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Sirolimus, ein neues Immunsuppressivum

Datum 30.12.2002  00:00 Uhr
Arzneistoffprofil

Sirolimus, ein neues Immunsuppressivum

von Anja Friederike Hofner*, Maximiliansau

*) unter Mitarbeit von Hartmut Morck, Martin Schulz, Rolf Thesen und Petra Zagermann-Muncke

Mit Sirolimus (Rapamune®, älterer Name: Rapamycin) wurde im März 2001 ein Immunsuppressivum mit neuem Wirkmechanismus zur Prophylaxe der Organabstoßung nach Nierentransplantationen zugelassen.

Im Gegensatz zu den Calcineurin-Inhibitoren Ciclosporin A und Tacrolimus hat Sirolimus selbst keine Nieren schädigenden Wirkungen, kann aber auf lange Sicht die Nephrotoxizität anderer Substanzen verstärken. Daher erfolgte die Zulassung in Europa nicht wie in den USA als langfristiger Zusatz zu Ciclosporin A, sondern als Erhaltungstherapie nach kombinierter Initialbehandlung.

Einen großen Durchbruch in der Transplantationsmedizin bedeutete die Einführung von Ciclosporin A (CsA, zum Beispiel Sandimmun®) Anfang der achtziger Jahre. Abstoßungsraten und Überlebenszeit und damit die Gesamtprognose wurden so massiv verbessert, dass Organtransplantationen bei einem wesentlich größeren Patientenkollektiv möglich wurden und heute fast zur Routine zählen. 1999 wurden in Deutschland in vierzig Kliniken 2275 Nierentransplantationen vorgenommen, wobei die gleich bleibende Zahl einem leicht wachsenden Bedarf gegenübersteht (etwa 3000 Neuanmeldungen pro Jahr; (2)).

Auch heute noch, nach gut zwanzig Jahren, ist CsA der Hauptpfeiler jeder Transplantat erhaltenden Therapie, ergänzt durch Corticoide und antibiotische Prophylaxe. Allerdings ist die Anwendung in der Praxis durch die dosisabhängige, hohe Nephrotoxizität eingeschränkt, wobei das neue Organ gerade durch das erhaltende Therapeutikum geschädigt wird. Diese Nebenwirkung ist mechanistisch bedingt und mit der Calcineurin-Hemmung direkt verknüpft, so dass der Bedarf für ein Immunsuppressivum mit anderem Wirkmechanismus bestand.

Da auch das 1989 eingeführte Tacrolimus die Aktivität der Kinase Calcineurin hemmt, kann es ebenfalls die Nieren schädigen. Andere Calcineurin-unabhängige Immunsuppressiva (Azathioprin und Mycophenolatmofetil, MMF) weisen jedoch zu wenig eigene Wirkstärke auf, um eine routinemäßige Dosisreduktion von CsA während des ersten Jahres nach der Transplantation zu erlauben.

Der zunächst getestete und in den USA zugelassene Zusatz von Sirolimus zu einem Standardschema aus CsA und Steroiden als Tripeltherapie war zwar durchaus effektiv, aber auf lange Sicht nicht weniger nephrotoxisch. Ziel musste es daher sein, durch Ausnutzung synergistischer Effekte eine Reduktion der CsA-Dosis zu ermöglichen, ohne dass - wie bei Azathioprin, MMF und Steroiden allein - nach dem Absetzen von CsA wieder Abstoßungsreaktionen auftreten.

Mittlerweile sind einige klinische Studien über Therapieschemata mit Sirolimus publiziert, wobei jedoch Langzeitergebnisse zu Wirksamkeit und Sicherheit noch fehlen (3, 4).

Chemische Klassifikation

Sirolimus ist ein natürliches Fermentationsprodukt der Actinomyces-Art Streptomyces hygroscopicus, das vor etwa 25 Jahren aus einer Bodenprobe der Osterinsel (Rapa Nui) isoliert wurde und als putatives Fungizid den Namen Rapamycin erhielt. Da die antifungale Wirksamkeit von schweren immunsupprimierenden Nebenwirkungen überschattet war, wurde die Entwicklung eingestellt und erst im Zuge der Markteinführung des strukturähnlichen Tacrolimus (Prograf®) zur Abstoßungsprophylaxe wieder aufgenommen.

