Augen auf bei kritischen Kombinationen |
01.07.2002 00:00 Uhr |
PZ-Akademie
Die Probleme einer nicht sachgerechten Arzneimitteltherapie sind nicht unerheblich: In den USA gehen vermutlich rund 2,2 Millionen Krankenhauseinweisungen auf das Konto von schweren Nebenwirkungen, für rund 106.000 Patienten endet pro Jahr die Pharmakotherapie tödlich.
Neben dem Arzt ist die Apotheke die entscheidende Kontrollinstanz für Wechselwirkungen. Um die Flut an unterschiedlichen Wechselwirkungen in den Griff zu bekommen, muss das pharmazeutische Personal auch auf sinnvolle Computerprogramme zurückgreifen. Dennoch sollten in der Apotheken bei den gefährlichsten Kombinationen automatisch die Warnglocken läuten, mahnte Dr. Jörg Brüggmann, Chefapotheker der Zentralapotheke des Unfallkrankenhauses Berlin.
Grundsätzlich denkt der Pharmazeut beim Thema Wechselwirkungen sofort an die Familie der Cytochrom-Enzyme. Neben den durch die veränderte Pharmakokinetik bedingten Interaktionen, können aber auch pharmakodynamische Effekte eine Rolle spielen. Sie sind vorprogrammiert, wenn beispielsweise beide Wirkstoffe am gleichen Rezeptor angreifen oder am gleichen Erfolgsorgan beziehungsweise Regelkreis wirken. Die Effekte können dabei entweder abgeschwächt und sogar aufgehoben oder verstärkt werden. Als klassisches Beispiel nannte Brüggmann den kompetitiven Antagonismus von Cumarin-Derivaten und Vitamin K. Schleifen- und Thiaziddiuretika verstärken dagegen die Wirkung der herzwirksamen Glykoside, indem sie die Ausscheidung von Kalium erhöhen.
Eine größere Rolle im Apothekenalltag spielen allerdings die pharmakokinetischen Wechselwirkungen. Interaktionen können zunächst durch eine veränderte Resorption ausgelöst werden. So werden beispielsweise die Wirkstoffe Ketoconazol und Itraconazol nur im sauren Milieu des Magens resorbiert. Patienten, die parallel Antacida schlucken, sollten also das Antimykotikum möglichst zeitversetzt einnehmen. Eine Rolle spielt auch die Wechselwirkung zwischen Gyrasehemmern und Kationen wie Aluminium, Magnesium, Calcium oder Eisen. Auch hier sind Einnahmepausen angezeigt, da die Metalle mit den Antibiotika einen Chelatkomplex bilden.
Interaktionen, die auf Verteilungsprozesse im Körper zurückgehen, spielen eher eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist bei Arzneistoffen mit einer hohen Proteinbindung und geringer therapeutischer Breite dennoch Vorsicht geboten. Das größte Wechselwirkungspotenzial ist auf die Metabolisierung zurückzuführen. Dabei können die einzelnen Subtypen der Cytochrom-Familie von Wirkstoffen sowohl induziert als auch gehemmt beziehungsweise blockiert werden. Brüggmann nannte eine ganze Palette von Beispielen. Um eine guten Überblick zu behalten, empfahl er, sich einzelne wichtige Arzneistoffe einzuprägen.
Bei einer eventuell nötigen Rücksprache mit dem Arzt ist Fingerspitzengefühl gefragt, sagte der Krankenhausapotheker. Natürlich falle es den Kollegen in der Klinik leichter, das gesamte Wechselwirkungsspektrum zu überschauen und zu überwachen. Einerseits werden im Krankenhaus meist Präparate aus einer Positivliste eingesetzt, andererseits stehen Arzt und Apotheker meist enger im Kontakt. Gerade für junge Kollegen und Pharmaziepraktikanten hatte Brüggmann eine gute Empfehlung für die Apothekenpraxis: Sie sollten regelmäßig Rezepte, die bereits beliefert wurden, quasi zu Übungszwecken auf ein mögliches Interaktionspotenzial hin untersuchen.
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