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Pentasaccharid senkt Thromboserisiko

19.02.2001  00:00 Uhr

Pentasaccharid senkt Thromboserisiko

von Ulrike Wagner, Düsseldorf

Das Risiko für Thrombosen ist in der orthopädischen Chirurgie hoch. Trotz gerinnungshemmender Medikamente klumpt bei bis zu 30 Prozent der Patienten das Blut. Neue Substanzen, die selektiv einzelne Gerinnungsfaktoren hemmen, sollen das Restrisiko senken. Dazu zählt zum Beispiel ein synthetisches Pentasaccharid, das selektiv den Faktor Xa inhibiert. Experten stellten die Ergebnisse von vier Phase-III-Studien erstmals in Europa während der Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung vor.

Der neue Wirkstoff reduzierte das venöse Thromboserisiko von besonders gefährdeten Patienten um etwa die Hälfte. Mit der Zulassung des Präparates in Deutschland rechnet der Hersteller Sanofi-Synthelabo, der das Pentasaccharid gemeinsam mit Organon entwickelt hat, im Jahr 2002.

Insgesamt haben mehr als 8000 Patienten an den prospektiven, randomisierten Multicenterstudien teilgenommen, von denen zwei hauptsächlich in den USA liefen (Pentamaks und Pentathlon), zwei in Europa (Ephesus und Penthifra). Die Patienten erhielten entweder einmal täglich 2,5 mg Pentasaccharid (Org31540/SR90107A) oder 40 mg Enoxaparin. In Europa wurde das niedermolekulare Heparin entsprechend der Zulassung einmal täglich vor der Operation verabreicht, in den amerikanischen Studien 30 mg zweimal täglich nach der Operation.

Neue Klasse von Antithrombotika

"Es handelt sich um eine völlig neue Klasse synthetischer Antithrombotika", erklärte Privatdozent Dr. Rupert M. Bauersachs von der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Das Pentasaccharid wird synthetisch hergestellt, eine Kontaminationsgefahr ist damit ausgeschlossen. Zudem ist das Molekül im Gegensatz zu den Heparinen chemisch definiert, mit einem Molekulargewicht von 1,7 kDa. Chargenvariabilitäten treten nicht auf. Nach subkutaner Applikation beträgt die Halbwertszeit 14 bis 16 Stunden und ermöglicht so die einmal tägliche Gabe sowohl zur Prophylaxe als auch in der Therapie. Eine halbmaximale Plasmakonzentration ist innerhalb von 25 Minuten erreicht.

Die Wirkung des Pentasaccharids entfaltete sich, indem es an Antithrombin bindet und den Gerinnungsfaktor zur Konformationsänderung veranlasst. Dadurch wird der Faktor Xa gehemmt, der Prothrombin zu Thrombin prozessiert. Fibrinogen wird letztlich nicht in Fibrin umgewandelt und die Thrombusbildung verhindert.

Vier Phase-III-Studien

In die Ephesus-Studie wurden Patienten aufgenommen, die ein neues Hüftgelenk erhielten oder deren Wunde erneut geöffnet werden musste. Die Daten von mehr als 1800 Patienten wurden für die Bewertung der Wirksamkeit ausgewertet. In der Pentasaccharid-Gruppe erlitten 4,1 Prozent der Patienten eine Thrombose, unter Enoxaparin 9,2 Prozent. Die Ergebnisse seien statistisch hochsignifikant, erklärte Professor Dr. Bengt I. Eriksson vom Institute of Surgical Sciences der Universität Göteborg in Schweden.

Ähnlich gut waren die Resultate der Penthifra-Studie, an der Patienten mit einer Fraktur im oberen Drittel des Oberschenkels teilnahmen. Die Ergebnisse von 1250 Patienten konnten ausgewertet werden: 19,1 Prozent der Patienten unter Enoxaparin erlitten eine Thrombose, aber nur 8,3 Prozent, die das Pentasaccharid erhalten hatten. Schwerere Blutungen traten in beiden Gruppen etwa gleich häufig auf, unter dem Pentasaccharid kam es etwas häufiger zu kleineren Blutungen. Eriksson stufte das Sicherheitsprofil der beiden Substanzen dennoch als etwa vergleichbar ein, ebenso wie bei den Ergebnissen der Ephesus-Studie.

An der amerikanischen Pentamaks-Studie hatten Patienten teilgenommen, die eine Kniegelenkprothese erhielten. Auch hier reduzierte sich das relative Risiko für Thrombosen um etwa 55 Prozent. 27,8 Prozent der Patienten, die Enoxaparin erhalten hatten, erlitten eine Thrombose, aber nur 12,5 Prozent mit dem Pentasaccharid. Bei der Pentathlon-2000-Studie reduzierte sich das relative Thromboserisiko nur um 25 Prozent. Teilgenommen hatten hier Patienten mit einer frisch implantierten Hüftgelenkprothese erhielten, die Ergebnisse von fast 1600 Patienten gingen in die Auswertung der Wirksamkeit ein. Beide amerikanischen Studien hätten ein zu den niedermolekularen Heparinen vergleichbares Sicherheitsprofil für das Pentasaccharid ergeben, erklärte Professor Dr. Alexander Turpie von der McMaster University in Ontario, Kanada. Er räumte allerdings einen statistisch signifikanten Unterschied beim Blutungsindex zu Ungunsten des neuen Präparats ein.

Zukünftige Anwendungen

Das Pentasaccharid soll in Zukunft nicht nur bei Hochrisikopatienten in der orthopädischen Chirurgie eingesetzt werden. Derzeit laufen auch Studien zur Wirksamkeit des Präparats bei tiefen Venenthrombosen und bei Lungenembolie. Auch in der Kardiologie soll das Zuckermolekül eingesetzt werden, zum Beispiel bei instabiler Angina pectoris, berichtete Professor Dr. Harry R. Büller vom Academic Medical Center in Amsterdam.

Privatdozent Dr. Sebastian M. Schellong vom Universitätsklinikum in Dresden betonte, dass die Studien nur Erfolge in der postoperativen Behandlung belegen, wie sie in den USA üblich ist. Das Präparat sollte zur Prophylaxe zwischen vier und acht Stunden nach der Operation gegeben werden. In den europäischen Studien hatten die Patienten das niedermolekulare Heparin zwar präoperativ erhalten, das Pentasaccharid jedoch fast ausschließlich postoperativ.

Die Referenten erwarten auch in Europa einen Shift von der prä- zur postoperativen Propyhlaxe von Thrombosen. In den USA hatte sich dieses Regime eingebürgert, weil viele Patienten erst am Morgen vor der Operation ins Krankenhaus kommen. Eine präoperative Thromboseprophylaxe war hier schon aus praktischen Gründen nicht möglich. Top

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