Bei Sirolimus handelt es sich um ein 31-gliedriges Makrolid-Antibiotikum (makrozyklisches Lacton) mit einem Molekulargewicht von 914,2 und einer Trien-Struktur als Besonderheit. Strukturell ähnelt es stark dem ebenfalls immunsupprimierend wirkenden Tacrolimus. Die Summenformel lautet C51H79NO13.

Indikationen und Anwendung

Sirolimus ist europaweit zugelassen zur Prophylaxe der Organabstoßung bei erwachsenen Patienten mit gering bis mittelgradig erhöhtem immunologischen Risiko, die ein Nierentransplantat erhalten. Dabei ist ein mehrstufiges Therapieschema unter Überwachung durch einen entsprechend qualifizierten Transplantationsspezialisten vorgeschrieben (1).

Möglichst bald nach der Transplantation werden zunächst einmalig peroral 6 mg verabreicht, gefolgt von einmal täglich 2 mg. Während einer zwei bis drei Monate dauernden initialen Kombinationstherapie mit Ciclosporin-Mikroemulsion und Steroiden sollte die Sirolimus-Dosis individuell so angepasst werden, dass Vollblut-Talspiegel zwischen 4 bis 12 ng/ml erreicht werden. Der empfohlene Bereich für die Ciclosporin-Talspiegel liegt bei 150 bis 400 ng/ml.

Danach folgt eine Ausschleichphase von vier bis acht Wochen, in denen CsA stufenweise abgesetzt wird. Diese Phase leitet über zu einer Ciclosporin-freien Erhaltungstherapie mit Sirolimus-Talblutspiegeln von 12 bis 20 ng/ml. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich alle Angaben auf chromatographische Methoden beziehen; immunologische Assays ergeben um etwa 25 Prozent höhere Werte. Da nach Absetzen von Ciclosporin pharmakokinetische Interaktionen wegfallen und die immunsuppressiven Anforderungen höher sind, muss die Sirolimus-Dosis in der Regel vervierfacht werden.

 

Arzneimittelprofil Sirolimus ist der arzneilich wirksame Bestandteil des Fertigarzneimittels Rapamune® des Herstellers Wyeth Europa Ltd., Taplow, Großbritannien. Die Lösung zum Einnehmen mit einer Konzentration von 1 mg/ml ist erhältlich in Kartons mit je 30 Einmaldosisbeuteln aus laminierter Aluminiumfolie zu 1 ml, 2 ml und 5 ml Inhalt. Für Krankenhausapotheken sind auch Typ-III-Braunglasflaschen zu 60 ml und zu 150 ml mit Spritzenadapter und 30 Einmalspritzen erhältlich.

Hilfsstoffe: Polysorbat 80, Phosal 50, PGH ((3-sn-Phosphatidyl)-cholin aus Sojabohnen), Propylenglycol, Fettsäuremono- und -diglyceride aus Sojaöl, Ethanol (1,5 bis 2,5 Prozent), Sojafettsäuren und Palmitoylascorbinsäure.

Datum der Zulassung: 13. März 2001 (1).

 

Eine regelmäßige Kontrolle durch Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) ist routinemäßig während der gesamten Behandlung unbedingt erforderlich. Dies gilt besonders in der Ausschleichphase von CsA, bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen sowie bei gleichzeitiger Behandlung mit starken CYP3A4-Inhibitoren oder -Induktoren (1, 5, 14, 15).

Für Kinder und ältere Personen (über 65 Jahren) liegt nur unzureichendes Zahlenmaterial vor. Bei 35 untersuchten älteren Patienten waren die beobachteten Talspiegel im TDM mit denen der Jüngeren vergleichbar (1). Bei Nierenfunktionsstörungen ist keine Dosisanpassung erforderlich; bei Leberfunktionsstörungen sollte die Kontrolle noch engmaschiger erfolgen und die Dosis entsprechend angepasst werden. Bei schweren Leberfunktionsstörungen wurde die Pharmakokinetik nicht untersucht (1).

Die Trinklösung wird aus dem Dosierbeutel oder mit Hilfe einer Applikationsspritze aus der Flasche in ein Glas- oder Plastikgefäß entleert und mit mindestens 60 ml Orangensaft oder Wasser verdünnt. Der Patient sollte mindestens 120 ml Flüssigkeit nachtrinken. Andere Flüssigkeiten dürfen nicht verwendet werden; besonders Grapefruitsaft ist wegen seiner CYP3A4-hemmenden Eigenschaften ganz zu meiden.

