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Volle Pipeline

09.04.2001  00:00 Uhr

ALZHEIMER

Volle Pipeline

von Stephanie Czajka, Berlin

40 bis 60 Substanzen werden derzeit gegen Demenz entwickelt, 23 testet man in klinischen Studien mit Alzheimer-Patienten. Damit seien mehr Stoffe in der Entwicklung, als gegen die meisten anderen Erkrankungen sagte Dr. Harald Hampel, Psychiatrische Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, kürzlich auf einer Pressekonferenz der Firma Schwabe in Berlin. Wichtig sei jedoch, die präventiven Eigenschaften bekannter Medikamente in Studien zu testen.

Man müsse vor allem Strategien gegen Amyloid-Plaques finden, sagte Hampel. Bei Alzheimer-Patienten wird das Amyloid-Vorläufer-Protein (APP) in den Nervenzellen des Gehirns statt durch a-Sekretase, durch b- und g-Sekretase gespalten. Es entsteht fälschlicherweise Amyloid-b-Protein. Es wird aus der Zelle freigesetzt und bildet im Extrazellulärraum unlösliche Plaques. Entwickelt werden Hemmstoffe der b- und g-Sekretase sowie Medikamente zur Auflösung dieser Ablagerungen und Impfstoffe. Dass die Impfung mit Antikörpern gegen das A-b-Protein bahnbrechend sei, hält Hampel für sehr fraglich. Bisher seien diese Versuche nur bei Mäusen erfolgreich verlaufen; noch dazu bei Mäusen, die als Versuchsmodell nur bedingt geeignet waren. Deren Plaques hätten nicht die für Alzheimer typischen dichten Zentren, sie seien daher leichter aufzulösen, sagte Hampel. Ein besser geeignetes Mausmodell aus Schweden habe man dagegen nicht getestet. Stattdessen gebe es jetzt klinische Versuche am Menschen.

Weitere Forschungsschwerpunkte richten sich gegen die fehlerhafte Phosphorylierung des Tau-Proteins. Dieses Eiweiß stabilisiert die Mikrotubuli in den Nervenzellen. Bei Alzheimer-Patienten wird es überphosphoryliert, verliert so seine Funktion und lagert sich zu neurofibrillären Bündeln zusammen. Die Nervenzelle stirbt ab. Potenzielle Arzneistoffe müssten entweder das Enzym Tau-Kinase blockieren - es ist für die falsche Phosphorylierung verantwortlich - oder Tau-Phosphatase aktivieren; diese baut fehlerhafte Tau-Proteine ab.

Es gibt Hinweise, dass nicht steroidale Antirheumatika das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, vermindern. Es gebe jedoch bisher nur Studien an bereits erkrankten Patienten, keine Präventionsstudien, kritisierte der Experte. So war Celecoxib in einer 52-Wochen-Studie bei Alzheimer-Patienten nicht wirksam. Eine mehrjährige Präventionsstudie mit Naproxen und Celecoxib an über 2600 Personen mit erkrankten Familienangehörigen sei aber nun begonnen worden. Ähnliches gilt auch für die Estrogensubstitution, für Antioxidantien wie Vitamin E und für Statine, so Hampel. Auch mit Ginkgo-Präparaten habe man im vergangenen Jahr eine vom amerikanischen Gesundheitsinstitut (NIH) bezahlte Präventionsstudie begonnen. 2007 soll sie abgeschlossen sein. Hampel: "In diesen Zeiträumen muss man denken."Top

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