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Gesundheitsbezogene Lebensqualität als wichtiges Zielkriterium

19.03.2001  00:00 Uhr

OMA-STUDIE

Gesundheitsbezogene Lebensqualität als wichtiges Zielkriterium

von Almut Winterstein, Gainesville, Roland Jopp und Marion Schaefer, Berlin

Die OMA-Studie ist eine kontrollierte Studie zur Pharmazeutischen Betreuung älterer multimorbider Patienten. Zur Nutzenbewertung wurden in der Kontroll- und Interventionsgruppe verschiedene Ergebnisvariablen zu Beginn und in gewissen Zeitabständen erhoben. Zu diesen Zielgrößen gehörten gesundheitsbezogene Lebensqualität, Patientencompliance, Selbst-Management der Arzneimitteltherapie, von Patienten beschriebene Probleme mit der Arzneimitteltherapie und Patientenzufriedenheit.

Zusätzlich konnte durch die Dokumentation der Medikationshistorie, der arzneimittelbezogenen Probleme und der Patientenkontakte in der Interventionsgruppe der Prozess der Pharmazeutischen Betreuung detailliert beschrieben werden (siehe Titelbeitrag in PZ 11). Dies lieferte folgende Beobachtungen:

  • Der Umfang dokumentierter Patientenkontakte und festgestellter arzneimittelbezogener Probleme variierte in der Interventionsgruppe erheblich.
  • Für die kontinuierlich betreute Patientengruppe werden Betreuungsgespräche in circa zweimonatlichem Rhythmus beschrieben.
  • Schwerpunkte der Betreuungsgespräche liegen auf Patientenschulung, Monitoring des Therapieerfolgs und Motivation zum Patienten-Selbstmanagement.
  • Für 79 Interventionspatienten werden etwa 320 arzneimittelbezogene Probleme dokumentiert; das sind mehr als durchschnittlich vier Probleme je Patient. Unangemessene Arzneimittelauswahl und unerwünschte Arzneimittelwirkungen stellen den größten Teil.

Den Nutzen für den Patienten erfassen

Ziel der Pharmazeutischen Betreuung ist die Früherkennung und Behebung arzneimittelbezogener Probleme, um späteren Schäden, der so genannten arzneimittelbezogenen Morbidität, vorzubeugen. Daraus ergeben sich für die Nutzenbewertung von Pharmazeutischer Betreuung mehrere Ansprüche: Eine Ergebnisbewertung muss zeigen, wie und wie viele arzneimittelbezogene Probleme behoben oder vermieden werden konnten. Weiterhin müssen messbare Ergebnisparameter vorhanden sein, die die Konsequenzen dieser Probleme für den Erfolg der Arzneimitteltherapie und die Gesundheit der Patienten erkennen lassen. Zuletzt soll die Optimierung der Arzneimitteltherapie in enger Kooperation mit allen anderen Gesundheitsberufen die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten verbessern. Folglich sollte diese in der Ergebnisevaluation eingeschlossen sein.

Bei der Gestaltung von Studien muss somit überlegt werden, wie sich die arzneimittelbezogene Morbidität in der ausgewählten Patientengruppe darstellen wird und wie sich eine Verbesserung der Arzneitherapie (Sicherheit und Effektivität) erfassen lässt. Die Ergebnisse der Studien werden umso eindeutiger ausfallen, je besser folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die wissenschaftliche Fragestellung kann möglichst eng gefasst werden und lässt sich messtechnisch gut beschreiben.
  • Das Spektrum arzneimittelbezogener Probleme im Zusammenhang mit der Therapie kann relativ klar umrissen werden und ist möglichst wenig komplex, so dass auch die Betreuung einer klaren Zielsetzung folgen kann.
  • Das Beschwerdebild weist eine akute Symptomatik auf, die pharmakotherapeutisch wirkungsvoll behandelt werden kann, was die Patienten direkt positiv erfahren.
  • Die Betreuungseffekte sind kurzfristig zu erwarten und beziehen sich nicht auf Spätschäden, die außerhalb des Studienzeitraums liegen.
  • Die Optimierung der Arzneimitteltherapie ist nicht ausschließlich auf eine Verhaltensänderung des Patienten angewiesen.
  • Es besteht ein starker kausaler Zusammenhang zwischen arzneimittelbezogenen Problemen und Folgen für den Patienten, zum Beispiel gesundheitsbezogene Lebensqualität oder Wahrnehmung von Gesundheitsleistungen (Arztbesuche, Krankenhauseinweisungen).