Während der Therapie mit der hoch lipophilen Substanz sollten die Mahlzeiten hinsichtlich Art und Zusammensetzung möglichst gleich bleiben. Als optimaler Einnahmeabstand werden vier Stunden nach der Einnahme von CsA empfohlen (1).

Wirkung und Wirkmechanismus

Sirolimus hemmt die Proliferation von T-Zellen und unterdrückt so die T-Zell-vermittelten Abstoßungsreaktionen. Die Angaben über die nötigen 50-prozentige Hemmkonzentrationen (IC50) in vitro schwanken stark im Bereich von 0,1 bis 300 nM (5).

Im Gegensatz zu CsA und Tacrolimus entfaltet Sirolimus seine T-Zell-supprimierenden Wirkungen über einen anderen, Calcineurin-unabhängigen Mechanismus. Nach Aufnahme in die Zelle erfolgt ebenfalls eine Bindung an ein Immunophilin, und zwar an dasselbe Protein wie Tacrolimus, nämlich das intrazelluläre FK-Binding-Protein FKBP 12.

Der entstehende Komplex hemmt dann allerdings nicht die Phosphatase Calcineurin und damit die Ca2+-abhängige Transkription der Gene für die Synthese von Interleukin-2 und weiteren Zytokinen in der frühen G1-Phase. Angriffspunkt ist vielmehr ein anderes, ebenfalls als Kinase aktives Enzym, das als mTOR (mammalian target of rapamycin) bezeichnet wird. Es ermöglicht nach Aktivierung durch Interleukin-(IL)-2 den Übergang von der späten G1- in die S-Phase des Zellreplikationszyklus und damit die Proliferation der T-Zellen (6). Da nicht die Interleukin-Produktion selbst, sondern eine spätere Signaltransduktion inhibiert wird, bleiben andere Effekte wie die IL-2-vermittelte Apoptose erhalten.

Für diesen späteren Angriffspunkt spricht auch die Tatsache, dass Sirolimus, im Gegensatz zu CsA und Tacrolimus, in Zellversuchen die T-Zell-Proliferation auch noch unterdrückt, wenn es erst 24 Stunden nach der Stimulation zugegeben wird (7). Grob vereinfacht gesagt, hemmen also CsA und Tacrolimus die Produktion von Zytokinen, während Sirolimus die Antwort auf Zytokine unterdrückt (14).

Weitere Wirkungen wurden in vitro postuliert, zum Beispiel die Hemmung von IL-2-abhängiger und -unabhängiger B-Zell-Proliferation und eine Beeinflussung der Synthese von IgA, IgM und IgG (8, 9). Sirolimus scheint auch die Proliferation einiger nicht lymphoider Tumorzellen und glattmuskulärer Zellen zu hemmen, woraus auf eine mögliche Wirksamkeit bei Gefäßschädigungen (Verdickungen) im Zusammenhang mit chronischen Abstoßungsreaktionen geschlossen wurde (10, 11, 12).

Zudem entdeckte eine japanische Forschergruppe kürzlich einen Rapamycin-empfindlichen Pathway in der Insulin-Signalübertragungskette, wobei eine Downregulation von Insulin-Effekten durch Sirolimus aufgehoben werden konnte (13). Die Tragweite dieser In-vitro-Beobachtungen ist noch unklar. Mit Sicherheit sind aber durch die Hemmung der Zytokin-vermittelten Signalübertragung vielfältigere Effekte zu erwarten, als eine Phasenübergangshemmung allein erklären kann.

Unerwünschte Wirkungen

Die in der Praxis bedeutsamsten Nebenwirkungen sind Störungen des Lipid- und Cholesterolstoffwechsels (Hyperlipidämien), die bei etwa der Hälfte aller Patienten auftreten. Häufig ist daher eine Begleitmedikation mit Statinen oder Fibraten nötig, wenn die Werte nicht nach einigen Monaten von selbst auf ein normales Niveau absinken. Eine Dosisreduktion von Sirolimus sollte eher vermieden werden.

