Universelles Werkzeug für die Arzneistoffentwicklung |
21.01.2002 00:00 Uhr |
KONFOKALE LASERMIKROSKOPIE
von Alf Lamprecht, Ulrich Schäfer und Claus-Michael Lehr, Saarbrücken
Neue Arzneistoffe beziehungsweise Drug-Delivery-Systeme untersucht man während ihrer Entwicklung mit Hilfe von In-vitro-Testsystemen auf ihre biopharmazeutischen Eigenschaften. Dabei spielen auch Zellkultursysteme eine immer größere Rolle. Bei solchen Untersuchungen steht besonders der Transport von Wirkstoffen über eine künstlich hergestellte Absorptionsbarriere im Vordergrund, wobei neben der Arzneistoffmenge auch die Transportwege von Bedeutung sind. Konventionelle mikroskopische Methoden können diese Informationen nur begrenzt liefern. Eine Alternative ist die konfokale Lasermikroskopie.
Durch eine geeignete Kombination von Lochblenden und Spiegeln wird beim konfokalen Lasermikroskop erreicht, dass das unerwünschte, für die Unschärfe des Bildes verantwortliche Streulicht von außerhalb des Bildpunktes ausgeblendet wird und somit nur der scharf abbildbare Bereich des Objekts überhaupt sichtbar wird (1, 2). Die zu untersuchende Probe wird in dieser optischen Ebene durch einen beweglichen Lichtpunkt abgetastet, die Veränderungen im von der Probe emittierten Licht mittels einer photoelektrischen Zelle detektiert, elektronisch verarbeitet und durch einen Computer bildlich dargestellt.
Auf dem Bildschirm des Computers erscheint daher kein wirkliches lichtmikroskopisches Bild, sondern ein elektronisch erzeugtes Schnittbild des Objekts im Bereich der Schärfentiefe des verwendeten optischen Systems. Konfokale Lasermikroskopie ist also eine Art "elektronische Lichtmikroskopie", deren apparative Entwicklung erst durch die Verfügbarkeit von leistungsfähigen Laser- und Computersystemen möglich wurde.
Ein Vorteil des konfokalen Lasermikroskops gegenüber der weiter verbreiteten konventionellen Licht- beziehungsweise Transmissions-Elektronenmikroskopie besteht in der Möglichkeit, sehr dünne, bis zu weniger als 1 µm dicke, optische Querschnitte aus wesentlich dickeren Präparaten abzubilden, ohne dass langwierige oder zerstörende Probenvorbereitungen, insbesondere keine ultradünnen Schnitte, notwendig sind. Der wichtigste Unterschied besteht jedoch darin, dass das konfokale Lasermikroskop entlang der z-Achse in der Probe alle optischen Ebenen scharf abbilden kann. Aus einer geeigneten Serie solcher "elektronischer Querschnitte" kann anschließend mit Hilfe des Computers das gesamte Objekt dreidimensional rekonstruiert und betrachtet werden.
Verschiedene Einsatzgebiete
Die Anwendungsmöglichkeiten der konfokalen Lasermikroskopie für die Untersuchung von Zellkulturen sind sehr unterschiedlich. Zum einen kann sie charakteristische Strukturen der verwendeten Zellen sichtbar machen, wie zum Beispiel den Zellkern, bestimmte Zellkompartimente oder spezifische Oberflächenrezeptoren. Da die konfokale Lasermikroskopie nur fluoreszierende Strukturen entdeckt, müssen allerdings nicht von sich aus fluoreszierende Strukturen zuvor markiert werden. Dabei färbt man bestimmte Zellstrukturen durch Fluoreszenzfarbstoffe an, die sich in einzelnen Regionen der Zelle (zum Beispiel im Zellkern oder in den Mitochondrien) anreichern. Darüber hinaus kann man auch bestimmte Zellbestandteile gezielt nachweisen, indem man Liganden, die spezifisch an die gewünschten Strukturen binden, mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert und anschließend mit dem konfokalen Lasermikroskop abbildet.
