Den Blutzucker richtig messen |
01.07.2002 00:00 Uhr |
PZ-Akademie
In der Sankt-Vincent-Deklaration einigten sich 1989 die unterzeichnenden Länder darauf, Diabetiker so zu behandeln, dass sie nicht erkranken oder zumindest keine Folgeschäden davontragen.
So sollte das Auftreten von Herzinfarkten innerhalb von fünf Jahren um die Hälfte und die Häufigkeit von Amputation um ein Drittel gesenkt werden. "Davon sind wir allerdings noch ganz weit weg", sagte Dr. Horst Klar, Leiter der Lehranstalt für Pharmazeutisch-technische Assistenten in Essen.
Pharmazeuten in der Offizin könnten einen großen Beitrag leisten, noch unerkannte Diabetiker zu entdecken und sie einer Therapie zuzuführen. In seinem Seminar "Blutzuckermessungen" stellte Klar neben den theoretischen Grundlagen auch aktuelle Geräte und Blutentnahmetechniken vor. Denn das Thema wird immer wichtiger: Rund 5 bis 7 Prozent der Deutschen haben Diabetes mellitus - das sind zwischen 4 und 6 Millionen Menschen. In zehn Jahren sollen sich die Zahlen verdoppeln, schätzen Experten: Die Herausforderung liegt vor allem darin, Diabetiker rechtzeitig zu erkennen, bevor Folgeschäden auftreten können, erklärte der Referent. Hierfür sind die Blutzuckermessgeräte wie sie in den Apotheken vorhanden sind durchaus geeignet. Für eine sichere Diagnose des Diabetes mellitus sind allerdings zertifizierte Geräte nötig.
Um Diabetiker aufzuspüren, eignen sich Teststäbchen, die den Urinzuckergehalt bestimmen. Zur Kontrolle der Blutzuckerwerte und zur Überwachung der Therapieerfolge kann man sie allerdings nicht einsetzen, da die Nierenschwellen von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein können, sagte Klar. Insgesamt liegt die Nierenschwelle für Glucose bei etwa 170 mg/dl. Leichte Blutzuckererhöhungen werden auf diese Weise daher nicht erfasst. Für eine genaue Selbstkontrolle der Diabetiker sind kleine Messgeräte geeignet, die von verschiedenen Unternehmen wie Abbott, Bayer, LifeScan oder Roche Diagnostics angeboten werden. Die regelmäßige Überwachung der Therapie soll helfen, Hypoglykämien zu erkennen, die Insulindosis anzupassen und Spät- und Folgeschäden zu verhindern. Außerdem verbessert eine gute Einstellung der Blutzuckerwerte die Lebensqualität der Patient erheblich. Die Lebenserwartung verlängert sie allerdings nicht, betonte Klar.
Bei einer Blutzuckermessung zu beachten ist, dass ein hoher Anteil der Blutzellen am gesamten Blutvolumen, der Hämatokrit, die Messung beeinflussen kann. Bei Männern liegt der Hämatokrit bei 41 bis 51 Prozent, bei Frauen etwas niedriger zwischen 36 und 47 Prozent. Bei älteren Menschen, die nicht ausreichend trinken und "ausgetrocknet" sind, liegt der Hämatokrit häufig sehr hoch, was einen hohen Blutzuckergehalt vortäuscht, erklärte der Referent. Außerdem können die Messwerte je nach Blutentnahmestelle schwanken: Zwischen arteriellem und venösem Blut können Unterschiede von bis zu 70 mg/dl liegen.
Aus diesem Grund sollte man immer Kapillarblut an der Fingerbeere entnehmen. Nur wenn keine stärkeren Blutzuckerschwankungen, etwa durch Nahrungszufuhr oder körperlicher Aktivität verursacht, zu erwarten sind, könnten auch alternative Blutentnahmestellen wie Unter- und Oberarm oder Ohrläppchen genutzt werden. Messfehler können auch auftreten, wenn die Entnahmestelle zu stark mit Alkohol desinfiziert und nicht ausreichend getrocknet wurde. Die auf dem Markt befindlichen Stechhilfen erlauben es, die Einstichtiefe so einzustellen, dass die Patienten mit ein wenig Übung fast schmerzfrei Blut entnehmen können, erklärte der Referent.
Nach der theoretischen Einführung konnten die Seminarteilnehmer gängige Blutzuckermessgeräte und Stechhilfen testen und die Vor- und Nachteile der einzelnen Geräte am eigenen Leib zu erfahren. Dabei lernten sie die unterschiedliche Handhabung und speziellen Funktionen der einzelnen Messgeräte kennen. Eine Besonderheit ist das von Novo Nordisc in Zusammenarbeit mit LifeScan neu entwickelte InDuoÒ, das Insulinpen und Blutzuckermessgerät in einem handyähnlichen Design kombiniert. Und auch blinde Diabetes-Patienten können mit Hilfe des sprechenden Messgeräts "One Touch Talk" selbstständig ihre Blutzuckerwerte kontrollieren: Das Gerät sagt sowohl die einzelnen Bedienungsschritte als auch den Messwert an.
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