Bedingt durch die Immunsuppression werden höhere Infektanfälligkeit (vor allem Harnwegsinfekte) bis hin zur Sepsis und ein erhöhtes Risiko für maligne Syndrome, insbesondere Lymphome und Hautkrebs, beobachtet. Auch im Tierversuch erwies sich die Substanz als stark kanzerogen. Beobachtete Inzidenzen in klinischen Studien ergaben keine Hinweise auf eine weitere Risikoerhöhung durch Zusatz zu einer bestehenden immunsuppressiven Therapie.

Sirolimus selbst ist nicht nephrotoxisch. Die glomerulären Filtrationsraten (GFR) als Maß für die Transplantatfunktion liegen unter Sirolimus (plus Azathioprin oder MMF) höher als in der Kontrollgruppe (CsA plus Azathioprin oder MMF): GFR nach einem Jahr 68,6 ml/min versus 59,7 ml/min, nach zwei Jahren 69,0 versus 56,8 ml/min. Dennoch lag in den beiden zur Zulassung eingereichten Phase-III-Studien die GFR bei der Kombination aus CsA mit 5 mg Sirolimus signifikant niedriger als bei CsA plus Placebo oder Azathioprin allein. In der Kombination mit 2 mg Sirolimus wurde kein Unterschied beobachtet. Dies bewerteten die europäischen Zulassungsbehörden als Verstärkung der Ciclosporin-induzierten Nephrotoxizität, die nach dreimonatiger Therapie sichtbar wurde (22).

Des weiteren werden in der Fachinformation folgende Symptome als sehr häufig (mehr als 10 Prozent) aufgeführt: Lymphozele, Unterleibsbeschwerden, Diarrhöe, Anämie, Thrombozytopenie, Hypokaliämie, Arthralgie und Akne. Häufig (1 bis 10 Prozent) waren abnorme Wundheilung, Ödeme, Infektionen (mykotisch, bakteriell und viral), Tachykardie, Stomatitis, Leukopenie, thrombotische Purpura, abnorme Leberwerte, Osteonekrose, Epistaxis, Pneumonie, Ausschlag und Pyelonephritis (1).

In letzter Zeit erschienen einige Publikationen über das vermehrte Auftreten von interstitieller Pneumonitis in Zusammenhang mit der Gabe von Sirolimus.

Kontraindikationen

In der Fachinformation zu Rapamune® (1) wird als Kontraindikation nur Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder Hilfsstoffe genannt. Zur Anwendung während der Schwangerschaft liegen keine Untersuchungen vor. Wegen der im Tierexperiment erwiesenen Reproduktionstoxizität wird von der Anwendung jedoch dringend abgeraten, außer wenn dies unbedingt erforderlich ist, desgleichen vom Stillen. Eine zuverlässige Empfängnisprophylaxe wird bis zwölf Wochen nach Therapieende empfohlen.

Entsprechend der Zulassungseinschränkung darf Sirolimus nicht bei erhöhtem immunologischen Risiko für Organabstoßung eingesetzt werden (1).

Wechselwirkungen

Da Sirolimus ein Substrat für das Cytochrom-Isoenzym CYP3A4 und die unter anderem im Dünndarm lokalisierte Protonenpumpe P-Glykoprotein ist, sind vor allem Wechselwirkungen mit den bekannten Induktoren oder Inhibitoren sowie konkurrierenden Substraten dieser Enzyme oder Transporter zu beachten.

Die Blutspiegel und AUC von Sirolimus steigen unter Ciclosporin (plus 80 Prozent), Ketoconazol (plus 990 Prozent!) und Diltiazem, während Rifampicin sie vermindert. Die Resorptionsverstärkung durch CsA fällt bei gleichzeitiger Gabe noch wesentlich stärker aus, so dass zwischen der Einnahme der beiden Substanzen immer ein Abstand von vier Stunden liegen sollte.

Auf Grund ihrer Induktions- oder Inhibitionswirkung für CYP3A4 sind mit folgenden Arzneistoffen weitere Interaktionen zu erwarten: Calciumkanalblocker vom Nifedipin-Typ, Antimykotika, Makrolid-Antibiotika vom Erythromycin-Typ, Bromocriptin, Cimetidin, Danazol, Johanniskraut, Antikonvulsiva und Rifabutin. Auch Grapefruitsaft muss aus diesem Grund dringend vermieden werden.

Peristaltikanreger können die niedrige Resorption von Sirolimus weiter verschlechtern. Ein Einfluss auf den Metabolismus und damit die Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva ist nicht auszuschließen, wenngleich eine Studie keine klinisch signifikante Interaktion mit 0,3 mg Norgestrel/0,03 mg Ethinylestradiol ergab (1).