Das konfokale Lasermikroskop eignet sich auch für Untersuchungen an Arzneiformen; zum Beispiel um fluoreszenzmarkierte Arzneistoffträger wie Liposomen, Mikro- oder Nanopartikeln, innerhalb von biologischen Geweben zu bestimmen - teilweise sogar quantitativ. Auch die Charakterisierung von inneren Strukturen und Materialeigenschaften fester Arzneiformen wie Tabletten, Pellets oder Mikropartikel sowie die Analyse von Wirkstoff-Freisetzungskinetiken aus solchen Arzneiformen ist bereits etabliert.
Anwendung in der Biopharmazie
Kulturen epithelialer Zellen sind Standard-Testsysteme, um die Absorption beziehungsweise Permeabilität von neuen Arzneistoffen über biologische Barrieren zu untersuchen und die jeweiligen Transportwege aufzuklären. Die Verwendung als pharmazeutisches In-vitro-Testsystem macht eine exakte strukturelle und funktionelle Charakterisierung einer solchen Zellkultur notwendig. Um Charakteristika innerhalb oder auf den Zellen zu entdecken, existieren verschiedene Färbetechniken. Dabei beruht das Anfärben auf den beiden zuvor genannten Strategien: Akkumulation des Farbstoffes auf Grund seiner bevorzugten Löslichkeit innerhalb bestimmter Zellstrukturen, zum Beispiel Membranen, oder spezifische Bindung fluoreszenzmarkierter Biomoleküle wie Antikörper oder Lektine. Diese so genannten Immunfluoreszenzmethoden machen die gewünschte zelluläre Struktur sichtbar.
Zusätzlich kann durch geeignete Fluoreszenzmarker die Konzentration von Ionen oder die Aktivität anderer zellulärer Parameter (zum Beispiel das Membranpotenzial) quantitativ bestimmt werden (3). Die konfokale Lasermikroskopie kann nicht in allen Fällen die Standardverfahren wie Phasenkontrast- und Elektronenmikroskopie ersetzen. Aber der Einsatz jener "konventionellen" Techniken ist besonders bei dicken Proben begrenzt oder wenn mehrere optische Schnitte entlang der z-Achse innerhalb der Probe notwendig sind. Außerdem erfordern Raster- oder Transmissionselektronenmikroskopie immer eine relativ aufwendige Probenvorbereitung. Auch Artefakte oder Schwierigkeiten bei der Detektion von Strukturen in molekularer Größe sind ein Nachteil konventioneller Methoden. Die konfokale Lasermikroskopie in Kombination mit den beschriebenen Immunfluoreszenzmethoden ist also ein hervorragendes Werkzeug, um Zellkultursystemen zu untersuchen und zu optimieren.
Wirkstoffe lokalisieren
Ein weiteres Anwendungsgebiet der konfokalen Lasermikroskopie sind spezielle biopharmazeutische Fragestellungen. Ein Beispiel dafür ist die Visualisierung von Transportwegen von zu untersuchenden Arzneistoffen über zelluläre Membranen. Vertikale optische Schnitte entlang der Zellschichten eines Gewebes erlauben es, mögliche Besonderheiten des Transports über die jeweiligen Barrieren zu beobachten. So kann man den parazellulären oder transzellulären Transport des Arzneistoffs über das Darmepithel (4, 5) bestimmen sowie die Wirkung von Absorptionsverbesserern auf die normalerweise dicht geschlossenen Zell-Zell-Verbindungen (tight junctions) messen.
Der Einsatz von Absorptionsverbesserern dürfte vor allem für die Applikation von pharmakologisch aktiven Makromolekülen, wie Proteinen und Peptiden, bedeutsam sein. Diese Wirkstoffgruppe ist zwar pharmakologisch sehr potent, aber die Größe der Moleküle und ihre Hydrophilie machen beim Transport über biologische Barrieren große Probleme (6, 7).
