Pharmazie
"Blutdrucksenkung
allein reicht nicht, um die Behandlung des arteriellen
Hypertonikers zu optimieren." Dr. Manfred Karl-Heinz
Zehender von der Medizinischen Universitätsklinik
Freiburg begründete dies mit den zahlreichen Begleit-
und Folgeerkrankungen, die den arteriellen Bluthochdruck
zum kardiovaskulären Risikofaktor erster Güte machen.
So kommt es mit zunehmendem Patientenalter und
Fortschreiten des Krankheitsbildes zu einer steigenden
Behinderung des Blutflusses in den Gefäßen, fast die
Hälfte der Hypertoniker hat einen vergrößerten linken
Herzventrikel, und in allen Stadien der Erkrankung zeigt
sich eine erhöhte Aktivität des sympathischen
Nervensystems. Nicht nur gesteigerte Mortalität, sondern
auch erhöhte Morbidität sind die Folgen. 17 Prozent der
40 bis 60jährigen Hypertoniker haben eine koronare
Herzerkrankung, 15 Prozent Diabetes, 13 Prozent eine
Herzinsuffizienz, 6 Prozent eine arterielle
Verschlußkrankheit und 3 Prozent eine obstruktive
Atemwegserkrankung.
"Angesichts der Komplexität der Krankheitsfolgen
ist es mit der Blutdrucksenkung allein nicht getan",
betonte Zehender bei einer von Lilly ausgerichteten
Pressekonferenz in Bad Homburg. Der Patient müsse
"als Ganzes" behandelt werden. Um für jeden
einzelnen die erforderliche individuelle Therapie zu
gewährleisten, habe die Vielzahl der im Markt
befindlichen Antihypertensiva mit ihren unterschiedlichen
Angriffspunkten durchaus ihre Daseinsberechtigung. Es sei
falsch, nur auf eine Wirkstoffklasse zu setzen.
Die Auswahl des jeweiligen Medikaments/der Medikamente
sollte sich nach Zehenders Auffassung verstärkt am Alter
des Patienten orientieren; zu berücksichtigen seien
weiterhin die zentral-nervöse Komponente der Behandlung,
die cirkadianen Rhythmen im Blutdruckverhalten,
Stoffwechsel- und Interaktionsneutralität des
eingesetzten Wirkstoffs oder die Patientenfreundlichkeit
der Anwendung. Die Hochdruck-Liga empfiehlt in ihrem
Therapieschema zunächst die Monotherapie und erst bei
deren Versagen die Kombination aus verschiedenen,
unterschiedlich angreifenden Wirkstoffen. Laut Zehender
ist dabei die individuelle Kombination aus
Einzelwirkstoffen fixkombinierten Präparaten
vorzuziehen.
Moxonidin: Verträglichkeit durch Selektivität
Als Beispiel für ein "modernes
Antihypertensivum", das nicht nur den Blutdruck
effektiv senkt, sondern gleichzeitig günstige
hämodynamische und metabolische Eigenschaften aufweist
und kardiovaskuläre Komplikationen reduziert, nannte
Zehender den seit fünf Jahren im Markt befindlichen
Imidazolin-Rezeptorantagonisten Moxonidin. Der Wirkstoff,
Hauptvertreter der zweiten Generation zentralwirksamer
Antihypertensiva, senkt den Blutdruck durch Blockade der
Imidazolin-Rezeptoren im ZNS. Er bindet dort mit rund
200mal höherer Selektivität als an den a-2-Rezeptoren,
wodurch man sich die im Vergleich gute Verträglichkeit
erklärt. Hauptnebenwirkungen sind Mundtrockenheit (17
Prozent) und Müdigkeit (10 bis 12 Prozent).
Die einmal täglich zu applizierende Substanz vermindert
den erhöhten Sympathikustonus und führt zu einer
Verminderung des totalen peripheren Widerstands, wobei
Herz-Minuten-Volumen und Herzfrequenz nicht signifikant
beeinflußt werden. Ein weiterer erwünschter Effekt:
Neben den zentralen werden auch die Imidazolin-Rezeptoren
der Niere selektiv blockiert, und es kommt zu einer
gesteigerten renalen Ausscheidung von Natrium
(Natriurese).
Bei Verschreibung und Abgabe von Moxonidin müsse der
Patient unbedingt auf dessen einschleichende Wirkung
hingewiesen werden (Wirkmaximum nach circa 14 Tagen),
damit nicht aufgrund unerfüllter Erwartung einer
Sofortwirkung die Therapie eigenmächtig abgebrochen
werde, betonte Zehender. Ebenso wie der Wirkbeginn sei im
übrigen auch das Wirkende bei Moxonidin nicht abrupt, so
daß keine Reboundeffekte zu befürchten seien.
Gegenstand aktueller Studien
"Die antisympathotone Wirkung von Moxonidin wird
meßbar anhand einer deutlichen Reduktion der
Noradrenalin-Spiegel", erklärte er. Aufgrund des
bei Herzinsuffizienten beobachteten Zusammenhangs
zwischen erhöhten Noradrenalin-Werten und erhöhter
Mortalität wird der Imidazolin-Rezeptorantagonist
derzeit auch als Add-On-Medikament bei dieser Indikation
getestet. Eine in Schweden abgeschlossene Phase-II-Studie
zur Herzinsuffizienz habe die Reduktion der
Noradrenalin-Spiegel bestätigt, hieß es in Bad Homburg;
eine Phase-III-Studie mit Moxonidin bei
Herzinsuffizienten sei bereits gestartet, zwei weitere
seien in Planung.
Auf der Basis von Beobachtungen in Tierversuchen läuft
darüber hinaus derzeit eine Studie, in der der Einsatz
des Imidazolin-Rezeptorantagonisten auch bei
niereninsuffizienten Hypertonikern getestet wird. Bislang
ist die Gabe bei dieser Patientenklientel
kontraindiziert. In der laufenden Studie habe man bei der
Kombinationsbehandlung mit Diuretika, ACE-Hemmern und
Ca-Antagonisten letztere gegen Moxonidin ausgetauscht,
berichtete eine Mitarbeiterin der Herstellerfirma. Von
den Untersuchungsergebnissen erhoffe man sich eine
Zulassungsänderung dahingehend, daß die
Niereninsuffizienz künftig als Kontraindikation für
Moxonidin entfalle.
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Bad Homburg
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