Pharmakokinetik

Die perorale Bioverfügbarkeit von Sirolimus ist mit etwa 15 Prozent relativ gering. Die Resorption der hoch lipophilen Substanz ist nahrungsabhängig und unterliegt hohen intra- und interindividuellen Schwankungen. Die maximalen Blutspiegel werden etwa eine Stunde nach einer Einmaldosis und circa zwei bis drei Stunden nach wiederholter Gabe erreicht, wobei die erzielten Maximalkonzentrationen nach Mehrfachgabe etwa um das Dreifache erhöht sind.

Auf Grund der starken Affinität zu festen Blutbestandteilen (Blut/Plasma-Verhältnis 36 : 1) sollten immer die Vollblutspiegel bestimmt werden. Die Plasmaproteinbindung beträgt 92 Prozent. Das kalkulierte Verteilungsvolumen (Vss/F) ist stark körpergewichtsabhängig und wird mit 5,6 bis 16,7 l/kg angegeben. Im Dosisbereich von 2 bis 24 mg ist die Pharmakokinetik sowohl bei gesunden Probanden als auch bei stabilen nierentransplantierten Patienten linear.

Der Metabolismus erfolgt hauptsächlich über O-Demethylierung oder Hydroxylierung durch das mikrosomale Cytochrom-Isoenzym CYP3A4 zu zahlreichen Metaboliten, wobei sieben Hauptmetabolite im Vollblut identifiziert werden können. Deren Konzentration und Aktivität ist jedoch gering; Sirolimus selbst ist zu über 90 Prozent für die immunsupprimierende Wirkung verantwortlich.

Die mittlere terminale Halbwertszeit nach multipler peroraler Verabreichung beträgt im Durchschnitt 62 +/- 16 Stunden. Die effektive Halbwertszeit ist jedoch kürzer, und die mittleren Konzentrationen im Steady state werden nach 5 bis 7 Tagen erreicht. Die Ausscheidung erfolgt bei gesunden Probanden zu über 90 Prozent über die Faeces, nur etwa 2 Prozent der verabreichten Radioaktivität wurden im Urin wiedergefunden.

Mit einer Tagesdosis von 2 mg erzielt man im Mittel Talblutspiegel von 9 ng/ml (5 bis 15 ng/ml), bei einer Tagesdosis von 5 mg 17 ng/ml (10 bis 28 ng/ml). Bei Nierenfunktionsstörungen sind keine Dosisanpassungen erforderlich. Bei leichten und mittelschweren Leberfunktionsstörungen (Child-Pugh A oder B) änderte sich die Resorption nicht. Die Clearance war aber um ein Drittel vermindert und dementsprechend die Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (AUC); die Halbwertszeit erhöhte sich um 61 und 43 Prozent (14, 15).

Klinische Prüfung

Es gibt nur relativ wenige aussagefähige, klinisch gut kontrollierte publizierte Studien zu Sirolimus. Die Zulassung in den USA erfolgte auf Basis von nur zwei Phase-III-Doppelblindstudien mit 1300 Patienten, die Sirolimus als Zusatz zu CsA und Corticoiden erhalten hatten.

Für den europäischen Zulassungsantrag wurden insgesamt etwa 3500 Patienten in mehr als 50 Studien beobachtet (22), wovon allerdings nur ein Teil doppelblind war. In den zur Zulassung eingereichten Phase-III-Studien wurden circa 1300 Patienten, in zwei Studien zur CsA-Reduktion 771 Patienten mit Sirolimus behandelt (16, 22). Die Ergebnisse waren über alle Studien in etwa konsistent und lassen sich zusammenfassen: Die Wirksamkeit von Sirolimus ist vergleichbar mit CsA. Durch Kombination beider Substanzen ergeben sich synergistische Effekte, die eine Dosisreduktion von CsA bis hin zum kompletten Ausschleichen erlauben. Alternativ kann auch die Dosierung von Corticoiden verringert werden.