Auf die Zielgruppe der OMA-Studie - ältere multimorbide Patienten - treffen diese Voraussetzungen nur bedingt zu, weil

  • sie häufig an mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden,
  • sie vermehrt einer Arzneimitteltherapie bedürfen und damit auch komplexe Probleme verbunden sein können,
  • der natürliche Alterungsprozess nur bedingt aufzuhalten ist und arzneimittelbezogene Morbidität vielfach nur eine von vielen Ursachen für rapide Verschlechterungen des Gesundheitszustandes ist und
  • die gesundheitsbezogene Lebensqualität alters-, krankheits- und sozial bedingt eingeschränkt sein kann, ohne dass Pharmazeutische Betreuung eine Veränderung bewirken könnte.

Dennoch ist es offensichtlich, dass die älteren multimorbiden Patienten gerade auf Grund dieser Besonderheiten auch besonders von der Pharmazeutischen Betreuung profitieren können: Der Nutzen, der den älteren Patienten als einer sehr unterschiedlich zusammengesetzten Risikogruppe durch die Betreuung zuteil wird, muss jedoch auf mehreren Ebenen beschrieben werden und kann sich weniger auf die Auswertung nach bestimmten Krankheitsbildern konzentrieren.

Vier Thesen als Ausgangspunkt

Die Studie prüfte vier Thesen zum Effekt der Pharmazeutischen Betreuung, die verschiedene patientenbezogene Ergebnisebenen einschließen.

  • Die Pharmazeutische Betreuung verbessert durch die Identifizierung, Lösung und Prävention von arzneimittelbezogenen Problemen innerhalb eines begrenzten Zeitraums von 18 (mindestens sechs) Monaten die gesundheitsbezogene Lebensqualität älterer multimorbider Patienten. Diese soll mit dem MOS SF-36 Gesundheitsfragebogen erfasst werden.
  • Das Anwendungsverhalten der Patienten verbessert sich hinsichtlich der Therapiemitarbeit, erhöhtem Selbstmonitoring und höherer Selbstsicherheit im Umgang mit Arzneimitteln.
  • Die Beschreibung unerwünschter Arzneimittelwirkungen und andere Probleme bei der Anwendung von Arzneimitteln nimmt ab.
  • Die Patientenzufriedenheit, ausgedrückt als allgemeine Zufriedenheit sowie als spezifische Bewertung von individuellem Aufwand und realisiertem Nutzen der erfahrenen Pharmazeutischen Betreuung steigt.

Evaluationsparameter und -instrumente

Der Patientennutzen der Pharmazeutischen Betreuung wurde entsprechend der formulierten Einzelthesen durch verschiedene Ergebnisvariablen evaluiert. Alle hier beschriebenen Variablen sind entweder durch selbstständig zu Hause auszufüllende Fragebögen oder im strukturierten Interview mit dem Studienapotheker von den Patienten beantwortet worden. Die Patienten konnten selbstständig beantwortete Fragebögen mittels frankiertem Rückumschlag direkt an die Studienleitung zurücksenden (Tabelle 1). Alle Fragebögen wurden zuvor in einer Pilotstudie getestet, einige sind validiert (1, 2). Weiterhin wurde die Medikationshistorie der Patienten zur Bewertung der Anwendungscompliance und der Einflussnahme auf die Therapiekosten herangezogen.

