortisolproduktion. Typische Corticoid-Nebenwirkungen wie
Mondgesicht, Steroid-Akne et cetera traten deutlich
weniger auf als unter Standard-Corticoiden wie
Prednisolon. Bei extrem hohen Dosierungen (> 18 mg)
müsse man allerdings auch bei Budesonid mit systemischen
Nebenwirkungen rechnen, räumte Professor Dr. Franz
Hartmann, Chefarzt der Medizinischen Klinik I des St.
Marien-Krankenhauses in Frankfurt ein.
Die Erklärung für die bessere Verträglichkeit von
Budesonid scheint plausibel: Aufgrund seiner
ausgesprochen schlechten systemischen Bioverfügbarkeit
wirkt es fast ausschließlich lokal am Applikationsort,
bei Inhalation in der Lunge, bei rektaler oder oraler
Anwendung im Darm. Es wird dort zwar zu rund 70 Prozent
resorbiert, aber bereits bei der ersten Leberpassage zu
etwa 90 Prozent in praktisch unwirksame Produkte
metabolisiert. Nur rund 10 Prozent, nach rektaler
Applikation circa 15 bis 16 Prozent, gelangen demnach in
den systemischen Kreislauf; die Plasmahalbwertszeit liegt
hier bei zwei Stunden.
Bei der linksseitigen Colitis ulcerosa zeigte die einmal
tägliche rektale Anwendung von 2mg Budesonid/100ml
mindestens vergleichbare Wirkung wie Standardpräparate,
etwa Prednisolon, Betamethason, Sulfasalazin oder
Mesalazin. Die Resorption des Klysmas sei nach drei bis
vier Stunden beendet, erklärte Hartmann, der Patient
müsse daher versuchen, es möglichst über diese Zeit im
Darm zu behalten. Eine Anwendung der Klysmen sollte daher
abends vor dem Zubettgehen erfolgen.
Beim Morbus Crohn wurde Budesonid sowohl zur Akut- als
auch zur Remissionsbehandlung eingesetzt, jeweils in
oraler Darreichungsform, die als morgendliche Einmaldosis
gegeben wurde. In der akuten Phase waren dabei 9 mg
Budesonid vergleichbar mit 40mg Prednisolon und sogar
überlegen gegenüber zweimal 2g Mesalazin. Nach
Erreichen einer Remission ließ sich die beschwerdefreie
Zeit unter 6mg Budesonid/d im Vergleich zu Placebo
signifikant verlängern (300 Tage versus 90 Tage). Eine
dauerhafte Remission sei allerdings, ebenso wie bei
anderen Corticoiden, auch unter Budesonid-Dauertherapie
offenbar nicht zu erreichen, räumte Lorenz-Meyer ein.
Als weiterhin klärungsbedürftig nannte Hartmann die
Dosierung in der Langzeittherapie mit Budesonid und die
Möglichkeit einer Kombination mit anderen
Darmtherapeutika.
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Frankfurt
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