Im Vergleich der Kombinationen CsA/Sirolimus gegen CsA/Azathioprin oder CsA/Placebo war insbesondere im ersten Jahr die akute Abstoßungsrate deutlich verringert (um etwa 40 Prozent). Dennoch unterschieden sich weder die Organverlustraten (zwischen 3 bis 5 Prozent) noch die Sterblichkeit (zwischen 2 bis 3 Prozent pro Jahr) der in der Studie verbliebenen Patienten. Allerdings hatte in beiden Armen fast oder mehr als die Hälfte der Patienten die Studie oder Therapie abgebrochen, die meisten wegen unbefriedigenden Ansprechens oder Nebenwirkungen. Nach zwei Jahren waren alle untersuchten Studienendpunkte in beiden Armen vergleichbar (3, 5, 14, 16).

In einer Studie zum Ciclosporin-Ersatz (23) betrugen die Transplantatverlustraten unter Sirolimus allein 2,3 und in Kombination mit CsA 4,2 Prozent nach einem Jahr. Die Sterblichkeit lag bei 1,9 und 2,8 Prozent. In dieser Studie lag die Inzidenz der Nephrotoxizität in Kombination mit CsA bei 7,0 Prozent, ohne CsA bei 2,3. Auch Hypertonie, Hyperurikämie und Infektionen mit Herpes zoster traten gehäuft auf. Unter dem als Monotherapie höher dosierten Sirolimus alleine kam es dagegen häufiger zu Thrombozytopenien, Hypokaliämie und abnormen Leberwerten. Die Inzidenz von Infektionen generell und Malignomen war gegenüber den unter Immunsuppressiva allein bekannten Werten nicht erhöht.

Ein deutlicher Vorteil für Sirolimus ist die im Vergleich zu Ciclosporin durchgängig verbesserte Nierenfunktion, was sich sowohl bei den Serum-Creatinin-Werten als auch bei den mittleren glomerulären Filtrationsraten zeigte. Dies galt sowohl für Ciclosporin allein als auch für die Kombination, wobei Häufigkeit und Schweregrad auffälliger Werte sanken, wenn die Ciclosporin-Dosis reduziert werden konnte.

Hauptnebenwirkung sind jedoch Störungen des Lipidstoffwechsels. Bei fast der Hälfte aller Patienten wurden behandlungsbedürftige Anstiege der Serumcholesterol- oder -Triglyceridwerte beobachtet. Rückläufige Werte bei den 12-Monats-Analysen im Vergleich zu 6-Monats-Analysen lassen sich auf den massiven Einsatz von Lipidsenkern (Statinen und Fibraten) zurückführen. Diese Nebenwirkung ist deutlich mit der Höhe der Talblutspiegel korreliert und kann durch Dosissenkung im therapeutischen Bereich (TDM) oder lipidsenkende Medikation beherrscht werden.

Einen interessanten Aspekt beleuchtet eine offene Phase-II-Studie (17), in der 36 Patienten mit refraktärer Abstoßung unter Ciclosporin und Antikörpern behandelt wurden. Nach zusätzlicher Gabe von 5 mg/m² Sirolimus täglich waren 96 Prozent der Abstoßungsepisoden reversibel im Vergleich zu 67 Prozent unter Mycophenolatmofetil. Die Überlebensrate nach einem Jahr betrug in beiden Gruppen etwa 90 Prozent .

Erste klinische Versuche zu weiteren Einsätzen von Sirolimus waren in diesem Jahr in den USA bei Leber- (18) und Pankreastransplantationen (19) erfolgreich. Die Kombination mit Tacrolimus zeigte dabei trotz postulierter Kompetition um das Bindungsprotein FKBP 12 klinisch synergistische Wirkungen, die Einsparung von Corticoiden war wie bei Nierentransplantationen möglich. Den Versuch einer komplett Calcineurin-freien Immunsuppression bei Nierentransplantation mit Sirolimus und monoklonalen Antikörpern gegen IL2-Rezeptoren bezeichnete der Autor ebenfalls als erfolgreich (20).

Auch bei Autoimmunerkrankungen wird eine mögliche Anwendung erwogen. In einer europäischen Studie (21) erwies sich Sirolimus plus subtherapeutisches Ciclosporin bei 150 Psoriasis-Patienten als ebenso wirksam wie höherdosiertes Ciclosporin allein, wobei insbesondere hinsichtlich der Nierenfunktion ein günstigeres Nebenwirkungsprofil beobachtet wurde.

