Qualitätssicherung in der Rezeptur |
02.04.2001 00:00 Uhr |
HYGIENE
Die Qualitätssicherung pharmazeutischer Tätigkeiten steht nicht zuletzt wegen der Entwicklung von Qualitätsmanagementsystemen in deutschen Apotheken im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Diskussion. Vor diesem Hintergrund stand die Pharmazierätejahrestagung in Weimar 2000 ganz unter dem Motto "Rezeptur".
Zur Standortbestimmung mit dem Schwerpunkt "Hygiene in der Rezeptur" hat die Bayerische Landesapothekerkammer und die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) mit einer Untersuchung rezepturmäßig hergestellter Arzneimittel in 13 Apotheken beauftragt. Um mögliche Schwachstellen und den Ist-Zustand in der Rezeptur als Herstellungsbereich zu erkennen, wurde der Hygienestatus vor und während der Herstellung erfasst. Darüber hinaus wurde die mikrobiologische und makroskopische Qualität der Zubereitungen sowie die Kennzeichnung des Abgabebehältnisses beurteilt.
Material und Methoden
Neben der traditionellen Herstellungsweise von halbfesten Zubereitungen in der Fantaschale wurden auch die inzwischen etablierten neuen Verfahren Cito-Unguator®, Topitec® Automatic und das Tubag-Rolliersystem eingesetzt. Je drei Apotheken fertigten die Rezepturen mit dem gleichen Herstellungsgerät an - Fantaschale, Unguator® beziehungsweise Tubag-Rolliersystem. Vier Apotheken verwendeten das Topitec®-Mischsystem. Hergestellt wurde die Arzneibuchgrundlage "Wasserhaltige hydrophile Salbe, DAB" ohne Konservierungsmittel und die Suspensionszubereitung "Hydrophile Betamethasonvalerat-Creme" nach NRF 11.37. Die 13 Apotheken fertigten die Rezepturen im üblichen Rezepturbetrieb an. Die einzelnen Herstellungsschritte wurden nicht vorgegeben, sondern orientierten sich an standardisierten Herstellungsvorschriften wie beispielsweise Arzneibuch und NRF. Die pharmazeutische Qualität der Zubereitungen wurde anhand definierter Prüfkriterien und -verfahren im ZL untersucht (Tabelle 1).
Tabelle 1: Prüfkriterium und -verfahren
Was
Wie
Warum
Umgebungskontrolle
Abklatschtest
Hygienezustand - Raum- und Personalhygiene
Endproduktkontrolle, mikrobiologische Prüfung des Keimstatus, Kategorie 2 (Ph. Eur. 1997, Nachtrag 1999)
Membranfiltrationsmethode
Herstellungsweise - Hygiene
Äußere Beschaffenheit
Visuelle Prüfung (makroskopisch/mikroskopisch)
Herstellungsweise - Homogenität, Arzneistoffverteilung
Kennzeichnung
Visuelle Prüfung
§ 14 ApBetrO, Arzneibuch, NRF
Für die Personal- und Betriebshygiene führte jede Apotheke Abklatschtests an verschiedenen Prüfflächen durch. Es wurden Abklatschplatten der Firma Becton/Dickinson (TSA mit Lecithin und Polysorbat 60) verwendet. Die Platten wurden bis zur Anwendung im Kühlschrank aufbewahrt und vor Durchführung der Tests etwa zwei Stunden bei Raumtemperatur gelagert. Die Agarfläche wurde mit leichtem Druck auf die zu überprüfende Fläche wie Hände Kittel, Boden, Arbeitsfläche der Rezeptur und Waage aufgebracht. Anschließend wurden die Abklatschplatten gut verschlossen und zur Auswertung an die Firma Caesar & Loretz versand. Nach einer Bebrütungszeit von fünf Tagen bei 37 °C wurden die Kolonie-bildenden Einheiten (KBE) ausgezählt (1).
Die mikrobiologische Qualität der Zubereitungen wurde gemäß den Anforderungen des europäischen Arzneibuchs, NT 2000 beurteilt. Demnach werden nicht sterile Zubereitungen zur topischen Anwendung der Kategorie 2 zugeordnet, die die Keimzahl mit 102 Keime pro g beziehungsweise ml der Zubereitung begrenzt. Die äußere Beschaffenheit der Rezepturen wurde visuell auf Qualitätsmängel untersucht. Die Proben wurden unter definierten Bedingungen auf einer Glasplatte ausgestrichen und beurteilt (2). Die Suspensionszubereitung wurde mikroskopisch bei 160-facher Vergrößerung mit Hilfe eines Okularmikrometers in einer Sechsfach-Bestimmung untersucht.
