Hormonersatz nur bei Beschwerden |
07.07.2003 00:00 Uhr |
Die postmenopausale Hormonersatztherapie ist ausschließlich bei Frauen ohne erhöhtes Brustkrebsrisiko indiziert, die unter den typischen vasomotorischen Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen leiden. Die Dosis der Hormone sollte so niedrig wie möglich gewählt werden und die Therapie nicht länger als vier Jahre dauern. Allen anderen Frauen schadet die Hormonersatztherapie mehr als sie nützt, sagte Professor Dr. Reiner Bartl vom Klinikum Großhadern in München. Damit zog er ein Fazit aus den Ergebnissen der WHI-Studie (Women´s Health Initiative Trial), die seit ihrer Veröffentlichung im Sommer vergangenen Jahres immer wieder für Aufregung und Verunsicherung unter den Patientinnen sorgen.
Im Rahmen der Untersuchung hatten mehr als 16.000 gesunde postmenopausale Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren täglich 0,625 mg konjugierte equine Estrogene und 2,5 mg Medroxyprogesteronacetat erhalten – eine in den USA übliche Hormonersatztherapie. Nach durchschnittlich 5,2 Jahren wurde der Estrogen-Progestin-Arm der Studie abgebrochen, da die Risiken der Hormonersatztherapie nach einer Zwischenauswertung größer waren als der Nutzen. Zwar war die Zahl der schwer wiegenden Ereignisse mit 19 pro 10.000 Patientenjahren sehr gering. „Aber warum sollte eine Frau überhaupt ein Risiko eingehen?“, gab Bartl zu bedenken. Zumal die Hormonersatztherapie nach den Ergebnissen der WHI-Studie keinen Einfluss auf das Ausmaß von Depressionen, des Gedächtnisses, der Sexualfunktion oder der Schlaflosigkeit hatte.
Einnahme maximal fünf Jahre lang
Einzig vasomotorische Störungen besserten sich durch die Hormoneinnahme. Immerhin zwei Drittel aller postmenopausalen Frauen leiden unter Hitzewallungen oder Herzrasen. „Dafür ist die Hormonersatztherapie derzeit die beste Behandlung“, sagte Bartl. Ihr Nutzen müsse aber gegen die Risiken abgewogen werden. Zum Beispiel spräche für eine Hormonersatztherapie, dass die meistens Frauen die Hormone kürzer als fünf Jahre benötigen, und dass die Betroffenen in der Regel jünger als in der Studie seien und mit geringeren Wirkstoffdosen auskommen, erklärte er. Allerdings benötige man in Zukunft effektive und sicherere neue Therapien für diese Indikation.
Denn unter der Hormonersatztherapie war es zu einer Steigerung der Brustkrebsrate um 23 Prozent gekommen. Pro 10.000 Personenjahren traten 38 Tumore der Brustdrüse auf - versus 30 ohne Hormonersatztherapie. „Das sollte keiner Frau zugemutet werden“, sagte Bartl. Allerdings nahm das Brustkrebsrisiko unter der Estrogen-Progestin-Kombination erst nach vier Jahren Behandlung zu – daher die Zeitbegrenzung bei der anfangs erwähnten Empfehlung zur Therapie von vasomotorischen Beschwerden. Besonders häufig waren Estrogenrezeptor-positive Karzinome aufgetreten. Zudem waren die Tumoren größer und hatten häufiger bereits Metastasen gebildet als ohne Hormontherapie. Weiterer Nachteil: Durch die Hormoneinnahme blieb das Brustgewebe relativ dicht, und Mammographien wurden dadurch erschwert.
Hormonersatz senkt Frakturrisiko
Eine schützende Wirkung hatte die Hormontherapie hingegen bei Dickdarmkrebs, Gebärmutterkrebs sowie Oberschenkelhalsfrakturen. Diese protektiven Effekte glichen aber die negativen Ereignisse nicht aus, so dass es letztlich zum Abbruch des Studienarms mit der Hormonkombitherapie kam. Der Teil der Studie, in dem hysterektomierte Frauen ausschließlich Estrogene erhielten, läuft weiter.
Immerhin sei die WHI-Studie die erste Untersuchung, die nachwies, dass eine Hormontherapie das Frakturrisiko am Oberschenkelhals signifikant senkt. Allerdings gebe es potentere und gezielter wirkende Medikamente gegen Osteoporose, sagte Bartl. Zudem dauere eine effiziente Osteoporosetherapie mit Hormonen etwa zehn Jahre, womit auch die Risiken deutlich anstiegen.
Die postmenopausale Therapie mit Estrogen und Progestin erhöht das Krankheitsrisiko und bringt keine Verbesserung der Lebensqualität, resümierte Bartl. Einzige Ausnahme bilden Patientinnen mit vasomotorischen Beschwerden.
Wie die meisten Gynäkologen in Deutschland mit diesem Thema umgingen, sei nicht akzeptabel, monierte er. Viele Frauenärzte kritisierten das Design der WHI-Studie, zum Beispiel das relativ hohe Durchschnittsalter der Teilnehmerinnen von 63 Jahren und den großen Anteil adipöser Frauen, und behielten ihre eigenen Therapieempfehlungen bei. Das Studiendesign sei jedoch seit langem bekannt gewesen. Nur habe niemand mit einem solch vernichtenden Ergebnis für die Hormonersatztherapie gerechnet. Bislang sei die WHI-Studie die einzige akzeptable Untersuchung zu diesem Thema, und wer kritisiere, dass sich amerikanische Verhältnisse nicht automatisch auch auf Deutschland übertragen lassen, solle eine eigene Studie hier zu Lande initiieren.
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