 

Wertende Zusammenfassung Der neue Wirkmechanismus von Sirolimus führt nicht zu einem neuen Wirkspektrum. Synergistische Wirkungen mit anderen Immunsuppressiva äußern sich nur in Dosis-Einspareffekten, die allerdings mit deutlich höheren Therapiekosten erkauft werden. Ob wirklich ein klinischer Vorteil durch weniger Nebenwirkungen sichtbar wird und ob das Ausmaß der statistisch besseren Nierenfunktion im Gegensatz zu Ciclosporin oder zur in den USA zugelassenen Kombinationstherapie diese Kosten rechtfertigt, wird kontrovers diskutiert. Zur Beurteilung wichtige Langzeitdaten - eine Nephrotoxizität wird häufig erst nach mehrjähriger Therapie sichtbar - liegen noch nicht vor.

Interessante weitere Einsatzgebiete könnten sich ergeben, wenn erste Ansätze zu anderen Wirkaspekten weiterverfolgt werden können, zum Beispiel zu Gefäßschäden bei chronischen Abstoßungsreaktionen oder Autoimmunerkrankungen, insbesondere Diabetes. Hier könnte sogar ein eigener Wirkmechanismus bestehen.

Fazit: Im Moment stellt Sirolimus eine Ergänzung der bestehenden Therapie dar, aber keinen Durchbruch in der Abstoßungsprophylaxe.

 

Literatur

  1. Fachinformation Rapamune, Wyeth Europa. Stand März 2001.
  2. Organspende und Transplantation in Deutschland. 5. Bericht der DSO - Deutsche Stiftung Organtransplantation. Neu-Isenburg, in Zusammenarbeit mit Wyeth (2001).
  3. Hall, B. M., et al., Comparison of three immunosuppressive regimens in cadaver renal transplantation: long term cyclosporine and short term cyclosporine followed by azathioprine and prednisolone and azathioprine and prednisolone without cyclosporine. N. Engl. J. Med. 318, 23 (1988) 1499 - 1507.
  4. Zanker, B., et al., Mycophenolate mofetil-based, cyclosporine-free induction and maintenance immunosuppression: first-3-months analysis of efficacy and safety in two cohorts of renal allograft recipients. Transplantation 66, 1 (1998) 44 - 49.
  5. Seghal, S., Rapamune: an overview and mechanism of action. Ther. Drug Monit. 17 (1995) 660 - 665.
  6. Abraham, R. T., Mammalian target of rapamycine: immunosuppressive drugs uncover a novel pathway of cytokine receptor signaling. Curr. Opin. Immunol. 10 (1998) 330 - 336.
  7. Vathasala, A., et al., Analysis of the interactions of immunosuppressive drugs with cyclosporine in inhibiting DNA proliferation. Transplantation 49 (1990) 463 - 472.
  8. Aagard-Tillery, K. M., Jelinek, D. F., Inhibition of B lymphocyte cell cycle progression and differentiation by rapamycin. Cell Immunol. 156 (1994) 493 - 507.
  9. Balcarcel, R. R., Stephanopoulos, G., Rapamycin reduces hybridoma cell death and enhances monoclonal antibody production. Biotechnol. Bioeng. 76, 1 (2001) 1 - 10.
  10. Cao, W., et al., Effects of rapamycin on growth factor stimulated vascular smooth muscle cell DNA synthesis. Transplantation 59 (1995) 390 - 395.
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  12. Gregory, C., et al., Rapamycin inhibits arterial intimal thickening caused by both alloimmune and mechanical injury. Transplantation 55 (1993) 1409 - 1418.
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  18. McAlister, V. C., et al., Orthotopic liver transplantation using low-dose tacrolimus and sirolimus. Liver Transplant. 7, 8 (2001) 701 - 708.
  19. Kaufman, D. B., et al., Pancreas transplantation at Northwestern University. Clin. Transplant. (2000) 239 - 246.
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  21. Reitamo, S., et al., Efficacy of sirolimus (rapamycin) administered concomitantly with a subtherapeutic dose of cyclosporin in the treatment of severe psoriasis: a randomized controlled trial. Br. J. Dermatol. 145, 3 (2001) 438 - 445.
  22. EMEA-Website: http://www.eudra.org/humandocs/humans/epar/rapamune/rapamune.htm
  23. Johnson, R. W., et al., Sirolimus allows early cyclosporine withdrawal in renal transplantation resulting in improved renal function and lower blood pressure. J. Transplantation 72, 5 (2001) 777 - 786.

 

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