 

Tabelle 1: Ergebnisvariablen zur Bewertung des Patientennutzens

Ergebnisvariable

Messinstrument

Erhebungsmethode

Erhebungszyklen

Gesundheitsbezogene Lebensqualität

MOS SF-36 Gesundheitsfragebogen

Selbstreportiert

4

Compliance

Verbrauchszeiträume der Top-10-Arzneimittel

Medikationshistorie

Kontinuierlich 
(18 Monate)

Selbstmonitoring

3 Einzelitems

Interview

2

Nebenwirkungen und andere Probleme mit der Arzneimitteltherapie

8 Einzelitems

Selbstreportiert

2

Patientenzufriedenheit: allgemeine Beurteilung des Service

1 Einzelitem

Selbstreportiert

3

Patientenzufriedenheit: allgemeine Beurteilung von Pharmazeutischer Betreuung

2 Einzelitems

Selbstreportiert

1*

Patientennutzen

13 Einzelitems

Selbstreportiert

1*

Therapiekosten

Quartalskosten aller dokumentierten Arzneimittel

Medikationshistorie

Kontinuierlich

*) keine Daten von der Kontrollgruppe erhoben

 

Wie wird gesundheitsbezogene Lebensqualitaet gemessen?

Die gesundheitsbezogene Lebensqualität stellt einen der wichtigsten Ergebnisparameter bei der Nutzenbewertung von Gesundheitsleistungen dar und wurde deshalb auch in der OMA-Studie herangezogen. Sie reflektiert, wie Patienten Krankheit erleben, und bestimmt maßgeblich mit, wann und warum diese professionelle Hilfe von Arzt oder Apotheker suchen. Ihre Bewertung kann Krankheitsverläufe oft besser vorhersagen als medizinisch-diagnostische Tests. Ausgehend von der Krebstherapie wird die Erhebung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität häufig eingesetzt, um Therapieerfolge abzubilden und der Belastung durch therapeutische Maßnahmen gegenüberzustellen.

Für Heilberufler und damit auch für pharmazeutische Leistungen ist die Lebensqualität als Ergebnismaß wichtig, da sich medizinische Entscheidungen und Maßnahmen vor allem patientenorientiert und nicht ausschließlich an biologisch-medizinischen Ergebnissen ausrichten sollten. Dabei kann sich die patientenindividuelle Wahrnehmung erheblich von der eines Heilberuflers unterscheiden. Während beispielsweise die Tatsache, ans Haus gebunden zu sein, bei Patienten einen höheren Stellenwert als der physiologische Schweregrad der Erkrankung einnahm, bewerteten Ärzte die Lebensqualität auf Grund klinisch-diagnostischer Parameter und kamen zu teils erheblich differierenden Ergebnissen (3, 4).

Die Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität wird unter anderem gefordert, wenn Heilberufler ihre eigene Sichtweise bei Anamnese und Erfolgskontrolle um die individuelle Patientensicht erweitern möchten (5).

Unter gesundheitsbezogener Lebensqualität versteht man die patientensubjektive Beurteilung physischer, psychischer, mentaler und sozialer Komponenten des Wohlbefindens und der Funktionsfähigkeit im Alltag (6).

Zur Erfassung der Komponenten der gesundheitsbezogenen Lebensqualität wurden vor allem im angloamerikanischen Sprachraum diverse Verfahren entwickelt und validiert. Sie haben gezeigt, dass hinsichtlich bestimmter Komponenten kulturübergreifend Übereinstimmung in der patientenbezogenen Wahrnehmung von Gesundheit besteht. Diese Komponenten oder so genannten Dimensionen umfassen:

  • körperliche Funktionen und Beschwerden (Krankheitssymptome),
  • mentale oder kognitive Funktionen,
  • emotionale oder psychische Funktionen,
  • soziale und Rollenfunktionen,
  • allgemeine Wahrnehmung von Wohlbefinden und Gesundheit.