Untersuchungen neuerer Arzneiformen, wie Liposomen, Mikro- und Nanopartikeln, die sich auf Grund ihrer geringen Größe oder ihrer spezifischen Oberflächeneigenschaften in verschiedenen Geweben anreichern können, sollen klären, wo sich das Trägersystem befindet und den enthaltenen Arzneistoff freigibt. Mit Hilfe der Fluoreszenzmarkierung lassen sich diese Trägersysteme eindeutig identifizieren und mit dem konfokalen Mikroskop im Gewebe lokalisieren.
Charakterisierung von Arzneiformen
Auch bei der Charakterisierung von konventionellen Arzneiformen ist die konfokale Lasermikroskopie hilfreich, zum Beispiel um interne Strukturen in Tabletten abzubilden, ohne sie zu zerstören (8). Partikeldeformierungen und Veränderungen von Wirk- und Hilfsstoffen unter Einfluss der Presskräfte lassen sich damit sehr gut verfolgen.
Vor allem werden aber neue Arzneiformen mit konfokaler Lasermikroskopie untersucht. Auf Grund ihrer geringen Größe und ihrer Depoteigenschaften entscheidet man sich bei der Entwicklung von Arzneimitteln immer häufiger für Formulierungen als Mikropartikel (Decapeptyl Depot®, Enantone Depot®, Parlodel LA®, Parlodel LAR®, Zoladex®). Hier kann die konfokale Lasermikroskopie bei der Visualisierung von Strukturen eingesetzt werden, die im Inneren von Mikropartikel-Proben eindeutig identifiziert werden sollen (9), einschließlich der Bestimmung deren Freisetzungskinetiken und dem Quellungsverhalten (10-12).
Einen besonderen Vorteil hat das Lasermikroskops bei der Formulierung von Biomolekülen, die man mit einem Elektronenmikroskop nicht ohne größere Probleme abbilden oder gar identifizieren kann. Bei einigen Herstellungsverfahren für Mikropartikel können sich die zu verkapselnden Proteinwirkstoffe in vorhandene Phasengrenzen einlagern und bei Kontakt mit organischen Lösungsmitteln denaturiert werden, was zu einem deutlichem Aktivitätsverlust führt. Das konfokale Lasermikroskop hilft, schnell und einfach solche Phänomene aufzuklären und die Proteine innerhalb des Trägersystems zu lokalisieren (13, 14).
Die konfokale Lasermikroskopie ist in der biopharmazeutischen Forschung ein sehr nützliches Werkzeug, um Zellkulturen und Arzneistoffträgersysteme bildhaft darzustellen. Solange eine Probe hinreichend transparent ist, können innere Strukturen relativ einfach und ohne weitere Probenvorbereitung abgebildet und identifiziert werden. Da eine dreidimensionale Lokalisierung und Rekonstruktion in der Probe möglich ist, erhält man auch zusätzliche Informationen über Probenzusammensetzung und Verteilungen von bestimmten Substanzen innerhalb der Objektstrukturen. Konfokale Lasermikroskopie ist eine vielseitig anwendbare Technik, die einfach zu handhaben ist und wertvolle, zusätzliche zu den mit normaler optischer oder Elektronenmikroskopie erworbenen Informationen liefert.
Interessante Einblicke in Welt der konfokalen Lasermikroskopie gibt es im Internet unter www.aapspharmscitech.org/pharmscitech.
Der 4. Internationale Workshop on Cell Culture and in-vitro Models for Drug Absorption and Delivery vom 20. Februar bis 1. März an der Universität Saarbrücken beschäftigt sich unter anderem mit der konfokalen Lasermikroskopie. Mehr Infos unter www.uni-saarland.de/cellcourse2002.
Literatur
Für die Verfasser:
Professor Dr. Claus-Michael Lehr
Fachrichtung Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie, FR 8.6
Universität des Saarlandes
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