Ergebnisse
Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Bei sieben Apotheken wurden die Hände vor der Herstellung desinfiziert. Dies entspricht einem KBE-Wert von 0 bis etwa 8. In zwei Apotheken wurden die Hände vor der Herstellung gewaschen, dies spricht für einen KBE-Wert 8 bis 30. In vier Apotheken hatten die Rezeptare die Hände nicht gewaschen (KBE-Wert über 30).
Tabelle 2: Umgebungskontrolle - Personal- und Betriebshygiene
Prüffläche
Apo 1
Apo 2
Apo3
Apo 4
Apo 5
Apo 6
Apo 7
Apo 8
Apo 9
Apo 10
Apo 11
Apo 12
Apo 13
Handinnenfläche
0/0
52/n.a.
24/8
0/3
0/0
130/75
>300
0/0
2/2
26/11
2/8
3/0
35/55
Kittel
2/38
2/0
0/11
90/75
15/20
62/13
83/65
2/14
14/8
120/54
13/1
2/8
13/3
Arbeitsfläche
1/0
1/0
3/0
0/1
1/1
2/0
0/6
3/1
27/67
1/0
0/7
3/2
0/2
Waage
0/0
0/1
2/1
0/0
0/1
4/1
0/0
3/0
1/4
0/1
0/1
2/0
1/5
Boden
18/11
50/-
60/40
5/10
26/13
3/4
30/50
0/0
13/27
6/0
16/12
18/10
35/41
Wand/Regal oberhalb der Arbeitsfläche
3/0
0/0
22/16
9/8
1/0
0/0
3/0
0/1
28/2
0/3
1/1
3/-
5/5
Angabe der Ergebnisse in KBE pro Abklatschplatte, Doppelbestimmung; n.a.: nicht auswertbar
In zehn Apotheken trugen die Mitarbeiter einen sauberen Kittel (KBE-Wert von 0 bis etwa 50). In drei Apotheken waren die Kittel leicht bis stärker verschmutzt, wobei dies äußerlich nicht erkennbar sein muss (KBE-Wert ab etwa 50). In der Rezeptur sollten grundsätzlich nur Kittel getragen werden, die eine Verschmutzung von maximal 50 KBE aufweisen.
Mit Ausnahme einer Apotheke wurden alle Arbeitsflächen vor Beginn der Herstellung desinfiziert. Die Waagen wurden alle desinfiziert. Der Boden im Herstellungsbereich wurde von zehn Apotheken desinfiziert, die restlichen Böden waren sauber. Für Wand und Regale oberhalb der Arbeitsfläche ergaben sich vergleichbare Ergebnisse. Sie waren in allen Apotheken sauber oder wurden kurz vor der Herstellung sogar desinfiziert.
Die Ergebnisse der mikrobiologischen Prüfung der Rezepturzubereitungen sind in Tabelle 3 dargestellt. Erwartungsgemäß entsprachen die Betamethasonvalerat-Cremes den Arzneibuchanforderungen. Sie sind auf Grund des Propylenglycolanteils als Bestandteil der Basiscreme DAC vor mikrobieller Kontamination geschützt.
Tabelle 3: Mikrobiologische Prüfung des Keimstatus, Kategorie 2*
Rezeptur
entspricht,
keine Keime nachweisbar
entspricht,
£102
KBE/g
grenzwertig,
max. 5x102 KBE/g
entspricht nicht,
>5x102 KBE/g
Hydrophile Betamethasonvalerat-Creme NRF 11.37.
13
-
-
-
Wasserhaltige hydrophile Salbe, nicht konserviert
12
-
1
-
Wasserhaltige hydrophile Salbe, nicht konserviert (Wiederholung mit 6 Apotheken)
4
1
-
1
*) Anzahl der Apotheken, Prüfung nach Ph. Eur. 1997, Nachtrag 1999, maximal 102 KBE je g Produkt
Bei der nicht konservierten wasserhaltigen hydrophilen Salbe war in einem Fall die Keimzahl erhöht. Die Herstellung wurde in sechs Apotheken wiederholt, wobei die herstellenden Personen nicht über die erneute Prüfung informiert wurden. Das Ergebnis aus der ersten Untersuchung konnte für die gleiche Apotheke bestätigt werden. Als Kontaminationsquelle ließ sich eindeutig das verwendete Wasser identifizieren. Es wurde zwar frisch abgekocht, jedoch anschließend in ein nur unzureichend gesäubertes Standgefäß umgefüllt. Hände und Kittel des Rezeptars entsprachen ebenfalls nicht den Hygieneanforderungen.