In der OMA-Studie wurde die Standard Version des MOS SF-36 (Medical Outcome Study Short Form 36 Item) Gesundheitsfragebogens eingesetzt (7; zur deutschen Übersetzung, psychometrischen Testung und Normierung siehe (8)). SF-36 beinhaltet acht Dimensionen, die aus jeweils zwei bis zehn Items (Fragen) bestehen, sowie ein Einzelitem, das die selbst bewertete Veränderung der Gesundheit betrifft (Tabelle 2) (9). Die acht Dimensionen werden mit unterschiedlicher Gewichtung in eine körperliche und eine psychologische Summenskala zusammengefasst, die auch in dieser Auswertung benutzt wurden.

 

Tabelle 2: Dimensionen des MOS SF-36

Dimension, Abkürzung

Itemzahl

Beschreibung

Körperliche Funktionsfähigkeit (PF) 

10

Ausmaß, in dem der Gesundheitszustand körperliche Aktivitäten wie Selbstversorgung, Gehen, Heben beeinträchtigt

Körperliche Rollenfunktion (RP)

4

Ausmaß, in dem der Gesundheitszustand tägliche Aktivitäten und die Arbeit beeinträchtigt

Körperliche Schmerzen (BP)

2

Ausmaß von Schmerz und Auswirkung auf Arbeit

Allgemeine Gesundheit (GH)

5

Persönliche Beurteilung von Gesundheit (gegenwärtig, zukünftig, Widerstandsfähigkeit)

Vitalität (VT)

4

Gefühl, energiegeladen zu sein, voller Schwung oder müde und erschöpft

Soziale Funktionsfähigkeit (SF)

2

Ausmaß, indem die körperliche Gesundheit oder emotionale Probleme normale soziale Aktivitäten beeinträchtigen

Emotionale Rollenfunktion (RE)

3

Ausmaß, in dem emotionale Probleme die Arbeit und tägliche Aktivitäten beeinträchtigen

Psychisches Wohlbefinden (MH)

5

Allgemeine psychische Gesundheit einschließlich Depression, Angst, emotionale und verhaltensbezogene Kontrolle, allgemeine Gestimmtheit

Veränderung der Gesundheit

1

Beurteilung des aktuellen Gesundheitszustandes im Vergleich zum vergangenen Jahr

 

Statistische Auswertung

In die Studienauswertung eingeschlossen wurden alle Patienten, von denen zu Studienbeginn (Zeitpunkt t0) wenigstens die soziodemographischen Daten des Basisfragebogens vorlagen. In die weitere Auswertung sind die Fälle einbezogen, bei denen Angaben zu den jeweiligen Messzeitpunkten verfügbar waren. Als Patientenausfall wurde gewertet, wenn zu einem Erhebungszeitpunkt nicht wenigstens ein Fragebogen (von insgesamt fünf verschiedenen) vorlag. Apotheken wurden als ausgefallen gewertet, wenn zu einem Erhebungszeitpunkt keine Fragebögen von wenigstens einem betreuten Patienten vorlagen. In statistische Berechnungen von wiederholten Messungen gehen jeweils nur die Fälle ein, bei denen Angaben zu allen einbezogenen Messzeitpunkten (t0 bis t3 ) vorliegen.

Die Daten können für die Interventions- und die Kontrollgruppe sowohl über die Zeit als auch zwischen den Gruppen verglichen werden: Der Zeiteffekt gibt die Veränderung über die Zeit zwischen zwei Messzeitpunkten innerhalb einer Gruppe an. Der Gruppeneffekt tx bewertet die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen zum Zeitpunkt tx

Für einfache statistische Vergleiche zwischen den Gruppen wurden entweder nicht-parametrische Verfahren (Mann-Whitney U-Test) oder parametrische Verfahren (Students t-Test) verwendet; für zeitliche Vergleiche innerhalb einer Gruppe der Willcoxon Rank-Test oder der Students t-Test. Unterschiede in den erhobenen Parametern innerhalb der einzelnen Gruppen wurden mittels Chi2-Test quantifiziert (Fischer Exakt Test für Zellen mit weniger als 5 Beobachtungen).

Die statistische Signifikanz wurde mit einer Irrtumswahrscheinlich von p=0,05 definiert, hochsignifikante Ergebnisse mit p=0,001. Alle Tests wurden zweiseitig durchgeführt. Die Kalkulation der Einzeldimensionen und der Summenskalen des SF-36 folgte den Anleitungen im SF-36 Manual (9, 10). Die statistische Auswertung erfolgte mit dem SPSS Software Program, Version 10.0, die Analyse der Medikationshistorie mit Excel 97.

Ergebnisse: OMA erfasste rund 300 multimorbide Patienten

Insgesamt haben 301 Patienten aus 49 Apotheken die Studie begonnen und fast 60 Prozent nach 18 Monaten abgeschlossen (Tabelle 3). Alle Patienten erfüllten die Einschlusskriterien (siehe Titelbeitrag in PZ 11). Etwa 70 Prozent aller Interventions- und 60 Prozent der Kontrollapotheken sind bis zum Ende der Studie im Winter 1999/2000 verblieben.

 

Tabelle 3: Stichprobengröße

Teilnehmer

Interventionsgruppe

Kontrollgruppe

Gesamt

Patienten t0

196

105 

301

Apotheken t0

36

13

49

Patienten t3

123 (62,8%)

56 (53,3%)

179 (59,5%)

Apotheken t3

25 (69%)

8 (61%)

33 (67%)

 

Mehr als die Hälfte (50,5 Prozent) aller Patienten geben an, in den vergangen zwei Jahren im Krankenhaus gewesen zu sein; 95 Patienten (31,6 Prozent) einmal, der Rest mehrere Male. Die Stichprobe verzeichnet insbesondere in der Interventionsgruppe einen etwas höheren Anteil Frauen (Tabelle 4). Fast 40 Prozent aller Patienten leben allein. Mit einem Durchschnitt von sieben allopathischen verordneten Arzneimitteln (nach eigenen Angaben) wenden über 20 Prozent der Patienten zehn und mehr Arzneimittel an. Die Kontroll- und Interventionspatienten unterscheiden sich nicht in Alter, Geschlecht, Bildung, Lebensstatus (p>0,2) und Schuljahren (p=0,064; Mann-Whitney).

 

Tabelle 4: Demographische Unterschiede zwischen Patienten der Interventions- und Kontrollgruppe

Patientendaten

Interventionsgruppe

Kontrollgruppe

Gesamt

Alter (31. März 1997) (n = 300) 

74,10 ± 6,26

73,63 ± 6,16

73,9 ± 6,2 [64,7 - 101,8]

Weiblich (n = 301)

122 (62,2 %)

58 (55,2 %)

180 (59,8 %)

Durchschnittliche Anzahl Schuljahre (n = 277)

8,84 ±1,53

8,53 ± 1,31

8,73 ± 1,46 [6-14]

Alleine lebend (n = 296)

83 (42,3 %)

33 (33 %)

116 (39,1 %)

Verschreibungspflichtige AM (n = 297)

7,58 ± 2,91

6,99 ± 2,56

7,37 ± 2,8 [3-18]

 

Mit Blick auf Arzneimittelkonsum und Krankenhauseinweisungen kann angenommen werden, dass es sich bei der Stichprobe um multimorbide Patienten handelt, deren Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität erheblich eingeschränkt ist.

Unterschiede zwischen verbliebenen und ausgefallenen Patienten

16 von 49 Apotheken haben aus unterschiedlichen Gründen sämtliche Patienten über den Betreuungszeitraum verloren, 12 Apotheken haben alle Patienten bis zum Studienende betreut. Die Zahlen deuten darauf hin, dass Patientenausfälle eher apotheken- als patientenbedingt erfolgten. Dies bedeutet, dass patientenindividuelle Gründe wie beispielsweise Krankheit vermutlich eine untergeordnete Rolle gespielt haben dürften und Ausfälle eher durch mangelnden Kontakt zwischen Apotheker und Patient zu erklären sind.