Unabhängig vom Herstellungsverfahren waren bei makroskopischer und mikroskopischer Betrachtung alle Betamethasonvalerat-Cremes homogen beschaffen. Dagegen waren die Unterschiede in der äußeren Beschaffenheit bei wasserhaltiger hydrophiler Salbe auffallend. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4 dargestellt.
Tabelle 4: Äußere Beschaffenheit der Wasserhaltigen hydrophilen Salbe DAB in Abhängigkeit vom Herstellungsverfahren*
Rezeptur
Sehr homogen
homogen
inhomogen "grießige"Struktur
sehr inhomogen körnige Struktur
Wasserhaltige hydrophile Salbe, nicht konserviert
6
4
2
1
Herstellungsverfahren
Fantaschale
-
2
1
-
Cito-Unguator®
3
-
-
-
Topitec®-Automatic
2
1
-
1
Tubag-Rolliersystem
1
1
1
-
*) Anzahl der Apotheken
Der weitestgehend standardisierbaren Herstellung mit neuartigen Rühr- und Rolliergeräten im geschlossenen System und der damit verbundenen hygienischen Entnahme des Arzneimittels durch den Patienten steht möglicherweise die Vernachlässigung der visuellen Prüfung des Endprodukts gegenüber. Es sind vor allem die zahlreichen Individualrezepturen, für die mindestens die visuelle Prüfung der Beschaffenheit vor der Abgabe an den Patienten erforderlich ist. Durch interne validierte Vorgaben wie beispielsweise Festlegung der Umdrehungszahl der Misch-, Rühr-, und Rollierzeiten lässt sich die Reproduzierbarkeit der pharmazeutischen Qualität ohne weiteres sicherstellen (3).
Klare Kennzeichnung
Die Kennzeichnung der Rezepturarzneimittel variiert von Zubereitung zu Zubereitung und von Apotheke zu Apotheke. Eine Standardisierung ist im Sinne der Arzneimittelsicherheit und zur Reproduzierbarkeit bei Wiederverordnungen anzustreben (3). Dies wurde aus den Ergebnissen der Untersuchung in 13 Apotheken deutlich (Tabelle 5).
Tabelle 5: Kennzeichnung der rezepturmäßig hergestellten Arzneimittel*
Angaben bei der Kennzeichnung
Betamethasonvalerat-
Creme NRF 11.37.
wasserhaltige hydro-
phile Salbe DAB
Name/Anschrift der Apotheke (§ 14 ApBetrO)
13
13
Inhalt nach g/ml/St. (§ 14 ApBetrO)
13
13
Art der Anwendung (§ 14 ApBetrO)
11
9
Gebrauchsanweisung bei verschreibungspflichtigen Arzneistoffen (§ 14 ApBetrO)
5
0
Herstellungsdatum (§ 14 ApBetrO)
12
12
Hinweis auf begrenzte Haltbarkeit (§ 14 ApBetrO)
12
12
Endatum der Aufbrauchsfrist (NRF)
10
7
Arzneimittelspezifische Hinweise (NRF)
1
9
Vollständige Deklaration der Rezepturbestandteile (AAAMP)
3
6
*) Anzahl der Apotheken
In der Apotheke hergestellte Arzneimittel sind vor der Abgabe an den Patienten mindestens gemäß §14 der Apothekenbetriebsordnung zu kennzeichnen. Dabei sind ergänzende Angaben, die über die Mindestanforderungen hinausgehen, vor allem als Information für den Patienten zu empfehlen. Insbesondere das Enddatum der Aufbrauchsfrist sollte gemäß den empfohlenen Richtwerten des NRF angegeben werden. Die Kennzeichnung muss selbstverständlich gut lesbar und dauerhaft sein.
Gemäß § 14 ApBetrO sind die wirksamen Bestandteile nach Art und Menge zu kennzeichnen. Aus dieser Forderung lässt sich jedoch nicht ableiten, dass auch alle anderen Rezepturbestandteile zu deklarieren sind. Nach dem Beschluss des Ausschusses für Arzneimittel-, Apothekenwesen und Medizinprodukte der AOLG der Länder vom 8./9. Juli 1997 wird jedoch die vollständige Deklaration im Interesse der Reproduzierbarkeit angestrebt. Mit Umsetzung des hierzu gefassten Beschlusses würde dies eine gravierende Umstellung der bisherigen Kennzeichnungspraxis in den Apotheken bedeuten.