Diese Annahme bestätigt sich angesichts der für die Patientenausfälle angegebenen Gründe (Tabelle 5). In fast 50 Prozent aller Fälle wird das Ausscheiden von Patienten auf den Ausfall einer Apotheke zurückgeführt, ohne dass weitere Gründe angegeben werden können. Allerdings scheinen in der Kontrollgruppe mehr Ausfälle wegen Krankheit oder Tod zu verzeichnen sein.

 

Tabelle 5: Gründe für den Ausfall von Patienten (Drop Outs) in Interventions- und Kontrollapotheken (nach Angaben der Apotheken)

Grund

Interventions-
patienten

Kontroll-
patienten

Gesamt

Apotheke ausgefallen

38

22

 60

Tod

8

8

16

Schwere Krankheit

3

5

8

Umzug

3

3

6

Demotiviert

5

2

7

Zeitmangel

2

0

2

Private Probleme

0

1

1

Kontakt zum Patienten verloren

2

0

2

Keine Angaben 

12

8

20

Gesamt

73

49

122

 

Die ausgefallenen Patienten sind signifikant älter (p=0,002). Dies trifft sowohl für die Patienten der Kontrollgruppe als auch der Interventionsgruppe zu. Die in der Studie verbliebenen Patienten der beiden Gruppen unterscheiden sich weder hinsichtlich ihres Alters (p>0,3; t-Test) noch in Geschlecht, Bildung oder Lebensstatus. Man kann daher davon ausgehen, dass die im nächsten Teil diskutierten Patientenergebnisse, insbesondere wenn Gruppenvergleiche vorgenommen werden, durch diese Variablen nicht beeinflusst werden.

 

Literatur 
zu Teil 2 und Teil 3

  1. Müller-Jaeger, A., Schaefer, M., Pharmaceutical Care in der Praxis: Startschuss für Pilotprojekt in Berlin. Pharm. Ztg. 141, Nr. 30 (1996) 2739-2748.
  2. Winterstein, A., Pharmaceutical Care - Grundlagen und Methoden zur Nutzenevaluation. Dissertation, Humboldt Universität Berlin 1999.
  3. Parkerson, G. R., Broadhead, W. E., Tse, C. J., Quality life and functional health of primary care patients. J. Clin. Epidemiol. 45, Nr. 11 (1992) 1303-1313.
  4. Slevin, M. L., et al., Who should measure quality of life, the doctor or the patient? Br. J. Cancer 57 (1988) 109-112.
  5. MacKeigan, L. D., Pathak, D. S., Overview of health-related quality-of-life measures. Am. J. Hosp. Pharm. 49 (1992) 2236-2245.
  6. Bullinger, M., Hasford, J., Evaluating quality of life measures in German clinical trials. Contr. Clin. Trials 12 (1991) 915-1015.
  7. Medical Outcomes Study Short Form 36 Items Health Survey, Medical Outcomes Trust, Boston Massachussetts 1993.
  8. Bullinger, M., Kirchberger, I., Der SF-36 Fragebogen zum Gesundheitszustand. Handbuch für die deutschsprachige Fragebogenversion. Medical Outcomes Trust, Boston MA 1995.
  9. Ware, J. E., et al., SF-36 Health Survey Manual and Interpretation Guide. The Health Institute, New England Medical Center. Boston MA 1993.
  10. Ware, J. E., Kosinski, M., Keller, S. D., SF-36 Physical and Mental Health Summary Scales: A User's Manual. The Health Institute, New England Medical Center, Boston 1994.

 

 

Für die Verfasser:
Professor Dr. Marion Schaefer
Institut für Pharmazie
Goethestraße 54
13086 Berlin

Den Abschlussbericht zur OMA-Studie in Westfalen-Lippe veröffentlicht die PZ in drei Teilen. Detaillierte Angaben zum Studiendesign und zum Prozess der Pharmazeutischen Betreuung lesen Sie im ersten Teil, der als Titelbeitrag in PZ 11 erschienen ist. Teil 3 stellt demnächst die konkreten Ergebnisse vor.Top

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