Hygiene muss sein
Die Haltbarkeit einer Rezepturzubereitung muss während des gesamten Anwendungszeitraums gewährleistet sein. Mikrobiell kontaminierte Produkte verderben und können bei Gebrauch den Anwender schädigen. In aller Regel lassen sich diese Forderungen durch das Einhalten von Hygienemaßnahmen während des Herstellungsverfahrens und den Einsatz ausschließlich geprüfter und vom pharmazeutischen Hersteller zertifizierter Ausgangsstoffe und Primärpackmittel erfüllen. Die Untersuchung hat deutlich gezeigt, dass insbesondere Wasser als Ausgangsstoff für die Rezeptur die wahrscheinlichste Kontaminationsquelle ist. Für die Gewinnung, Aufbewahrung und Lagerung von Wasser sollte betriebsspezifisch eine Arbeitsanweisung erstellt werden. Dabei ist zu beachten, dass das Wasser innerhalb eines Arbeitstages aufgebraucht sein muss. Das entsprechende Standgefäß ist vor der Wiederbefüllung zu desinfizieren und/oder zu sterilisieren (4).
Alle Hygienemaßnahmen sollten in einem Personal-Hygieneplan dokumentiert werden. Der Herstellungsbereich, einschließlich der Geräte sowie die übrigen Apothekenbetriebsräume sollten nach einem Reinigungs- und Desinfektionsplan gereinigt und gegebenenfalls desinfiziert werden. Die Erfüllung dieser Maßnahmen sollte mit Unterschrift bestätigt werden.
Fazit
Ziel der Untersuchung war die Qualitätsbeurteilung von Arzneimitteln, die im üblichen Rezepturbetrieb in Offizin-Apotheken hergestellt werden. Dazu wurden bewusst 12 "Pharmazierats-Apotheken" ausgewählt. Insgesamt nahmen 13 Apotheken an der Untersuchung teil. Aus den vorliegenden Ergebnissen lässt sich ableiten, dass unter Einhaltung der erforderlichen Hygienemaßnahmen und standardisierter Herstellungsabläufe die pharmazeutische Qualität der Rezepturarzneimittel sichergestellt ist. Als Konsequenz für die Pharmazieräte und Amtsapotheker ist bei der Überwachung von Apotheken besonderes Augenmerk auf folgende Kriterien zu legen:
Hierzu haben die deutschen Pharmazieräte Leitsätze zur Qualitätssicherung in der Apotheken-Rezeptur entwickelt, die bei der Besichtigung von Apotheken berücksichtigt werden.
Wichtige Hygienemaßnahmen für die Rezeptur - Selbstinspektion
Die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands und die Bayerische Apothekerkammer dankt den Kolleginnen und Kollegen für die Teilnahme an der vorliegenden Untersuchung
Alte Apotheke in Bonn, Herr Apotheker S. Fröhling, Amts-Apotheke in Hochheim, Apothekerin Dr. S. Daus; Amts-Apotheke in Langballig, Apotheker K. Christiansen; Bavaria-Apotheke in Augsburg, Apotheker S. Ott; Flora-Apotheke in Idstein-Wörsdorf, Apotheker Dr. K. Will; Johannes-Apotheke in Gröbenzell, Apotheker Dr. U. Krötsch; Luisen-Apotheke in Augsburg, Apotheker J. Lehmann; Mammendorf-Apotheke in Mammendorf, Apotheker T. Benkert; Mariahilf-Apotheke in München, Apotheker G. Riemerschmid; Roßmarkt-Apotheke in Schweinfurt, Apotheker K. H. Borosch; St. Barbara-Apotheke in Peißenberg, Apotheker Dr. W. Kircher; St. Georg-Apotheke in Schenklengsfeld, Apothekerin M. Möller-Riebold; St. Vitus-Apotheke in Berg, Apotheker Ch. Bauer
Literatur
Anschrift der Verfasser
Rosemarie Eifler-Bollen
Pharmazeutisches
Laboratorium des Neuen Rezeptur-Formulariums
Carl-Mannich-Straße 20
65760 Eschborn
Friederike Schüller
Firma Caesar & Loretz / Werk Bonn
Röhfeldstraße 46
53227 Bonn
Dr. Ulrich Krötsch
Arbeitsgemeinschaft der
Pharmazieräte Deutschlands
Johannes-Apotheke
Kirchenstraße 48
2194
Gröbenzell
Professor Dr. Helga Möller
Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker
Carl-Mannich-Straße 20
65760 Eschborn
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